Im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig schlummert ein riesiger bisher kaum erforschter Quellenschatz der Leipziger Musikverlage. Mit einem von den Universitäten Leipzig und Münster veranstalteten Symposium wollen Wissenschaftler die Erforschung des Materials vorantreiben.
Zu dem wissenschaftlichen Symposium "Das Leipziger Musikverlagswesen im internationalen Kontext" treffen sich vom 20. bis 22. Juni 2013 im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig und im Institut für Musikwissenschaft der Universität in Leipzig Musik-, Rechts-, Medien- und Buchwissenschaftler, um über ein Stück städtischer Kulturgeschichte zu diskutieren. Die Tagung soll Impulse zu einer umfassenderen, auch international vergleichenden Erforschung der Verlage aus einer interdisziplinären kulturgeschichtlichen Perspektive liefern. "Ein wesentliches Thema ist die Vernetzung der Verlage mit anderen Leipziger Musikinstitutionen, wie Gewandhaus oder Bach-Gesellschaft sowie mit ausländischen Firmen und Komponisten", sagt Dr. Stefan Keym, Musikwissenschaftler an der Universität Leipzig.
Die Referenten zählen zu den führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet: Bernd-Rüdiger Kern und Janine Wolf aus Leipzig werden über die Entwicklung des Musikurheberrechts im 19. Jahrhundert am Beispiel Carl Maria von Webers sprechen. Luca Aversano aus Rom referiert über Kooperation und Konkurrenz zwischen Breitkopf & Härtel und der Mailänder Weltfirma Ricordi, Sophie Fetthauer aus Hamburg über das Schicksal des jüdischen Verlegers Eulenburg im "Dritten Reich".
Leipzigs musikalische Verlagslandschaft hatte vom späten 18. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg weltweit eine Vorreiterrolle. Aus dieser Zeit ist ein umfangreicher Quellenschatz überliefert, der im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig ruht. Im Fokus der Tagung stehen also nicht die Komponisten und ihre Werke, sondern ihre geschäftlichen Aktivitäten. "Die Verleger hatten einen großen Einfluss", sagt Keym. "Durch ihre Programmpolitik, ihre finanzielle Förderung der Komponisten und ihre Vernetzung mit anderen Musikinstitutionen nahmen sie starken Einfluss auf die Repertoire- und Kanonbildung. Das ist ein wichtiger Aspekt, der in der Forschung lange Zeit kaum beachtet wurde."
"Bis heute herrscht die romantische Vorstellung vor: Kunst und Kommerz haben nichts miteinander zu tun", berichtet Stefan Keym, der das Symposium gemeinsam mit Dr. Peter Schmitz von der Universität Münster organisiert. Es sei jedoch unumstritten, dass die wirtschaftliche Seite der Kunst eine wichtige Rolle für die Komponisten spielte. Die Komponisten hätten oft subtile Geschäfts- und Marketingstrategien entwickelt.
Leipzig – das Zentrum europäischer Musikalienproduktion
Um 1800 entsteht das Phänomen "Musikstadt Leipzig": Die Stadt wird zum Vorbild der bürgerlichen Musikkultur, vor allem mit den Konzerten im Gewandhaus. In dessen Direktion wirkten diverse Verleger. "Bis zum 18. Jahrhundert war es üblich, dass es in jeder größeren Stadt nur einen Verlag gab, der auf Musik spezialisiert war", sagt Stefan Keym. In Leipzig etablierten sich ab 1800 neben den beiden Welthäusern Breitkopf & Härtel und C. F. Peters (Bureau de Musique) eine Vielzahl weiterer Musikverlage, deren Publikationen das internationale Musikleben maßgeblich prägten. "Diese Konzentration im Musikverlagswesen war eine Besonderheit angesichts der staatlichen Zersplitterung im frühen 19. Jahrhundert", sagt Stefan Keym. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkten in Leipzig mehr als 30 Musikverlage. Bis 1945 blieb die Stadt Marktführer: Ein Drittel der Musikverlagsproduktion kam aus Leipzig, 20 Prozent aus Berlin.
Quellensammlung nach 1945
Im Zeitraum der beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts allerdings haben die Leipziger Musikverlage ihre dominierende internationale Stellung teilweise eingebüßt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Leipziger Verlage enteignet, die führenden Verleger siedelten sich im Westen der Republik an. In der DDR wurden Hofmeister und Breitkopf zum Deutschen Verlag für Musik zusammengefasst, alle Quellen gingen in Staatsbesitz über.
Dazu zählten neben Musikalien (Notenhandschriften, Stichvorlagen mit Korrekturen der Komponisten) auch Briefe zwischen Verlegern und Komponisten, Verträge, Lizenzen, Copyright-Anmeldungen und Rechtsstreitigkeiten. Heute gehört das Material wieder den Verlagen, ist jedoch weiterhin im Sächsischen Staatsarchiv zugänglich. "Das ist ein riesiges Quellenmaterial, das bis heute nur bruchteilhaft ausgewertet ist. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Bestand der Musikverlage Breitkopf und Peters. Bei Breitkopf sind es allein 300 Meter Archivbestand", sagt Keym. "Wenn man darin blättert und liest, bekommt man einfach einen sehr plastischen Eindruck, wie das Musikleben damals so ablief."
Parallel zu dem Symposium werden in der begleitenden Ausstellung "Da ist Musik drin. Leipziger Musikverlage in Zeugnissen aus zwei Jahrhunderten" Beispiele dieser musikverlagsgeschichtlichen Quellen im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig erstmals öffentlich gezeigt.
Links:
- http://www.gko.uni-leipzig.de/musikwissenschaft
- http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/musikwissenschaft/pdf/tagungsflyer
Kontakt:
PD Dr. Stefan Keym
Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig
Telefon: +49 341 9730-450
keym@rz.uni-leipzig.de
Dr. Peter Schmitz
Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Münster
Telefon: +49 251 83-24549
http://www.uni-muenster.de/Musikwissenschaft/schmitz.html
Quelle: Claudia Euen, idw online / Susann Huster, Pressestelle Universität Leipzig, Medieninformation, 13.6.2013