Stur, bodenständig und ein bisschen provinziell – das ist das verbreitete Bilder der Westfalen. Sind sie wirklich so? Mit westfälischen Mythen und Stereotypen in Spiel- und Kulturfilmen aus den Jahren 1924 bis 2002 beschäftigt sich die neue Staffel der Filmreihe "Drehbuch Geschichte", die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit der Stadt Münster vom 13. Februar bis 20. März 2013 veranstaltet. Mit vier Filmforen schlägt die Reihe einen Bogen von der Frühzeit des Kintopp bis zu aktuellen Darstellungen der Region im Spielfilm.
"Die meisten Spiel- und Kulturfilme zeichnen ein Bild von Westfalen, das im Kern Stereotypen folgt, die schon in der frühen Neuzeit entstanden waren", erläutert Prof. Dr. Markus Köster, Historiker und Leiter des LWL-Medienzentrums für Westfalen. Entsprechend wird der Westfale vor allem als "bodenständig", "derb", "nüchtern", "aufrichtig", "praktisch" und "beharrlich" charakterisiert und als klassischer Urtyp der Region der westfälische Bauer ausgemacht. Auch mythische Gründergestalten wie Hermann der Cherusker und Originale wie "der tolle Bomberg" werden vor allem in älteren Filmen gern in Szene gesetzt. Neuere Filme fügen dem noch das regnerische Wetter, den Typus des Ruhrgebiets-Malochers und die Leidenschaft für Fußball und Bier hinzu.
Solche westfälischen Mythen und Stereotypen anhand ausgewählter Spielfilme will die diesjährige Filmreihe "Drehbuch Geschichte" hinterfragen. Sie findet 2013 wieder in Kooperation von LWL-Medienzentrum für Westfalen, Geschichtsort Villa ten Hompel und dem Verein "Die Linse – Verein zur Förderung kommunaler Filmarbeit" in Münster statt. Vier Filmforen gehen der Frage nach, wie sich Westfalen und seine Bewohner in vier Spielfilmen und einem Kulturfilm der Jahre 1924 bis 2002 spiegeln. Die Filme werden alle im "Cinema" in Münster gezeigt.
"Die Hermannschlacht" (13. Februar)
Den Anfang macht am 13. Februar der Stummfilm "Die Hermannschlacht" von 1924, der den Sieg der Germanen unter Führung von Hermann/Arminius gegen die römischen Truppen des Varus im Jahr 9 n.Chr. nachzeichnet. Der nach zeitgenössischer Interpretation "an Originalschauplätzen" im Teutoburger Wald entstandene Spielfilm – damals als großartiges Stummfilmepos gefeiert – verklärt Hermann zum Befreier eines vereinten Germaniens und zum Gründervater der deutschen Nation. "Heute ist der Streifen nicht nur ein Stück Filmgeschichte, sondern auch ein Zeugnis für die Irrungen und Wirrungen nationaler – und westfälischer – Identitätssuche im 20. Jahrhundert", so Köster.
"Westfalenlied" (20. Februar)
Mehr als 30 Jahre später entstand 1957 mit "Westfalenlied" ein für das Kino produzierter dokumentarischer "Heimatfilm", der die Schönheiten und Besonderheiten Westfalens für ein breites Publikum ins rechte Licht rücken sollte. Der Film illustriert ein heute längst aus der Mode gekommenes westfälisches Heimatgefühl. Während die Kamera in langen Fahrten und ruhigen Einstellungen schwelgt, beschwört der Kommentar eine homogene westfälische Identität. In der Betonung von Überschaubarkeit, Geborgenheit und Kontinuität präsentiert Kramers "Heimatfilm" Westfalen geradezu als konservativen Gegenentwurf zu den rapiden gesellschaftlichen Veränderungsschüben der Nachkriegszeit. Am 20. Februar wird der Film erstmals nach vielen Jahren wieder auf einer Kinoleinwand präsentiert.
"Die Abfahrer" (13. März)
Ein echtes westfälisches Roadmovie präsentiert das dritte Filmforum am 13. März mit Adolf Winkelmanns "Die Abfahrer" von 1978. Die arbeitslosen Freunde Lutz, Sulli und Atze vertrödeln ihre Tage in einem trostlosen Dortmunder Hinterhof. Eines Tages beschließen die drei auszubrechen, stehlen einen voll beladenen Möbeltransporter und fahren mit der jungen Anhalterin Svea in deren Heimatstadt Münster. Von da aus geht\’s weiter nach Siegen …
"Der Film beschreibt humorvoll und authentisch die Situation und das Lebensgefühl jugendlicher Arbeitsloser im Ruhrgebiet der ausgehenden 1970er Jahre", urteilt Christoph Spieker, Leiter der Villa ten Hompel. Gleichzeitig rückt Winkelmanns Erstlingsfilm auch die westfälischen Teilregionen Ruhrgebiet, Münsterland und Siegerland ins Bild. Nach der Filmvorführung steht mit Ludger Schnieder einer der damaligen Hauptdarsteller zum Gespräch bereit.
"Die Frau, die an Dr. Fabian zweifelte" (20. März)
Den Abschluss der Reihe bildet am 20. März die schwarze Komödie "Die Frau, die an Dr. Fabian zweifelte" von 2002: Als der ewige Medizinstudent Paul (Robert Glatzeder) nach einer Überdosis nur knapp dem Tod von der Schippe springt, greift sein auf einem halbverfallenen Hof im tiefsten Westfalen lebender Vater (Dieter Pfaff) zu einem drastischen Mittel: Erst wenn Paul einen Arztroman auswendig gelernt hat, wird er wieder aus dem Hundezwinger heraus gelassen. Inzwischen haben sich aber zwei völlig durchgeknallte Drogendealer an Pauls Fährte geheftet. Das Münsterland war Drehort für diese rabenschwarze Komödie, die mit dem Klischee des "drögen" Westfalen spielt.
Alle Filme werden im Cinema Münster an der Warendorfer Str. 45 in 48145 Münster gezeigt und durch Fachleute eingeführt. Anschließend besteht Gelegenheit zu Nachfragen und Diskussionen. Karten: http://www.cinema-muenster.de oder Tel. 0251-30300, Eintritt: 7,50 Euro/ermäßigt 6 Euro; Abo für die ganze Reihe: 20 Euro
Die Filme im Überblick:
Mittwoch, 13.02.2013, 19.00 Uhr im Cinema Münster
Die Hermannschlacht. Ein Stummfilm in fünf Akten (D 1924, Leo König)
Einführung: Dr. Volker Jakob, Historiker
Mittwoch, 20.02.2013, 19.00 Uhr im Cinema Münster
Westfalenlied. Ein Heimatfilm der roten Erde (D 1957, Karl-Heinz Kramer)
Einführung: Prof. Dr. Markus Köster, Historiker
Mittwoch, 13.03.2013, 19.00 Uhr im Cinema Münster
Die Abfahrer (D 1978, Adolf Winkelmann)
Filmgespräch: Jens Schneiderheinze (Cinema) mit Ludger Schnieder (Darsteller des Lutz)
Mittwoch, 20.03.2013, 19.00 Uhr im Cinema Münster
Die Frau, die an Dr. Fabian zweifelte (D 2002, Andi Rogenhagen)
Einführung: Dr. Hans Gerhold M.A.
Weitere Informationen: http://www.lwl-medienzentrum.de, http://www.cinema-muenster.de
Quelle: LWL-Pressestelle, 4.2.2013