Das Archiv der Jugendkulturen in Berlin ist umgezogen. Zwar fand der Umzug des Archivs nur innerhalb des Geländes der ehemaligen Bockbrauerei in der Kreuzberger Fidicinstraße statt, jedoch war dies trotzdem mit hohem Aufwand verbunden, da kein Geld für Externe vorhanden war und der komplette Umzug von den meist ehrenamtlichen Mitarbeitern selbst durchgeführt werden musste. "Horror", sagt Gabriele Rohmann vom Archiv, wenn sie an den Umzug zurückdenkt. Die Bestände des Archivs umfassen 40.000 Zeitschriften, tausende Bücher, Zeitungsausschnitte, Fanzines, Poster, hunderte CDs und DVDs aber auch 700 wissenschaftliche Arbeiten, die für den Umzug eingepackt, getragen und wieder ausgepackt werden mussten. Dabei musste sich das in Europa einzigartige Projekt laut Rohmann rund um die Hälfte verkleinern, um die hohen Mietkosten zu senken. "Jetzt sind wir zu 80 Prozent fertig mit dem Umzug," sagt Rohmann. Bereits seit einer Woche ist das Archiv wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.
Das seit 1998 existierende Archiv will Jugendkulturen nicht nur wissenschaftlich behandeln, sondern Jugendliche auch direkt in Projekte einbinden. Beim Projekt "Eigenregie" beispielsweise führen Jugendliche selbst Interviews mit Zeitzeugen durch, während sich das Projekt "New Faces" generationenübergreifend und interkulturell mit Antisemitismus auseinandersetzt. Letzteres Projekt arbeitet mit Methoden aus der antirassistischen politischen Bildungsarbeit sowie mit jugendkulturellen und medienpädagogischen Ansätzen und setzt zur Vermittlung der Inhalte auf alternative Medien wie beispielsweise Techno, Rap oder Streetart. Die Projektarbeit des Archivs summiert sich auf jährlich bundesweit rund 120 Schulprojekttage und Fortbildungen für Erwachsene, außerdem wird eine eigene Zeitschrift, das "Journal für Jugendkulturen" sowie eine Buchreihe mit ca. 6 Titeln jährlich publiziert. Auf akademischer Ebene arbeitet das Archiv zur Zeit außerdem mit dem Musikwissenschaftlichen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in einem Projekt zum Verhältnis von Musik und Jugendkultur zusammen.
Auch Ausstellungen werden vom Archiv entwickelt, in den letzten Jahren wurden beispielsweise das 50. Jubiläum der Bravo oder die Darstellung des Holocaust im Comic so der Öffentlichkeit näher gebracht. Neuestes Projekt ist "Träum schön weiter", welches Rohmann als "Ergänzungsband zu Buschkowskys Buch" bezeichnet. In dem Projekt kommen Neuköllner Jugendliche selbst zu Wort und beschreiben die Wahrnehmung ihres Alltags, während im Buch des Bezirksbürgermeisters nur über sie geschrieben wird.
Zu häufigen Kunden des Archivs gehören neben Studenten beispielsweise Drehbuchschreiber, die sich zur authentischen Darstellung von Jugendszenen dort informieren. Außerdem werden in Seminaren Psychologen, Sozialarbeiter und Polizisten geschult.
Die Finanzierung des Archivs indes bleibt problematisch, das Grundkapital von 100.000 Euro konnte nur dank vieler Kleinspender aufgebracht werden. Obwohl die Projekte des Archivs der Jugendkulturen bereits mehrere Preise erhielten – "New Faces" beispielsweise wurde im Rahmen der bundesweiten Initiative "Deutschland – Land der Ideen" als ausgewählter Ort ausgezeichnet – konnte sich die Politik bisher nicht zu einer institutionellen Förderung durchringen, man bleibt von den einzelnen Projektförderungen abhängig. Dadurch können wichtige Vorhaben wie die Digitalisierung der Bestände oder die Schaffung von ausreichend Platz für die Sammlung, die zum Teil eingelagert werden musste, nicht realisiert werden.
Kontakt:
Archiv der Jugendkulturen e.V.
Fidicinstraße 3
10965 Berlin
Tel. 030/6942934
Fax 030/6913016
archiv@jugendkulturen.de
www.jugendkulturen.de
Quelle: Neues Deutschland, 11.2.2013; Informationsdienst Wissenschaft, Pressemitteilung, 24.1.2013