Gehrden, eine Kleinstadt mit ca. 15.000 Einwohnern, ca. 15 Kilometer südwestlich von Hannover gelegen, kann auf eine mehr als 700-jährige Geschichte zurückblicken. Im Jahre 1298 von den Schaumburger Grafen zum "oppidum" erhoben, repräsentiert es den Typus der Stadt minderen Rechts, wie sie über Jahrhunderte unter der in Norddeutschland typischen Bezeichnung Flecken im Calenberger Land verbreitet war. Ein Stadtarchiv als eigenständiges Institut hatte Gehrden noch nie – aber es gab eine ganze Reihe von Initiativen zur Betreuung der historischen Aktenbestände. Seit den Fünfziger Jahren wurden die vorhandenen Dokumente immer wieder von Heimatforschern gesichtet, aber es gab bestenfalls Ansätze einer Erfassung. So schlummerte der historische Dokumentenschatz für Jahrzehnte ungesichtet vor sich hin. Dies änderte sich erst, als die Archivgruppe des Heimatbundes Gehrden e.V. sich seit dem Jahr 2011 der Unterlagen annahm.
Die Archivalien der Kleinstadt waren durch den Umzug der Verwaltung ungeordnet im Keller des neuen Rathauses abgelegt worden. Auf den Aktendeckeln einiger Akten waren laufende Nummern verzeichnet. Der einzige Aktenplan, der vorlag, korrespondierte nicht mit diesen Nummern bzw. den Inhalten der Akten. Weitere Informationen über Aktenplan oder laufende Nummern lagen nicht vor. Somit war die Notwendigkeit geboten, die Akten neu zu ordnen, also einen aktuellen Aktenplan zu verfassen.
Zunächst wurden die Akten an etwa 10 Nachmittagen (à 8 Personen) vorbearbeitet, indem in jede eine Notiz mit einer Überschrift und ggf. einigen Stichworten zum Inhalt gelegt wurde. Nach Besichtigungen anderer kleinerer Archive und dem Hauptstaatsarchiv des Landes Niedersachsen in Hannover wurde sodann klar, dass die beste Lösung der Aufbereitung des Archivs eine Archivsoftware ist. Mittlerweile hatte die Gruppe fachliche Beratung eines Experten bekommen, der im Hauptstaatsarchiv Sachsen in Dresden seit Jahren mit der großen Version der Software AUGIAS-Archiv 8.3 arbeitet. Ein städtisches Nachbararchiv benutzte schon seit Jahren AUGIAS-Express in einer älteren Version, so dass man sich auch in Gehrden hierfür entschied.
Um einen Überblick über die Leistungen und Möglichkeiten des Programms zu bekommen, stellte AUGIAS-Data eine Testversion von AUGIAS-Express zur Verfügung. Die ehrenamtlichen Archivmitarbeiter wurden an einem Vormittag von Nils Brübach, Referatsleiter im Hauptstaatsarchiv Dresden, und selbst in Gehrden aufgewachsen, durchgeführt. In der Schulung wurden grundsätzliche Voraussetzungen des Verzeichnens geklärt und gleichzeitig eine Einführung in das Programm gegeben. Zunächst wurden allerdings nur die Grundfunktionen erläutert, damit die Akten baldmöglichst verzeichnet werden konnten. Der Schwerpunkt lag somit darauf, zügig einen Überblick über den Bestand zu bekommen. Eine Schwierigkeit lag für die Gruppe anfangs darin, die Bedeutung der Systematikgruppen innerhalb der Struktur der Software zu verstehen. Nachdem diese Hürde überwunden war, wurden die Systematikgruppen und -untergruppen angelegt.
Seit Sommer 2012 begannen die ehrenamtlichen Archivare, die Akten nochmals einzeln durchzusehen, um über die Nutzung des Enthält-Vermerks die Erschließungsangaben mit mehr Inhalt zu versehen. Verzeichnet wurde nun nach dem "Bär\’schen Prinzip". Die Akten werden nicht vorsortiert, sondern in zufälliger Reihenfolge aufgenommen. Zugeordnet werden sie beim Verzeichnen den vorher angelegten Systematikgruppen, die später als Findbuch Ordnung in den Aktenbestand bringen.
Bei einer weiteren Beratung durch den Experten wurde auch die Möglichkeit aufgezeigt, einen Index zu erstellen, so dass hierüber auch in der Papierversion eine Stichwortsuche für Nutzer des Archivs möglich ist. Für den Index wird beim Verzeichnen im Formular der Software das entsprechende Symbol angeklickt und in einem Fenster die dort durch den eingegebenen Inhalt der Akte bereitgestellten optionalen Stichworte nach Bedarf markiert.
Nach etwa 4 Monaten Arbeit kann man zwischenbilanzieren, dass der Aufbau der Software und die Arbeit mit ihr auch für nicht-geübte PC-Nutzer nach erfolgter Einweisung in das Programm gut zu bewältigen ist. Die anfänglichen Probleme bezüglich der Systematikgruppen konnten nach einem weiteren Beratungsgespräch geklärt werden. Das Verständnis für die Zuordnung der einzelnen Akten zu den Systematikgruppen, die "im Hintergrund" angelegt werden, war die größte Hürde bei der anfänglichen Nutzung. War diese einmal überwunden, war die Bedienung denkbar einfach.
Zusätzliche Möglichkeiten, wie das Hochladen von Photos usw., sollen in einem zweiten Durchlauf ergänzt werden. AUGIAS-Express hat sich aus Sicht des Experten gerade für eine Nutzung durch wenig Erfahrene als Besonders geeignet erwiesen: Durch die übersichtliche, unkomplizierte Menüführung und die vorkonfigurierten Verzeichnungsmasken, die alles Wichtige auf einen Blick zeigen, ist das Programm bei der Verzeichnungsarbeit fast selbsterklärend. Durch seine Funktionen zur Verwaltung von Systematiken, zur Einbindung von Digitalisaten und vielem, was AUGIAS-Express vom "großen Bruder" geerbt hat, bietet es genug Potential für die Zukunft. In Gehrden hat es sich bislang bewährt.
Britta Beyersdorf und Nils Brübach
Kontakt:
Stadtarchiv Gehrden [im Aufbau]
Kirchstr. 1-3
30989 Gehrden
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