Am 9. Mai 2012 ist es genau 70 Jahre her, dass in Thüringen die Deportationen der jüdischen Bürger begannen. Den Anfang der Vernichtung stellten die Deportationen am 9. Mai 1942 dar – auch in Eisenach. Eindrucksvoll und bedrückend zugleich zeigen 20 Schwarzweißfotos aus dem Stadtarchiv Eisenach in aller Deutlichkeit, dass diese Deportationen nicht etwa im Geheimen, sondern unter den Augen der damaligen Eisenacher Einwohner vonstatten ging. So mussten die Juden am 9. Mai 1942 durch die Goethestraße, die Schillerstraße, die Gabelsberger Straße bis zum Bahnhof ziehen. Von dort aus ging es per Sammeltransport mit dem Zug nach Weimar, einen Tag später weiter nach Leipzig. Der Transport endete am 12. Mai 1942 im Ghetto in Belzyce (Polen). Aus Eisenach wurden damals 58 Menschen deportiert. Keiner von ihnen überlebte die Tortur.
Abb.: Die Eisenacher Bürgermeisterin Ute Lieske und Stadtarchivar Dr. Reinhold Brunner mit den Fotos, die die Deportation der Eisenach Juden am 9. Mai 1942 zeigen. (© Foto: Stadt Eisenach)
Dr. Reinhold Brunner, Leiter des Eisenacher Stadtarchivs und Bürgermeisterin Ute Lieske erläuterten heute in Gedenken an diesen Tag die historisch wertvollen Bilddokumente. Denn sie sind die einzigen Fotografien aus Thüringen, die die Deportationen zeigen. Zwar ist der Ursprung der 20 Aufnahmen unbekannt, die abgebildeten Juden dagegen nicht. "Die Menschen sind für uns nicht einfach eine graue, anonyme Masse", sagt Dr. Brunner. Zum Teil konnten sie im Rahmen der jüdischen Begegnungswochen, die 1995, 1999 und 2002 in Eisenach stattgefunden haben, von Familienangehörigen identifiziert werden. "Wir verbinden mit den abgebildeten Menschen Biographien", sagt auch Ute Lieske.
Ebenso eindrucksvoll und emotional ist ein Brief vom 15. Oktober 1941. Das Original wird ebenfalls im Stadtarchiv aufbewahrt. Darin schreibt Alfred Maerker (Bankensachverständiger, seit den 1920er Jahren in Eisenach ansässig und jüdischer Abstammung) an seine Tochter in Shanghai über die Situation der Eisenach Juden: "Der Umzug ist regulär von statten gegangen, aber dieses Ereignis ist ganz fürchterlich: In einem so kleinen Zimmer wohnen, essen, schlafen etc. das ist wahrlich wenig angenehm. Aber für die Juden gibt es keine Kultur mehr, sie dürfen nur noch vegetieren."
Zusammen mit Einträgen in der amtlichen Chronik der Wartburgstadt von 1942 ergibt sich so ein klares Bild über den Ablauf der Deportationen. Die historische Bedeutung der Eisenacher Dokumente ist immens. In zahlreichen nationalen und internationalen Veröffentlichungen sind die Fotos vom 9. Mai 1942 zu finden. Darunter Schulbücher, Ausstellungskataloge und Geschichtsmagazine. Zu diesem Thema findet außerdem am Donnerstag, 10. Mai 2012, eine Gedenkveranstaltung im Erfurter Landtag statt. Im Rahmen einer Ausstellung werden dort auch die Fotos aus Eisenach gezeigt.
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Quelle: Stadt Eisenach, Pressemitteilung, 7.5.2012