Ein renommiertes privates Bankhaus geht in die Insolvenz. Wegen der wegbrechenden Kredite droht den drei größten Industriebetrieben des Landes der Bankrott und Tausenden von Arbeitern die Entlassung. Die Regierung diskutiert kontrovers über das Für und Wider direkter staatlicher Finanzhilfen. Nachrichten aus dem aktuellen Wirtschaftsleben? Keineswegs. Was sich da liest wie Auszüge aus einer heutigen Tageszeitung, hat sich tatsächlich bereits zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Baden zugetragen und ist als „Drei-Fabriken-Frage“ in die südwestdeutsche Geschichte eingegangen. Womit einmal mehr bewiesen sein sollte, dass Geschichte weit mehr sein kann als eine Auflistung der Regierungszeiten gekrönter Häupter und mehr als eine bloße Chronik geschlagener Schlachten.
Die Wanderausstellung „Wege aus der Armut – Baden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, die noch bis 28. Oktober 2011 im Bruchsaler Rathaus am Marktplatz zu sehen ist, rückt die politische Auseinandersetzung mit brennenden sozialen Fragen vor anderthalb Jahrhunderten in den Fokus der Betrachtung. Und sie tut es in einer Weise, die – wie Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick bei der Eröffnung betonte – deutlich mache, dass vergleichbare Probleme im beginnenden 21. Jahrhundert noch so brisant seien wie eh und je: „Denn nach ‚Wegen aus der Armut’ suchen Menschen und Institutionen bis auf den heutigen Tag.“
Konzipiert und gestaltet vom Landesarchiv Baden-Württemberg, schlägt die Ausstellung einen weiten Bogen von den klimatischen, ökonomischen und politischen Wurzeln zunehmender Armut im 19. Jahrhundert bis hin zu den staatlichen Lösungsversuchen. Die umfassten einerseits neue Ansätze in der Sozialpolitik ebenso wie andererseits strenge juristische Sanktionen gegen Gesetzesbrecher – was nicht zuletzt auch im damaligen Neubau des Bruchsaler Männerzuchthauses sichtbar zum Ausdruck kam.
Als ausgewiesene Experten führten Dr. Peter Exner und Dr. Reiner Brüning anlässlich der Eröffnung in die Ausstellungskonzeption ein und arbeiteten dabei auch zahlreiche Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart heraus. Ob gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz, Fragen der gerechten Entlohnung, wirtschaftliche Konjunkturen und darauffolgende Finanzkrisen – wer die Texttafeln aufmerksam studiert, mag aus gutem Grund von dem Gefühl beschlichen werden, solche oder zumindest ähnliche Debatten auch aus der heutigen Zeit zu kennen. Oder wie Oberbürgermeisterin Petzold-Schick es formulierte: „Wir dürfen Geschichte nicht nur als etwas Abgeschlossenes, Vergangenes oder gar Kontemplatives ansehen.“
Veranstaltungsdaten:
17. September 2011 – 28. Oktober 2011; montags bis donnerstags 8.00 Uhr – 16.00 Uhr; freitags 8.00 Uhr – 12.00 Uhr; Eintritt frei
Veranstaltungsort:
Rathaus am Marktplatz
Kaiserstraße 66
76646 Bruchsal
Veranstaltungskatalog:
Rainer Brüning und Peter Exner (Hg.),
Wege aus der Armut. Baden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
Selbstverlag des Fördervereins des Generallandesarchivs Karlsruhe,
Karlsruhe 2007, 60 S., 10,- Euro, ISBN: 3-930158-14-0
Kontakt:
Stadt Bruchsal (http://www.bruchsal.de/)
Hauptamt – Abteilung Kultur
Kaiserstraße 66
76646 Bruchsal
Telefon: 07251/79-380
thomas.adam@bruchsal.de
Quelle: Stadt Bruchsal, Pressemitteilung, 19.9.2011