Soester Notfallverbund

Als Folge des Kölner Archiveinsturzes berieten jetzt Archivarinnen und Archivare aus dem Kreis Soest im Alten Rathaus von Rüthen über einen Notfallplan. Beatrix Pusch, Sprecherin des Arbeitskreises der kommunalen Archivare im Kreis Soest, konstatiert, dass man zwar von der Größe her nicht an Köln heranreiche, „aber auch bei uns kann es einen Wasserschaden oder einen Brand geben.“ Für alle Archive im Kreis soll der Notfallplan zukünftig gelten. – Die Soester Kommunalarchivare treffen sich zwei Mal im Jahr an verschiedenen Orten und tauschen ihre Erfahrungen aus. Weiterer wichtiger Punkt der diesmaligen Tagesordnung war die Archivierung digitaler Daten.

Quelle: Simon Wiggem, derwesten, 10.6.2010

Allmendinger Urkundenregesten

Am 8. Juni 2010 wurde im Schloss Allmendingen ein Buch der Öffentlichkeit vorgestellt, das tiefe Einblicke in die Geschichte der Region ermöglicht. Auf 299 Seiten finden sich die wissenschaftlich aufgearbeiteten Regesten des Archivs der Freiherren von Freyberg.

Das Buch "Archiv der Freiherren von Freyberg Schloss Allmendingen – Urkundenregesten 1367 bis 1910" wurde über drei Jahre hinweg bearbeitet von Peter Steuer vom Landesarchiv Baden-Württemberg und ist im Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, erschienen (29 farbige Abbildungen; 30 Euro. ISBN: 978-3-17-021286-2). Die wissenschaftliche Aufarbeitung ermöglicht hatte Baron Ulrich Freiherr von Freyberg-Eisenberg. Er öffnete das Archiv und beteiligte sich sowohl persönlich als auch finanziell an dem Projekt.

Im Zuge der Bearbeitung für das Buch wurden die Urkunden zum Teil restauriert und anschließend verfilmt. Die Mikrofilme können im Landesarchiv, Abteilung Staatsarchiv Sigmaringen, eingesehen werden. Das Archiv der von Freybergs in Allmendingen gehört mit rund 58 Regalmetern zu den größeren Adelsarchiven der Region.

Der Bestand an Pergamenturkunden (371 Stück, zwölf Regalmeter) wird allerdings eher als klein bewertet. Die älteste Urkunde ist aus dem Jahr 1367, die jüngste aus dem Jahr 1910. Sie werden in einem Archivraum aufbewahrt, der um 1900 im Allmendinger Schloss eingerichtet wurde.

Quelle: Südwest Presse, 10.6.2010; Klaus Wieschemeyer, Schwäbische Zeitung, 10.6.2010

Freitaler Aktenfund gesichtet

Bei der Sanierung der alten Niederpesterwitzer Schule (ehemaliges Kreisarchiv) war der Eigentümer im Herbst 2009 auf ein zugemauertes Plumpsklo gestoßen. Darin lagerten 26 laufende Meter Akten vom Rat des Kreises Freital. Neben belanglosen Verwaltungsprotokollen und leeren Vordrucken enthält das Material auch einen Meter mit brisanten Ausreiseangelegenheiten der berüchtigten Abteilung Inneres.

Kerstin Körner, die im Landratsamt Pirna die Abteilung Zentrales leitet, fuhr dieser Tage, um sich ein Bild über den aktuellen Stand zu machen, nach Wermsdorf bei Oschatz, wo der Aktenfund derzeit im Sächsischen Archivzentrum Hubertusburg aufbereitet wird.

Neben den Ausreiseunterlagen konnten die Archivare des Landkreises einen weiteren Teil der Akten identifizieren. Es handelt sich um Belege zu Gehaltszahlungen, die zum Teil noch aus den 1950er Jahren stammen. Diese Papiere wandern ins Kreisarchiv Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Pirna – für eventuelle Anfragen rund um die Rentenfeststellung.

Mit dem Rest werden die Spezialisten wohl noch eine Weile zu tun haben. „Es geht darum, jenen dauernden Wert festzustellen, der im Gesetz als Kriterium der Archivierungswürdigkeit festgelegt ist“, sagt Jürgen Rainer Wolf, Direktor des Sächsischen Staatsarchivs. Das schließe auch den Wert des Materials für Betroffene ein – ein weiteres Argument dafür, die Akten aus der Abteilung Inneres zu konservieren.

Noch stapeln im Archivzentrum Hubertusburg etliche Papierkisten mit dem Freitaler Aktenfund. In den nächsten Monaten werden die Archivare die Dokumente weiter sichten und einordnen. Dabei fällt auch die Entscheidung, was wie restauriert und auf Mikrofilm übertragen wird.

Quelle: Domokos Szabó, Sächsische Zeitung, 10.6.2010

30 Jahre Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr

Am 9. Juni 1980, vor 30 Jahren, wurde das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr eröffnet. Der damalige Archivleiter Kurt Ortmanns konnte als erste – geladene – Gäste, Vertreter aus Rat und Verwaltung sowie vom Geschichtsverein und der Arbeitsgemeinschaft heimatkundlicher Vereine, des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf, des Landschaftsverbands Rheinland und der Firma Thyssen durch die für 400.000 Mark umgebauten Räume einer ehemaligen Grundschule führen.

Neben dem Archivleiter waren anfangs noch zwei Bibliothekarinnen im Stadtarchiv tätig. Weitere Archivare, Magazinverwalter und Restauratoren kamen erst später in das „Haus der Stadtgeschichte“, das heute elf Mitarbeiter hat und seit 2008 von dem Historiker Kai Rawe geleitet wird. „Früher gab es sehr wenig Öffentlichkeitsarbeit. Die haben wir erst in den letzten zehn Jahren ausgeweitet“, berichtet Johannes Fricke. Der Diplom-Archivar kam nach seiner Ausbildung 1982 ins Mülheimer Archiv.

Neben der normalen Archivarbeit gehören heute auch Führungen, Workshops und Vorträge zur Stadtgeschichte zum selbstverständlichen Angebot des Stadtarchivs. Dieser öffentlichkeitswirksame Bereich wird in Zukunft noch gestärkt werden, wenn das Stadtarchiv, voraussichtlich im Sommer 2011, von der Aktienstraße in die alte, 1907 eröffnete, Augenklinik an der Von-Graefe-Straße umziehen wird. Dort wird das Stadtarchiv mehr Magazin-, Vortrags- und Seminarräume nutzen und darüber hinaus auch einige Computerarbeitsplätze für Archivnutzer anbieten können.

Welch ein Unterschied zu den Anfängen des Mülheimer Stadtarchivs, die sich Anfang der 70er Jahre im zweiten Obergeschoss der damaligen Stadtbücherei am Rathausmarkt abspielten. Als der Historiker Kurt Ortmanns 1972 als erster Stadtarchivar seinen Dienst antrat, war sein Wirkungskreis eine bessere Heimatbücherei mit wenigen Regalmetern. Heute reihen sich die Bestände des Stadtarchivs auf rund sechs Regalkilometer, die nicht nur im Backsteingebäude an der Aktienstraße, sondern auch in einer Halle im Hafen lagern.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 02 08 / 4 55 42 60
Fax: 02 08 / 4 55 42 79
stadtarchiv@stadt-mh.de
www.stadtarchiv-mh.de

Quelle: Thomas Emons, NRZ, Lokalausgabe Mülheim an der Ruhr, 9.6.2010

Hauptausschuss beschloss Bergung für die restlichen Kölner Archivalien

Auf ungefähr zehn Prozent schätzt die Kölner Archivverwaltung den Anteil an Archivalien des eingestürzten Historischen Archivs der Stadt Köln, der bisher noch nicht geborgen wurde und vermutlich im Grundwasser vor der unterirdischen Schlitzwand zu finden sein wird.

Am 7. Juni 2010 nahm ein über 100 Tonnen schweres Bohrgerät die Arbeit auf, um unterirdische Wände für das so genannte "Bergungsbauwerk" zu errichten. 63 Pfähle, über 30 Meter tief, sollen in den nächsten Wochen nebeneinander gesetzt werden, um eine stabile Wand zu errichten. Zwei Pfähle, so die Kalkulation, sollen pro Arbeitstag gesetzt werden können. Anschließend sollen innerhalb des Ovals die letzten Archivalien aus dem mit Schutt vermischten Grundwasser herausgeholt und die letzten Trümmer in dem Bereich weggeschafft werden. Noch auf dem Gelände der Schuttstelle soll direkt eine Erstversorgung der geborenen Archivalien stattfinden. Für das Bergungsbauwerk, Bergung und die Erstversorgung im 24-Stunden Schichtbetrieb hat jetzt der Hauptausschuss des Rates 10,2 Millionen Euro bewilligt. Der Drei-Schicht-Betrieb wird aus Kapazitätsgründen auch mit externem Personal durchgeführt.

Sowohl der Kosten- als auch der Zeitplan mussten in den vergangenen Wochen an die inzwischen vorliegenden dezidierten Kalkulationen und verbesserten Statikplanungen zur größtmöglichen Sicherheit auf der Schuttstelle angepasst werden. Ziel ist unter anderem, ein Bauverfahren umzusetzen, das keine Wirkung auf die von der Staatsanwaltschaft zu untersuchenden unterirdischen Schlitzwände hat, so dass die Ursachenforschung zur Unglücksursache von dem Bau des Bergungsbauwerks völlig unbeeinflusst vorgenommen werden kann. Für die Planungs- und Bauleistungen im Bereich des Bergungsbauwerks sind jetzt 7,14 Millionen Euro kalkuliert, für das externe Helferpersonal rund 2,5 Millionen Euro. Inklusive der intensiven messtechnischen Überwachung während der Bergung, Entschädigungszahlungen an die Anwohnerinnen und Anwohner, Kosten für das Baustellenmanagement und Transporte summieren sich die Kosten für das Bergungsbauwerk auf insgesamt 10,2 Millionen Euro.

Das Bergungsbauwerk schafft gleichzeitig einen Teil der Voraussetzungen für das anschließende so genannte "Besichtigungsbauwerk", das in der Regie des vom Landgericht Köln bestellten Gutachters errichtet wird. Dieses Bauwerk soll Aufschlüsse über die eigentlichen Schadensursachen und damit den oder die Verantwortlichen für den Einsturz des Historischen Archivs im März 2009 ermöglichen.

Aktuelle Eindrücke von der Baustelle

Übersichtsplan Bergungsbauwerk [PDF, 3941 KB]

Aktuelle Situation am 7. Juni 2010 [PDF, 2734 KB]

Quelle: Stadt Köln, Pressemitteilung, 7.6.2010

Ausstellung »Bergfremd(e) – Ausländer im Ruhrbergbau«

Die "local-hero-Woche" für die Stadt Gelsenkirchen im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 begann am 6. Juni 2010 in den Arkaden des Wissenschaftsparks mit der Eröffnung einer kleinen Ausstellung mit dem Titel "Bergfremd(e) – Ausländer im Ruhrbergbau" durch Oberbürgermeister Frank Baranowski.

Die Ausstellung des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum (DBM) und des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen (ISG) ist Teil des Projektes FREMD(E) IM REVIER!?, an dem sich im ganzen Ruhrgebiet historische Einrichtungen mit Teil-Ausstellungen beteiligen. Als eine städteübergreifende Initiative, die das Thema Zuwanderung ins Ruhrgebiet aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt, ist das Projekt zur Migration eines "offiziell" anerkannten Geschichtsprojekte der Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010. Neben dem Oberbürgermeister wird Dr. Michael Farrenkopf für das Deutsche Bergbau-Museum auf die bereits bewährte Zusammenarbeit der Bochumer mit dem Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte eingehen, anschließend wird kurz in die Thematik der Ausstellung eingeführt.

Die Ausstellung zeigt, dass die Geschichte des Ruhrgebiets und seines wirtschaftlichen Leitsektors, des Steinkohlenbergbaus, im 19. und 20. Jahrhundert ohne die zahlreichen Zuwanderer kaum möglich gewesen wäre. Sie kamen als Unternehmer, Investoren und Techniker, vor allem aber als Arbeitskräfte und haben die Region entscheidend mitgeprägt. Die Zuwanderer waren oft in doppelter Hinsicht „Bergfremd(e)“, war ihnen doch nicht nur die neue Umgebung, sondern oft auch die Bergarbeit fremd. Die Ausstellung folgt den Spuren der Zuwanderer im Ruhrbergbau des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie greift die Bemühungen um die Anwerbung und Integration der Arbeitskräfte ebenso wie das oft schwierige und spannungsgeladene Verhältnis zwischen Neuankömmlingen und Eingesessenen auf und hinterfragt kritisch das Bild vom "Schmelztiegel Ruhrgebiet". Die Ausstellung "Bergfremd(e). Ausländer im Ruhrbergbau" ist bis zum 31. August 2010 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zu sehen.

Veranstalter:
Institut für Stadtgeschichte (ISG)/Stadtarchiv Gelsenkirchen und Deutsches Bergbau-Museum/Montanhistorisches Dokumentationszentrum, Bochum

Veranstaltungsort:
Arkaden im Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen

Öffnungszeiten:
Mo bis Fr 7-18 Uhr, Sa 8-16 Uhr
http://www.institut-fuer-stadtgeschichte.de/

Geheimschutz transparent? Verschlusssachen in staatlichen Archiven. Tagung im Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland

Über 70 Vertreter aus Verwaltung, Forschung und Archiven kamen am 1. Juni 2010 in der Abteilung Rheinland des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen zusammen, um über die Zugänglichkeit und den Quellenwert von Verschlusssachen zu diskutieren. Tausende solcher Unterlagen lagern noch in den Registraturen des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder, bei der Polizei und in den Justizbehörden. Die Modalitäten ihrer Abgabe an die staatlichen Archive sind in vielen Fällen rechtlich und organisatorisch unzureichend geklärt. Strenge normative Vorgaben und aufwändige Verfahren erschweren oftmals die Nutzung und Auswertung der Unterlagen in den Behörden wie in den Archiven.

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Foto: Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth und die Leiterin des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Mathilde Koller (Foto: Landesarchiv NRW)

Nach einer Begrüßung durch den Leiter der Abteilung Rheinland des Landesarchivs NRW, Frank M. Bischoff, widmete sich der erste Teil der Tagung dem Quellenwert von Verschlusssachen für die Zeitgeschichte. Der Journalist Wolfgang Buschfort (Bocholt) gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Anfänge des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen. Er zeigte auf, wie der Verfassungsschutz zusammen mit der britischen Besatzungsmacht, teilweise aber auch an der Besatzungsmacht vorbei und mit eigenen Vorstellungen der Landesregierung aufgebaut wurde; der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen habe als Muster und Vorbild für einen Verfassungsschutz auf Bundesebene und in den anderen Ländern gedient. Buschfort, der seine Ergebnisse auch in einer größeren Publikation veröffentlicht hat, konnte ausgiebig Quellen des Verfassungsschutzes selbst nutzen, in dessen Auftrag er seine Untersuchung erarbeitete; Hindernisse bei der Zugänglichkeit von Quellenmaterial gab es in diesem Fall kaum, nachträgliche Anonymisierung und Streichungen im fertigen Manuskript nur ganz selten.

Auch der zweite Referent, der Historiker Josef Foschepoth (Freiburg), stützte sich in seinem Vortrag über das Spannungsverhältnis von Staatsschutz und Grundrechten in der Adenauerzeit in starkem Maße auf eine Auswertung von Geheimakten. Foschepoth vertrat die These, dass in der Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Grundrechte und dem Schutz des Staates, letzterer in der Frühzeit der Bundesrepublik überwogen habe. Der Staat sei nicht von der Demokratie, sondern die Demokratie vom Staat her gedacht worden. Foschepoth belegte seine These anhand zahlreicher Beispiele für die Beobachtung und Verfolgung vor allem linksextremer Personen und Organisationen durch den Verfassungsschutz und die Justiz; die ergriffenen Maßnahmen hätten vielfach in einem Missverhältnis zum eigentlichen Gefährdungspotential der betroffenen Gruppen gestanden und vorrangig der Formierung und inneren Stabilisierung des westdeutschen Staates in der Epoche des Blockbildung und des Kalten Krieges gedient.

Die Situation rechtsextremistischer Gruppierungen in dieser Phase bundesrepublikanischer Geschichte thematisierte Uwe Schimnick (Osnabrück) am Beispiel der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V. (HIAG). Für die interne Organisation und die personelle Situation dieses 1951 gegründeten Verbandes, nicht zuletzt auch für die Frage nach der Herausbildung und Pflege rechtsextremer Netzwerke, bildeten die Akten des Verfassungsschutzes mit ihren Beobachtungsberichten Schimnick zufolge eine wichtige, wenn auch nicht die einzige Quelle. Die Chancen und den Erkenntnisgewinn einer differenzierenden Betrachtung extremistischer Organisationen und Randgruppen durch Einbeziehung und Auswertung der Akten des Verfassungsschutzes illustrierte schließlich auch Jens Niederhut (Landesarchiv NRW, Düsseldorf) in seinem Referat über die Ferienaktion der DDR „Frohe Ferien für alle Kinder“. Bis 1961 nutzten jährlich mehrere Tausend westdeutsche Kinder die Möglichkeit, zu Ferienaufenthalten in der DDR (Höhepunkt der Aktion 1955 mit 55.000 Teilnehmern). Organisiert wurde die Aktion von einer Arbeitsgemeinschaft, die politisch der KPD nahe stand und mit ihr kooperierte. Auch wenn damit aus Sicht der Organisatoren die Ferienaktion vor allem dem propagandistisch-ideologischen Ziel einer Mobilisierung und eines Ausbaus des kommunistischen Milieus in der Bundesrepublik diente, greift die einfache Deutung der Arbeitsgemeinschaft als kommunistische Tarnorganisation zu kurz. Bei weitem nicht alle Mitwirkenden waren Mitglieder der KPD; in vielen Fällen waren – wie gerade auch die genaue Lektüre der Akten des Verfassungsschutzes deutlich macht – starke karitative Impulse ausschlaggebend für eine Beteiligung an der Ferienaktion, die sich ihrerseits beschleunigend auf den Auf- und Ausbau des Ferienhilfswerks in Nordrhein-Westfalen auswirkte.

Im zweiten Teil der Tagung stand die Frage nach der Zugänglichkeit von Verschlusssachen für die Forschung im Mittelpunkt. Der Journalist Georg Bönisch (Düsseldorf) und der Historiker Foschepoth diskutierten auf dem Podium mit dem Archivar Michael Hollmann vom Bundesarchiv (Koblenz) und der Leiterin des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen Mathilde Koller; die Moderation der Diskussion übernahm Uwe Zuber vom Landesarchiv NRW. Koller erläuterte im Rahmen der Diskussion das Modell der Zugänglichkeit von Akten des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen; das Verfahren sieht fallbezogen jeweils eine Sicherheitsüberprüfung des Antragstellers und eine genaue Prüfung der beantragten Unterlagen durch den Verfassungsschutz vor. Da auf diese Weise zumindest ein Großteil der VS-Unterlagen für die Forschung zugänglich gemacht werden kann, unterstützte und empfahl auch Zuber die nordrhein-westfälische Lösung als ein sinnvolles und zugleich pragmatisches Verfahren, um bei Anerkennung und Berücksichtigung berechtigter Sicherheitsinteressen des Landes trotzdem eine Zugänglichkeit zu den Unterlagen für die Forschung zu gewährleisten; vor allem jenen Bundesländern, die bislang keine Regelungen über die Zugänglichkeit von VS-Unterlagen besäßen, könne das Verfahren aus Nordrhein-Westfalen durchaus empfohlen werden. Forschepoth und vor allem Bönisch forderten dennoch langfristig eine liberalere Regelung für die Benutzung von VS-Schriftgut. Zu diesem Zweck sei es wünschenswert, wenn VS-Unterlagen generell vor der Übergabe an das Archiv herabgestuft werden könnten bzw. – wie von Bönisch gefordert – die VS-Einstufung automatisch nach einer Frist von 30 Jahren erlöschen würde. Koller, die Verständnis für eine solche Forderung zeigte, machte deutlich, welche praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten einer liberaleren Regelung entgegenstehen. Zum einen seien die Sicherheitsinteressen (z. B. der Schutz der Informanten) zu gravierend, als dass eine pauschale Freigabe nach einem Fristenmodell zu verantworten sei; zum anderen seien die personellen Ressourcen der Behörden nicht ausreichend, um in großem Umfang Unterlagen vor Abgabe ins Archiv zu prüfen und zu deklassifizieren; auch enthielten die Akten umfangreiches Material „befreundeter Dienste“ und militärischer Stellen des Auslandes, die nach den bisherigen Erfahrungen kaum bereit und in der Lage seien, in eine Herabstufung von Unterlagen einzutreten. In der Bilanz blieb es deshalb bei unterschiedlichen Positionen auf Seiten der Behörden und der Forschung. Trotz dieser Unterschiede zeugte jedoch die Diskussion von einem ausgeprägten gegenseitigen Verständnis und einer großen Bereitschaft zur Suche nach pragmatischen Lösungen im Einzelfall. Auf dieser Basis können weitere Gespräche aufbauen.

In seinem Schlusswort würdigte der Präsident des Landesarchivs NRW, Wilfried Reininghaus, die Tagung als eine archivische „Sternstunde“ und dankte allen Mitwirkenden und Zuhörern. Das wichtige Thema der Verschlusssachen sei zum ersten Mal ausführlicher innerhalb der Fachgemeinschaft der Archivarinnen und Archivare diskutiert worden; die Teilnahme zahlreicher Vertreter anderer Landesarchivverwaltung zeige, welcher Diskussionsbedarf auf diesem Feld bestehe.

Kontakt:
Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland
Mauerstr. 55
40476 Düsseldorf
Telefon: 0211-22065-0
Telefax: 0211-22065-55-501
rheinland@lav.nrw.de

Quelle: LAV NRW/Meinolf Woste, 2.6.2010

Erfolgreicher Vorarlberger Archivtag in St. Gerold

"Digitale Projekte in Archiven" wurden kürzlich beim 20. Vorarlberger Archivtag vorgestellt. Die Propstei St. Gerold im Großen Walsertal bot einen besonders attraktiven Rahmen für diese traditionelle Informations- und Bildungstagung, die vom Vorarlberger Landesarchiv organisiert. wurde. Landesarchivar Alois Niederstätter und Tagungsleiter Manfred Tschaikner konnten 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Vorarlberg, der Schweiz und Deutschland begrüßen.

Andreas Kränzle aus Zürich stellte die auf acht Jahre angelegte Reorganisation des bedeutenden Klosterarchivs der Benediktinerabtei Einsiedeln vor, zu dem auch die Propstei St. Gerold gehört. Teile wichtiger Archivbestände sind als E-Archiv im Internet abrufbar (www.klosterarchiv.ch). Zudem führte Kränzle in das von ihm mitentwickelte Internetprogramm "Ad fontes" ein, das nicht nur Studierenden eine Informations- und Trainingsmöglichkeit für die Benützung von Archiven und Archivquellen ermöglicht (www.adfontes.uzh.ch).

Katrin Rigort aus Frauenfeld bereitet im Auftrag des Vorarlberger Landesarchivs die Edition des "Bludenzer Urbars" von 1618 vor, eines Güterverzeichnisses der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg. Sie stellte die Vorzüge und Besonderheiten der Auszeichnungssprache XML vor, die zur Darstellung hierarchisch strukturierter Daten in Form von Textdaten eingesetzt werden kann. Zum Abschluss des informativen Nachmittags führte Propst Pater Kolumban durch die Propstei St. Gerold.

Quelle: OTS, Pressemitteilung, 1.6.2010

Wien vergibt Preis für Stadtgeschichtsforschung

Anlässlich der Pensionierung des langjährigen Wiener Archivdirektors Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Opll hat die Stadt Wien einen Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Stadtgeschichtsforschung eingerichtet. "Für die Identität einer Stadt ist die Erforschung und Dokumentation ihrer Geschichte unverzichtbar. Mit diesem Preis soll die Stadtgeschichtsforschung in Wien, die auf das engste mit dem Namen Ferdinand Opll verbunden ist, einen zusätzlichen Impuls erhalten," erklärte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bei der offiziellen Verabschiedung des Archivdirektors, die am 31. Mai 2010 in Anwesenheit von Bürgermeister Michael Häupl im Stadt- und Landesarchiv Wien im Gasometer stattfand. Der Preis wird von der Stadt Wien im Wege des Österreichischen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung gestiftet und jährlich durch eine Jury vergeben.

Der Kulturstadtrat würdigte den scheidenden Archivdirektor ob seiner großen Verdienste um das Wiener Stadt- und Landesarchiv, insbesondere hinsichtlich des Archivsgesetzes 2000 sowie der erfolgreichen Übersiedlung in den Gasometer. "Ich danke Ferdinand Opll nicht nur für die jahrzehntelange umsichtige Führung des Archivs und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für seinen hohen persönlichen Einsatz für die Stadt Wien insgesamt", betonte Mailath abschließend.

Quelle: Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, Pressemitteilung, 1.6.2010

Mülheimer Postkartensammlung fürs Archiv

Das Schönste aus Mülheim zeigen die Postkarten von Heinz Hohensee. Wichtiger noch ist aber der dokumentarische Wert der Sammlung von mehr als 100 Jahren. Daher hat sich das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr gefreut, als es diese angeboten bekam, sagt Archivleiter Dr. Kai Rawe. Er bescheinigt der Sammlung eine hohe Qualität. Rund 80 Prozent der 2.200 Exemplare sollen die bereits archivierten 3.200 Postkarten über Mülheim ergänzen.

Modern wurde das kurze „Hallo“ auf Papier Ende des 19. Jahrhunderts, so Rawe. Gerade diese Stücke hatten bald Sammlerwert. Selbst wenn manches Motiv wohl eher der Fiktion als der Realität entsprang, wie Hohensee verrät: Auf einer Karte etwa ließ man ein Leuchtfeuer auf dem noch unfertigen Rathausturm glimmen, „der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt“, merkt der Sammler mit Augenzwinkern an.

Eine Fotokarten-Serie von 1915-18 gibt Einblicke in die frisch eingerichteten Rathauszimmer: Bücherei, Erfrischungsraum, Eingangshalle – für das Stadtarchiv ein dokumentarischer Augenschmaus. Andere Karten aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zeigten hingegen Lazarette oder Kriegsgefangenenlager. „Man hatte das Gefühl, die Zeitgeschichte festhalten zu müssen“, so Rawe. Und wollte dokumentieren, dass man sich um die Verletzten kümmert – Propaganda. Und auch Karten der Friedrich-Wilhelms-Hütte wollten nicht nur „schön“ sein, sondern sagen: „Hier passiert der Fortschritt.“

Die wenigsten Exemplare seiner Postkartensammlung sind Heinz Hohensee persönlich geschickt worden. Er ergatterte sie auf Börsen und in Antiquariaten, „Hauptsache Mülheim“, sagt er, denn die Stadt hat es ihm angetan.

Quelle: Dennis Vollmer, WAZ, 29.5.2010