Neues NRW-Archivgesetz angenommen

Nach der 2. Lesung wurde das neue Gesetz zur Sicherung und Nutzung öffentlichen Archivguts im Lande Nordrhein-Westfalen (Archivgesetz Nordrhein-Westfalen – ArchivG NRW) am 9. März 2010 in der vom Kulturausschuss beschlossenen Fassung mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Grünen angenommen.

Das neue Archivgesetz soll das noch geltende Archivgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen von 1989, das mit Ablauf des 30. April 2010 außer Kraft tritt, ablösen. Durch das Gesetz wird ein rechtlicher Rahmen für die Archivierung von Unterlagen des Landes Nordrhein-Westfalen, der Träger der kommunalen Selbstverwaltung, deren Verbänden sowie kommunalen Stiftungen und anderer der Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschaffen.

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es u.a.: Zweck eines Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen ist es, das öffentliche Archivgut auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten und bei grundsätzlicher Wahrung der bisherigen Zuständigkeiten und Aufsichtsfunktionen die Arbeit der öffentlichen Archive durch ein Mindestmaß an gesetzlichen Regelungen abzusichern.

Links:

Quelle: Landtag NRW, 15.3.2010

Wiener Stadt- und Landesarchiv präsentierte online-Angebot

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv hat am 11. März 2010 eine Leistungsschau über sein umfassendes Angebot im Internet dargeboten. Anhand von konkreten Beispielen wurde demonstriert, wie die Datenbanken des Archivs für jede/n einzelne/n in seinem/ihrem Arbeits- und Lebensumfeld nutzbringend eingesetzt werden können.

Die drei großen online-Datenbanken des Archivs wurden in kurzen Inputs vorgestellt: Den Auftakt bildete das Wiener Archivinformationssystem WAIS (www.wais.wien.at). Über dieses System kann das Wirken der Wiener Verwaltung vom Mittelalter bis heute in Form einer Übersicht zu den Archivbeständen online nachvollzogen werden. In der Landtags- und Gemeinderatsdokumentation INFODAT (www.infodat.wien.at) wird die Arbeit der Wiener Politikerinnen und Politiker für alle sichtbar. Im virtuellen Urkundenarchiv "Monasterium" (www.monasterium.net) schließlich sind rund 10.000 Wiener Urkunden elektronisch abrufbar.

Als Höhepunkt des Abends führte der Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Univ.-Prof. Dr. Thomas Winkelbauer, den Upload des Urkundenbestandes des Archivs ins Internet durch. Jede Wiener Urkunde ist nun mit einem Bild und einer Kurzbeschreibung im Web zu finden. Schließlich wurde noch die erste Nachtführung durch das Wiener Stadt- und Landesarchiv angeboten, die auf sehr großes Publikumsinteresse stieß.

Kontakt:
Wiener Stadt- und Landesarchiv
Guglgasse 14 (5. Stock, Top 508, Eingang: Gasometer D)
1110 Wien
Telefon +43 1 4000 84808
Fax +43 1 4000 84809
post@ma08.wien.gv.at
www.archiv.wien.at

Quelle: Stadt Wien, Pressemitteilung, 12.3.2010

Stadtarchiv Rösrath zieht in Schule

Die älteste Akte des Stadtarchivs Rösrath stammt aus dem Jahr 1814. Darin unterrichtet der Kreis Mülheim die Bürgermeisterei Rösrath über die Aufteilung der Rittergüter Venauen und Uhlenbroch. Kenneth Lomax, Archivar der Stadt Rösrath, hat diese und viele weitere archivwürdige Unterlagen bereits säuberlich in Kartons einsortiert und im Keller der Rösrather Realschule eingelagert. 500 laufende Meter Regale wurden dort seit Herbst 2009 installiert, um das Archivgut aufzunehmen.

Der Rösrather Bürgermeister Marcus Mombauer berichtet im Gespräch mit dem Bergischen Handelsblatt, dass das alte Archiv im Rathaus Hoffnungsthal Ende der 1990er Jahre wegen Raumbedarfs aufgelöst worden war und die Akten und Urkunden dezentral in Kellern ausgelagert worden sind. Im Schulzentrum fand sich nunmehr mit einem ehemals als Schutzbunker geplanten Keller mit gleichbleibendem Raumklima von 18 Grad eine geeignete Lösung für das Stadtarchiv.

Die Unterlagen seit 1945 müssen noch weitgehend archiviert werden. Angelika Neugebauer von der Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Rheinland unterstützt das Projekt langfristig. Robert Wagner vom Geschichtsverein Rösrath hofft auf intensive Zusammenarbeit, zumal der Verein über Fotos und Schriften aus Nachlässen verfügt, die dem Archiv zugeführt werden könnten.

Kontakt:
Gemeindearchiv Rösrath
Postfach 1120
51492 Rösrath
Telefon: 02205-802-116
Telefax: 02205-802-131
infostadt@roesrath.de

Quelle: Bergisches Handelsblatt

Grundschulbesuch im Stadtarchiv Geseke

Was ist ein Archiv? Welches ist das älteste Archivstück? Was lagert hier alles? – Viele Fragen hatten die Kinder der Klasse 3b der Dr.-Adenauer-Schule in Geseke, die mit ihrer Lehrerin Frau Sültrop im Rahmen des Sachkundeunterrichtes die Geseker Stadtarchivarin Evelyn Richter an ihrem Arbeitsplatz in der obersten Etage der Dr.-Adenauer-Grundschule besuchten.

Die städtische Archivarin erklärte den Kindern geduldig die Aufgaben des Stadtarchivs Geseke, zeigte ihnen Bilder, Kopien des ältesten Schriftstückes von 1383, Bücher, Protokolle, Postkarten, Pläne und gab ihnen Informationsmaterial für ihren Unterricht mit.

Bei einem Rundgang durch das Stadtarchiv erfuhren die Mädchen und Jungen u.a. etwas darüber, wie wichtig die Raumtemperatur für die richtige Lagerung der Archivalien ist. Wie sich 400 Jahre altes Pergament anfühlt, konnten die Klasse 3b dann selbst an zwei Teilen eines alten Einbandes erfühlen, das von Restaurierungsarbeiten des Westfälischen Archivamtes in Münster stammt.

Kontakt:
Stadtverwaltung Geseke
– Stadtarchiv –
Postfach 14 42
59585 Geseke
Telefon: 02942/78137
Fax: 02942/987699
stadtarchiv@geseke.de

Quelle: Stadt Geseke, Pressemeldung, 8.3.2010

Katholische Kirchenarchive jetzt online

Seit dem 12. März 2010 sind unter der Internetadresse www.kirchliche-archive.de Informationen über rund einhundert katholische Kirchenarchive in Deutschland auch online verfügbar. Das Internetportal ist eine gemeinsame Aktion der Deutschen Bischofskonferenz, der Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland und des Erzbistums Köln. Die redaktionelle Betreuung liegt beim Historischen Archiv des Erzbistums Köln.

„Das neue Portal ist eine wichtige Sache für die Archive der katholischen Kirche“, sagt Stefan Nicolay, Stellvertretender Leiter des Bistumsarchivs Trier. Rund 100 Kirchenarchive, darunter 54 Ordensarchive und in Kürze auch rund 20 Archive von überdiözesanen Einrichtungen, Vereinen und Verbänden sind in dem Portal vertreten. „Es bietet dem Nutzer, der auf der Suche nach bestimmten Informationen ist, die Möglichkeit einen Einstieg zu finden, welche Bestände es in den verschieden Archiven der katholischen Kirche geben kann“, erklärt Nicolay gegenüber dem Trierer Volksfreund.

Insgesamt bewahren alle am Internetportal beteiligten Archive 140 Kilometer an historischen Dokumenten vom Mittelalter bis in die Gegenwart auf. Sie sichern authentische Quellen von mehr als 1.000 Jahren Geschichte der Kirche und der Bevölkerung. Die Dokumente dienen unter anderem der wissenschaftlichen Forschung zur Orts-, Regional-, Sozial-, Kunst- und Frömmigkeitsgeschichte sowie der privaten Forschung.

Link: www.kirchliche-archive.de

Kontakt:
Redaktion Kirchliche-Archive.de
Historisches Archiv des Erzbistums Köln
Stefan Plettendorff M.A.
Gereonstr. 2-4
50670 Köln
stefan.plettendorff( at )erzbistum-koeln.de

Quelle: Volksfreund, 12.3.2010

Neuer Internetauftritts des Bundesarchivs

Ende Februar 2010 hat das Bundesarchiv nach zweijähriger Arbeit seinen überarbeiteten Internetauftritt www.bundesarchiv.de freigeschaltet. Besonderes Augenmerk wurde dabei der neuen Informationsstruktur gewidmet. Ziel waren einfache und benutzerorientierte Informationszugänge mit maximal drei Hierarchieebenen, deren Rubrikenbezeichnungen eindeutig und sprechend sind.

Dabei sind Rückmeldungen und Kritiken von Benutzern und Mitarbeitern sowie Ergebnisse aus dem Benchmark mit nationalen und internationalen Archiven bei der Überarbeitung eingeflossen.

Der Dienstleistungsgedanke für Benutzer stand bei den konzeptionellen Überlegungen an erster Stelle. So bietet die Rubrik „Recherche im Archivgut“ eine Übersicht aller vom Bundesarchiv angebotenen Projekte-Seiten und Suchmaschinen. Die Rubrik „Benutzung“, wesentlicher Bestandteil der Neukonzeption, liefert dem Benutzer nicht nur wichtige Hinweise zur Recherchearbeit im Archiv, sondern gibt ihm einen nach zeitlichen und sachlichen Aspekten gegliederten Überblick zu den Beständen des Bundesarchivs und deren Nutzungsvoraussetzungen. Informationen zu Schriftgutverwaltung und zur Übernahme von Nachlässen, Filmen oder Unterlagen von Verbänden ins Archiv bietet die ebenfalls neu entwickelte Rubrik „Beratung“. Für das Fachpublikum wurde die Rubrik „Fachinformationen“ eingerichtet, worin Informationen zur Arbeit des Bundesarchivs in allen Bereichen (u.a. Erschließung von Archivgut, Archivbau, Film, Informationstechnologie oder Öffentlichkeitsarbeit) zu finden sind.

Neben allgemeinen Informationen zum Bundesarchiv in der Rubrik „Über uns“ kommt auch die „Öffentlichkeitsarbeit“ nicht zu kurz. Dort finden sich nicht nur Pressemitteilungen und -informationen sowie aktuelle Meldungen, sondern auch Galerien mit historischen Bildern und Dokumenten, Angebote der historischen Bildungsarbeit und alle Veröffentlichungen des Bundesarchivs.

Der neue zentrale Internetauftritt des Bundesarchivs soll mit der Überarbeitung seinem Anspruch, ein Dienstleistungsportal für Forschung, Öffentlichkeit und Verwaltung zu sein, mehr denn je gerecht werden. Neben den reinen Informationen zur Archivbenutzung liefert er ein farbiges Bild zur Geschichte des Deutschen Reichs, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland.

Kontakt:
Bundesarchiv
Potsdamer Straße 1
56075 Koblenz
Telefon: 0261/505-0
Fax: 0261/505-226
koblenz@bundesarchiv.de
www.bundesarchiv.de

Quelle: Bundesarchiv, Pressemitteilung.

Geheime Überwachungsprotokolle von SPD-Parteitagen im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt 1896-1904

Den Anstoß zu der Publikation "Stenographen hinterm Vorhang" gab ein archivalischer Zufallsfund durch den früheren Direktor des Thüringischen Staatsarchivs Rudolstadt, Dr. Peter Langhof, und den Archivbenutzer Jochen Lengemann: In den Akten des Staatsarchivs Rudolstadt stießen sie auf eine geheime Mitschrift des im Jahre 1896 im sachsen-meiningischen Saalfeld abgehaltenen Parteitags der Sozialdemokraten des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Nachfolgende Recherchen führten zu den behördlichen Mitschriften der SPD-Landesparteitage von 1899, 1903 und 1904, die auf dem Gebiet des Fürstentums selbst – in Rudolstadt, Unterweißbach und Meuselbach – abgehalten wurden. Ihre Edition steht im Mittelpunkt des kürzlich erschienenen Bandes.

Die Protokolle gehen auf die aufmerksame Überwachung der Sozialdemokratischen Partei durch die Fürstliche Regierung in Rudolstadt und ihre Unterbehörden zurück. Auch nach dem Fall des Sozialistengesetzes im Jahre 1890 wollte man über die Aktivitäten der Sozialdemokratie in dem kleinen thüringischen Fürstentum stets unterrichtet sein, um gegebenenfalls Verstöße gegen das restriktive Vereins- und Versammlungsrecht ahnden zu können. Die Entstehungsbedingungen dieser Dokumente werfen dabei ein bezeichnendes Licht auf die damaligen politischen Verhältnisse im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, wo einer organisatorischen Entfaltung der Sozialdemokratie höhere Hürden als in den meisten anderen thüringischen Kleinstaaten im Weg standen. Erst 1908 konnte in Folge des Reichsvereinsgesetzes der „Sozialdemokratische Verein für Schwarzburg-Rudolstadt“ gegründet werden und die SPD des Fürstentums damit aus einer rechtlichen Grauzone heraustreten, die der Zahl ihrer Wähler schon lange nicht mehr entsprochen hatte.

Die kritische Edition der vier Überwachungsprotokolle wird ergänzt durch eine ausführliche Übersicht über die Landesparteitage der Sozialdemokratie des Fürstentums/Freistaats Schwarzburg-Rudolstadt zwischen 1889 und 1919 sowie Kurzbiographien der in den Parteitagsmitschriften erwähnten Personen.

Info:
Stenographen hinterm Vorhang. Geheime Überwachungsprotokolle von Parteitagen der Sozialdemokratie im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt 1896-1904. Herausgegeben und bearbeitet von Dieter Marek und Jochen Lengemann. Jena 2009: Verlag Vopelius (Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Schwarzburg, Gleichen und Hohenlohe in Thüringen 7, zugleich Veröffentlichung des Thüringischen Staatsarchivs Rudolstadt). – Broschur, 176 Seiten, 42 Abb. – ISSN 1611-9215; ISBN 978-3-939718-42-0. – Preis: 16,80 €.

Kontakt:
Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt
Schloß Heidecksburg
07407 Rudolstadt
Telefon: +49 (0) 36 72/43 19-0
Telefax: +49 (0) 36 72/43 19 31
rudolstadt@staatsarchive.thueringen.de

Quelle: Staatsarchiv Rudolstadt, Pressemitteilung, 16.2.2010

Bund tritt Stiftung »StadtGedächtnis« fürs Stadtarchiv Köln bei

Kulturstaatsminister Bernd Neumann teilte am 5. März 2010 in Berlin mit, dass sich der Bund an der "Stiftung StadtGedächtnis" der Stadt Köln beteiligt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages stellt dafür eine Million Euro aus dem Kulturhaushalt des Bundes zur Verfügung. Das Land NRW hatte bereits am 2. März 2010 seine Stiftungsbeteiligung bekannt gegeben. Die Initiative zur Gründung war von der Stadt Köln ausgegangen. Sie hat damit ihr Ziel erreicht, zum ersten Jahrestag des Kölner Archiveinsturzes die Stiftung ins Leben zu rufen.

Die Bevollmächtigten der Stiftungsgründer, neben Stadt Köln, Land und Bund die Evangelische Kirche, das Erzbistum Köln und der Landschaftsverband Rheinland, schließen die Gründung derzeit formal ab. Die dazu erforderlichen Schritte haben das Kölner Kulturdezernat und eine Projektkoordinatorin bereits getan. Die Stiftungssatzung liegt dem Landesinnenministerium zur Genehmigung vor. Auch Marketing- und Fundraising-Konzepte liegen vor. Jetzt steht nur noch die Wahl einer Geschäftsführerin oder eines Geschäftsführers für die Stiftung aus.

Die Stiftung Stadtgedächtnis soll in den nächsten 50 Jahren 350 bis 500 Millionen Euro einwerben, um damit die beim Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln beschädigten Archivalien zu restaurieren, digitalisieren, erforschen und in ihrem Bestand zusammenzuführen. Zur Realisierung dieser Ziele bittet die Stadt Köln um Überweisung von Spenden an die Stiftung StadtGedächtnis bei der Sparkasse KölnBonn, Kontonummer 22 22 21 11, BLZ 370 501 98. Wer eine größere Summe spenden möchte, kann sich unter 0221 / 221-29072 mit der Kulturverwaltung in Verbindung setzen. Die Stiftung verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke.

Bis zur Gründung und Genehmigung durch das Innenministerium steht Michael Lohaus im Kulturdezernat unter 0221 / 221-23419 als Ansprechpartner zur Verfügung.

Quelle: Stadt Köln, Pressemitteilung, 5.3.2010

Gedächtnisort: Das Historische Archiv der Stadt Köln

Ein Jahr nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln ist im Böhlau Verlag ein Buch erschienen, in dem zahlreiche Historiker und Archivare an die Katastrophe erinnern, über Bergung, Restaurierung und Digitalisierung der Dokumente diskutieren und Chancen und Perspektiven aufzeigen, die sich für die Forschung ergeben (haben). Herausgeber des Buches sind die Direktorin des Historischen Archivs, Dr. Bettina Schmidt-Czaia, und der Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv sowie Geschäftsführer der IHK zu Köln, Dr. Ulrich S. Soénius.

\"Gedächtnisort:

„Noch nie war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa Kulturgut in einer solchen Quantität und von einer solchen Qualität von der Vernichtung bedroht. Heute, fast genau zwölf Monate nach dem Unglück, sind ca. 85 Prozent der verschütteten Archivalien geborgen. Eine enorme Leistung! Sie harren aber der weiteren Bearbeitung, vor allem der Konservierung und Restaurierung“, so Bettina Schmidt-Czaia bei der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches. Die Archivdirektorin plädiert auch für einen raschen Neubau des Archivs.

Ulrich S. Soénius ergänzt: „Auch wenn der Archiveinsturz die Öffentlichkeit in einer Weise für die Anliegen der Archive interessiert hat, wie es vorher nie vorgekommen war, so ist es absolut unverzichtbar, dass die Bewältigung der Folgen die gleiche Aufmerksamkeit und vor allem die notwendige finanzielle Unterstützung erfährt, die dringend geboten ist, um weitere Schäden vom Archivgut abwenden zu können. Ein Weg dazu ist die Erinnerung an die schreckliche Katastrophe von Köln. Daher dient das vorliegende Buch nicht nur der Rekonstruktion der Ereignisse, sondern auch der Richtungsweisung für die Archivpolitik der Zukunft.“

Am 1. März 2010 wurde das Buch im Kölner Domforum dem Publikum vorgestellt. Prof. Georg Quander, Kölner Kulturdezernent, führte in die Veranstaltung ein. Im Anschluss haben die beiden Herausgeber im Gespräch mit dem Historiker Prof. Dr. Jost Dülffer – auch er ist mit einem Beitrag im Buch vertreten – die Folgen des Einsturzes aufgezeigt und die Stärke und Bedeutung des Archivs als Gedächtnisort der Stadt beleuchtet.

Für jedes verkaufte Exemplar des Buches leitet der Böhlau Verlag 2,– € an das Historische Archiv der Stadt Köln weiter.

Info:
Bettina Schmidt-Czaia / Ulrich S. Soénius (Hg.)
Gedächtnisort
Das Historische Archiv der Stadt Köln
2010. 197 Seiten. Zahlreiche Abbildungen. Gebunden. € 19,90
ISBN 978-3-412-20490-7

Quelle: Böhlau Verlag, Pressemitteilung, 26.2.2010

Hüter der Mülheimer Geschichte

Die Neue Ruhr Zeitung (NRZ) bittet regelmäßig interessante Zeitgenossen regelmäßig zum Gespräch. Die Themen dieser Interviews wechseln, zum Tag der Archive führte Sebastian Sasse unter dem Titel "Der Hüter des Erbes" ein Gespräch mit dem Leiter des Stadtarchivs Mülheim an der Ruhr, Dr. Kai Rawe.

„Jede Gegenwart ist gewordene Gegenwart“, sagt Kai Rawe. Mit dieser Frage wird der 39-jährige promovierte Historiker jeden Tag konfrontiert. Er verwaltet das „Gedächtnis der Stadt“. Obwohl „verwalten“ – das klingt ihm vermutlich zu sehr nach Amtsstube, nach staubigen Akten, nach Ärmelschoner. „Natürlich haben wir auch die Aufgabe, Verwaltungsakten aufzubewahren. Wir sind aber mehr als eine Registratur“, betont er. „Mir ist wichtig, dass unsere Türen für den Bürger offen stehen. Wir sind eine kulturelle Einrichtung in dieser Stadt, ein offenes Haus. Genauso wie das Theater oder der Ringlokschuppen.“

Ein Blick in den Besucherraum zeigt, dass dieser Anspruch auch eingelöst wird. Die Tische sind besetzt. Ein älterer Herr sitzt über einem Zeitungsband. Ein anderer blättert in einem Karteikasten und macht sich eifrig Notizen. „Ich freue mich über den Schüler, der für seine Facharbeit recherchiert genauso, wie über den Professor“, erklärt Rawe. „Besonders beliebt sind wir bei den Familienforschern. Viele finden erst in der Rente zu diesem Hobby. Dann betreiben sie es aber auch intensiv.“

Rawe kann diese Leidenschaft verstehen. Wo kommen wir her? Wer diese Frage stellt, fragt meistens gleichzeitig auch: Wo gehen wir hin? Sehr menschliche Fragen. Ob alte Urkunden, Akten oder ein Programmheft von der 100-Jahrfeier der Stadt – alle dieses Dokumente sind Zeugnisse menschlichen Lebens. Und damit so einmalig, wie eben auch jeder Mensch. Rawe: „Wenn unsere Quellen weg sind, dann sind sie weg. Man kann keine neuen Quellen kaufen. Das ist ja auch das Tragische an dem Unglück in Köln vor einem Jahr. Vieles ist unwiederbringlich verloren.“

Der Archivar ist sich der Bedeutung des Schatzes bewusst, den er hütet. „Ich habe deswegen auch kein besonderes Lieblingsstück. Natürlich sind wir stolz, dass wir relativ viele mittelalterliche Urkunden im Besitz haben. Ich finde aber auch eine Postkarte aus dem 19. Jahrhundert faszinierend. Es ist einfach der Reiz des Authentischen. Man steigt in vergangene Lebenswelten ein.“

Geschichte ist spannend, Geschichte ist unterhaltsam. Eine Erfahrung, die nicht jeder im Schulunterricht macht. Deswegen lädt das Archiv gerne Klassen ein, damit sie so vor Ort mit den Überresten aus der Vergangenheit ihrer Stadt konfrontiert werden. Sie können lesen, aber auch riechen, anfassen, fühlen – Geschichte wird sinnlich erfahrbar. Und damit auch lehrreich. „Das ist viel konkreter, als eine abgedruckte Quelle im Schulbuch. Die Beziehung ist gleich da. Die Schüler merken zum Beispiel: Da wird über Ereignisse in einer Straße berichtet, die es heute noch gibt. Das hat tatsächlich in unserer Stadt stattgefunden.“ Ein nachhaltiger Lerneffekt, ist Rawe sich sicher.

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 02 08 / 4 55 42 60
Fax: 02 08 / 4 55 42 79
stadtarchiv@stadt-mh.de
www.stadtarchiv-mh.de

Quelle: Sebastian Sasse, NRZ, 6.3.2010