Neues rheinland-pfälzisches Archivgesetz soll historische Forschung erleichtern

Akten, Daten und Materialien, die von öffentlichen Stellen stammen und in den rheinland-pfälzischen Landesarchiven gesammelt werden, sollen künftig für die wissenschaftliche Forschung, für Dokumentationszwecke und für Projekte, die der Schaffung einer wissenschaftlichen Infrastruktur – insbesondere Datenbanken – dienen, schneller und einfacher zur Verfügung stehen. Daneben werden mit der Neufassung des rheinland-pfälzischen Landesarchivgesetzes eine Straffung der Landesarchivverwaltung ermöglicht sowie die Neuordnung der Zuständigkeiten im Rahmen der Archivverwaltung und eine Konzentration des Archivguts auf wesentliche Materialien erleichtert.

„Mit der heute [19.1.2010] vom Ministerrat gebilligten Änderung des Landesarchivgesetzes werden die Sperrfristen für Akten und Vorgänge, die von Behörden und Verwaltungen bearbeitet wurden, auf ein zeitgemäßes Niveau gebracht. Selbstverständlich werden dabei die schutzwürdigen Belange betroffener Personen auch weiterhin berücksichtigt“, unterstrich Wissenschafts- und Kulturministerin Doris Ahnen. „Die Archivverwaltungen erhalten zudem mehr Entscheidungsspielraum, wenn es darum geht, Sperrfristen – beispielsweise für Akten aus der Zeit des Nationalsozialismus – auf Antrag zu verkürzen und die darin enthaltenen Informationen für die Forschung oder Dokumentation zugänglich zu machen“, ergänzte sie und verwies darauf, dass Ministerpräsident Kurt Beck diesen Schritt 2009 angekündigt hatte.

Das Landeshauptarchiv in Koblenz und das Landesarchiv in Speyer erfassen, lagern, sichern und ordnen in den Verwaltungen des Landes erstellte Akten und Verwaltungsentscheidungen, die von bleibendem Wert sind, und werten die darin enthaltenen Informationen aus. Das Landeshauptarchiv in Koblenz ist dabei zuständig für Vorgänge aus den Ressorts der Landesregierung und aus oberen Landesbehörden wie der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion oder der Landesämter. In Koblenz werden zudem bisher Unterlagen aus allen Mittel- und Unterbehörden des Landes und des Bundes, aus kommunalen und sonstigen Dienststellen ohne eigenes Archiv in den ehemaligen Regierungsbezirken Trier und Koblenz archiviert, das Landesarchiv Speyer erfüllt diese Aufgabe für die Behörden im früheren Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz. Mit der jetzigen Gesetzesnovelle wird die bisherige Unterordnung des Speyerer Landesarchivs aufgehoben, Landeshauptarchiv und Landesarchiv werden gleichrangig einer zentralen Landesarchivverwaltung nachgeordnet. Nach der Verabschiedung des Gesetzes soll ein Organisationserlass des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur diese neue Struktur weiter ausgestalten und zu einer Neuordnung der Zuständigkeiten der beiden Archive führen.

Kern der Gesetzesnovelle seien allerdings die Veränderungen der Zeiträume, nach denen Informationen aus den Landesarchiven für wissenschaftliche Zwecke oder zeitgeschichtliche Dokumentationen zugänglich gemacht würden, betonte die Wissenschafts- und Kulturministerin. Entsprechend der Regelungen in anderen Bundesländern werde die Sperrfrist für personenbezogene Unterlagen von bislang 30 Jahren nach dem Tod der oder des Betroffenen auf nun 20 Jahre oder – wenn das Todesjahr der oder des Betroffenen nicht bekannt sei – auf künftig 90 Jahre nach dem Geburtsjahr (bislang 110 Jahre) verkürzt. Bei Unterlagen, die der Geheimhaltung unterliegen, werde die Sperrfrist von bislang 80 Jahren auf künftig 60 Jahre verkürzt, erläuterte die Ministerin. Erweitert werde zudem der Spielraum der Landesarchivverwaltung, wenn es darum gehe, Sperrfristen von für die Wissenschaft oder die Gesellschaft heute besonders bedeutsamen Informationen zu verkürzen. Wenn überwiegende schutzwürdige Interessen von Betroffenen oder aber von Dritten dies nicht verhinderten, solle die Archivverwaltung künftig nach einer Güterabwägung festlegen, ob Informationen unter der Auflage einer Anonymisierung personenbezogener Angaben auch schon vor Ablauf der eigentlichen Sperrfrist freigegeben werden. „Damit wird es zum Beispiel für Forscherinnen und Forscher leichter, die historische Aufarbeitung von Vorgängen in der Zeit des Nationalsozialismus voranzutreiben. Bislang noch gesperrte Akten von Vorgängerbehörden der jetzigen Landesbehörden können so für die Wissenschaft geöffnet werden“, sagte Doris Ahnen. Der Gesetzentwurf wird nun dem Landtag zugeleitet.

Quelle: Landesregierung Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung, 19.1.2010

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