Der Feind heißt Stegobium paniceum, ist drei Millimeter klein, aber die Auswirkungen sind dramatisch: 200.000 Archivalien im Stadtarchiv Augsburg sind vom Brotkäfer angefressen. Der Käfer stammt aus Hülsenfrüchten und Brot vom benachbarten Stadtmarkt und tritt alle drei Jahre massenhaft auf, berichtet Archivleiter Dr. Michael Cramer-Fürtig der Augsburger Zeitung. Auch 2009 ist ein solches Käferjahr. Die Käfer werden vom Leim der historischen Amtsbücher magisch angezogen.
Durch eine Kältebehandlung der Bücher bei -40 Grad glaubte man zwischenzeitlich, die Käferplage im Griff zu haben. Aber die Eier überstanden die Prozedur. Jetzt wird das gesamte Archiv aufwändig gekühlt. Seit August halten zehn Klimageräte die Raumtemperatur auf 16 bis 18 Grad. Das Schlüpfen neuer Käfer, die es gerne warm haben, konnte so bereits um 220 Tage verzögert werden. Neben Klebe- und Pheromonfallen wird seit kurzem auch eine biologische Waffe eingesetzt: die ebenfalls drei Millimeter große Lagererzwespe, deren Larven sich von den Käferlarven ernähren. 600 Wespen wurden im Archiv ausgesetzt.
Für Cramer-Fürtig ist das alles kein Dauerzustand. Die teure Kühlung kann sich das Archiv nur dank kräftigen Sponsorings durch die Betreiberfirma leisten. Ohne ein neues Archivzweckgebäude sieht Cramer-Fürtig langfristig keine Chance im Kampf um den Erhalt des Archivs. 750.000 Archivalien lagern hier in 2.400 Regalmetern. 80% der staatlichen Mittel fließen für die Bestandserhaltung von Büchern, nur 20% für die von Archivalien, wie sie im Stadtarchiv lagern.
Geplant ist jetzt die Auslagerung der wertvollen Schätze in eine Augsburger Messehalle. 4.000 Umzugskartons füllen die Archivstücke, die dort mehrere Wochen lang mit Stickstoff behandelt werden sollen, um den Käfern endgültig den Garaus zu machen. Hinsichtlich der Restaurierungskosten rechnet Archivar Cramer-Fürtig mit einer hohen siebenstelligen Summe.
Bei der langfristigen Planung (Februar 2010 – 2013) ist im ausgelagerten Bereich bzw. im neuen Archivgebäude möglichst eine Lagerung bei optimalen Magazintemperaturen von 16-18 Grad Celsius anzustreben. Für die Forschung bringen diese unaufschiebbaren Maßnahmen zwei leider unvermeidbare Konsequenzen mit sich: Zunächst sind die reichsstädtischen Bestände bis voraussichtlich Ende Februar 2010 (Beendigung der Stickstoffbehandlung der befallenen Archivalien) nicht zugänglich. Sobald eine sinnvolle Auslagerungsmöglichkeit bzw. eine den Anforderungen des Stadtarchivs entsprechende Unterbringung der Altbestände gefunden ist, sollen im Laufe des Jahres 2010 geeignete Maßnahmen zur Nutzung der für die Forschung benutzbaren Überlieferung geschaffen werden.
Oberster Grundsatz der dabei erforderlichen Vorgehensweise ist, dass nur die erschlossenen und mit entsprechenden Signaturen eindeutig bestimmbaren Archivalien zugänglich sind. Bei allen anderen, zum Teil noch gänzlich unerschlossenen Beständen wird die Phase der Auslagerung vom Stadtarchiv dazu genutzt, deutliche Verbesserungen für die künftige Zugänglichkeit des Materials durchzuführen.
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Quelle: Stadt Augsburg, Pressemitteilung, 10.8.2009; DAZ – Die Augsburger Zeitung, 21.9.2009