Das Bundesarchiv in Koblenz erinnert mit der Ausstellung "Im Objektiv des Feindes. Die deutschen Bildberichterstatter im besetzten Warschau 1939-1945" an den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Das im Jahr 1939 von pulsierendem Leben erfüllte Warschau mit seinen damals 1,3 Millionen Einwohnern verlor während des Zweiten Weltkrieges unter der deutschen Besatzung ungefähr 700.000 Einwohner, darunter fast die gesamte jüdische Bevölkerung der Stadt mit ca. 350.000 Menschen. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen wurde Warschau zu einem Ort der Schikanen, der Repressionen und der Vernichtung seiner Bevölkerung. Im Jahr 1945 war Warschau eine fast menschenleere und zerstörte Stadt.
Die Ausstellung ist ein polnisch-deutsches Kooperations- und Forschungsprojekt des Instituts für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Bildagentur bpk und Museum Europäischer Kulturen) zusammen mit dem Haus der Begegnungen mit der Geschichte in Warschau, dem Freundeskreis Willy-Brandt-Haus sowie dem Bundesarchiv in Koblenz und dem Herder Institut in Marburg. Von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit wird das Projekt finanziell gefördert.
Abb.: Bei Danzig, Überfall auf Polen (gestellt!), 1. Sept. 1939, Bundesarchiv, Bild 146-1979-056-18A / Foto: Hans Sönnke
Die Autoren der Ausstellung, Danuta Jackiewicz und Eugeniusz Cezary Król trafen ihre Auswahl aus Bildmotiven, die in den Jahren 1939 bis 1945 von den Propaganda-Kompanien der Wehrmacht und der Waffen-SS in Warschau aufgenommen wurden. Die Fotografien stammen aus dem Bundesarchiv, in dem 1,1 Millionen Originalnegative der Propagandakompanien der Wehrmacht bewahrt werden, und der Bildagentur bpk der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die über Presseabzüge dieser Fotos verfügt. Ein geschichtswissenschaftlicher Kommentar der Autoren begleitet die ausgestellten Fotos, ergänzt durch weitere Dokumenten aus Beständen des Bundesarchivs.
Die chronologisch-thematisch geordneten Fotografien zeigen die Geschichte der Stadt in den Jahren des Krieges und der Besatzung. Die einzelnen Kapitel der Ausstellung behandeln den „Septemberfeldzug“ und die Zerstörungen in Warschau, die Repressionen gegenüber der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung der Stadt, den Alltag im besetzten Warschau und im Ghetto (bis zu dessen Liquidierung nach dem Ghetto-Aufstand 1943), den Warschauer Aufstand und die Vernichtung der Stadt zwischen Oktober 1944 und Januar 1945.
Die für die Ausstellung ausgewählten Fotografien werden in Deutschland größtenteils erstmals öffentlich gezeigt. Zuvor wurde die Ausstellung im Herbst 2008 im Haus der Begegnungen mit der Geschichte in Warschau und im Frühjahr 2009 in Berlin präsentiert.
Wie der Titel der Ausstellung ankündigt, zeigt die Ausstellung Fotografien, die durch das „Objektiv des Feindes“ aufgenommen wurden. Manche der Aufnahmen, vor allem die von Joe Heydecker (dessen Nachlass im Bundesarchiv bewahrt wird), lassen auf eine gewisse Haltung der Empathie gegenüber den Fotografierten schließen. Generell jedoch präsentiert die Sammlung die Stadt Warschau und ihre Einwohner als Gegenstand der NS-Propaganda. Die ausgewählten Bilder erweitern den Wissensstand über die Geschichte der Stadt unter der deutschen Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945. Insofern ist diese Ausstellung ein wichtiger Beitrag der gemeinsamen Erinnerung anlässlich des 70. Jahrestages des deutschen Überfalles auf Polen am 1. September 1939.
Die Ausstellung wird am Donnerstag, dem 27. August 2009, um 18.00 Uhr im Bundesarchiv in Koblenz eröffnet. Dr. Oliver Sander, Leiter des Referats B 6 (Bildarchiv) wird über die Bildbestände der Propaganda-Kompanien der Wehrmacht informieren, Prof. Eugeniusz Cezary Król, Institut für Polnische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften, in das Thema der Ausstellung einführen.
Ein von den Autoren der Ausstellung herausgegebener umfangreicher Katalog ist im Benutzersaal des Bundesarchivs zum Preis von 35,00 € erhältlich. Polnische und deutsche Wissenschaftler erforschen und analysieren in ihren Beiträgen die umfangreichen Sammlungen von Warschau-Fotos der Propaganda-Kompanien, die sich in den Beständen des Bundesarchivs und der Bildagentur bpk befinden.
Info:
Danuta Jackiewicz und Eugeniusz Cezary Król (Hrsg.), Im Objektiv des Feindes. Die deutschen Bildberichterstatter im besetzten Warschau (1939-1945), Warschau 2009, Verlag Rytm/Haus der Begegnungen mit der Geschichte, ca. 400 Seiten, Preis 35,00 Euro (http://smbkatalogshop.besucherdienst.org).
Die Ausstellung ist vom 28. August bis 23. Oktober 2009 im Bundesarchiv zu sehen
Eröffnung: 27.8.2009, 18 Uhr): Montag bis Freitag 9.00 bis 19.00 Uhr, Samstag 9.00 – 13.00 Uhr, Eintritt frei
Bundesarchiv, Potsdamer Str. 1, 56077 Koblenz.
Das Bildarchiv des Bundesarchivs
Das Bundesarchiv verwahrt ca. 11 Millionen Bilder, Luftbilder und Plakate zur deutschen Geschichte. Erste Fotografien stammen aus dem Jahr 1860. Schwerpunkte sind Bilddokumente zu Ereignissen und Personen
- der Weimarer Republik (u.a. Bestand "Bild 102 Aktuelle-Bilder-Centrale, Georg Pahl")
- des „Dritten Reichs“, hier insbesondere die Bilder der Propagandakompanien der Wehrmacht (Bestand "Bild 101"),
- zur DDR in Form von Bildern des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes ADNZentralbild (Bestand "Bild 183" und nun "N 1648 Bild Sammlung Beier") und
- zur Bundesrepublik Deutschland (u.a. Bestand "B 145 Bild Presse- und Informationsamt der Bundesregierung").
Im Referat B 6 (Bilder, Karten, Pläne, Töne = "Bildarchiv") sind derzeit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an zwei Standorten (Koblenz, St. Augustin) tätig.
Jährlich betreut das Bildarchiv 100 persönliche Benutzungen und gut 3.500 schriftliche Anfragen von Wissenschaftlern, Journalisten, Privatleuten und Behörden. Im Auftrag von Benutzern werden durch eigene Mitarbeiter jährlich ca. 8.000 Scans angefertigt. Die Benutzung erfolgt auf Grundlage der "Bedingungen des Bundesarchivs für Bildbenutzungen". Gebühren für die Nutzung sind in der "Bundesarchiv-Kostenverordnung" festgelegt.
Der Zugang zu Bildern des Bundesarchivs ist seit September 2007 über das Digitale Bildarchiv www.bild.bundesarchiv.de auch online möglich.
Propagandakompanien der Wehrmacht:
Das Bundesarchiv verwahrt ca 1,1 Millionen Originalmotive der Propagandakompanien der Wehrmacht mit den drei Teilbeständen "Bild 101I Heer und Luftwaffe", "Bild 101II Marine" und "Bild 101III Waffen-SS". Zudem existieren ca. 100.000 Abzüge von Propagandakompaniefotos im Bestand "Bild 183 Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild" und anderen Beständen. Diese Fotos wurden seit 1938 von ausgebildeten Fachleuten (Journalisten, Fotografen, Kameraleuten und Grafikern) angefertigt, die nach einer kurzen militärischen Ausbildung die Truppen der Wehrmacht auf allen Kriegsschauplätzen begleiteten. Zu diesen Propagandaeinheiten zählten die an der Front eingesetzten Propaganda-Kompanien und die Propaganda-Abteilungen in den besetzten Gebieten. Ihre Aufgaben beinhalteten
- die Kriegsberichterstattung in Schrift, Ton, Film und Bild (Fotos, Zeichnungen, Gemälde),
- die so genannte "Aktivpropaganda in den Feind und in die Bevölkerung der besetzten Gebiete" zur Beeinflussung der Kampfmoral des Gegners z.B. durch Flugblattabwürfe, Wandzeitungen oder Lautsprecherdurchsagen und
- die Betreuung der eigenen Truppe.
Bei Kriegsbeginn wurde jeder Armee eine PK zugeteilt. 1942 hatte sich die Zahl der Heeres-PK auf insgesamt 21 erhöht und die Propagandatruppen hatten insgesamt fast Divisionsstärke (ca. 15.000 Mann) erreicht. 1943 wurden die Propagandatruppen sogar zur selbständigen Waffengattung und der neu geschaffenen Dienststelle "Chef der Propagandatruppen" unterstellt.
In Polen begleiteten zahlreiche PK-Fotografen die Wehrmacht beim Überfall auf Polen, fotografierten die Kämpfe auch während des Warschauer Aufstands, dokumentierten aber auch die Judenverfolgung und das Leben und Sterben der jüdischen Bevölkerung in den polnischen Ghettos.
Kontakt:
Bundesarchiv
Bildarchiv:
Dr. Oliver Sander
Potsdamer Str. 1
56077 Koblenz
Telefon: 0261 505 382
o.sander@bundesarchiv.de
Quelle: Bundesarchiv, Pressemitteilung, Koblenz, August 2009