Auch nach einem Lied über den Räuberhauptmann und Herzensbrecher Rinaldo Renaldini wird man im Volkslied- und Tonarchiv der Volkskundlichen Kommission für Westfalen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe fündig. Es ist eines von über 12.000 Liedern, die erfasst wurden. Die umfangreiche Sammlung an Volkslied- und Tondokumenten kann ab sofort im Internet eingesehen werden.
270 Magnettonbänder, 425 Audiokassetten, die rund 1200 Stunden Audiomaterial ergeben, sowie 9000 Liedblätter und zahlreiche handschriftliche Liederbücher sind in eine Datenbank eingeflossen. Im Vordergrund des Projekts stand zunächst die Langzeitarchivierung der Dokumente, da Magnettonbänder und Audiokassetten einem raschen Verfall ausgesetzt sind. Jetzt befinden sich die Daten auf einem Server des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe, wo sie sicher archiviert werden.
Ermöglicht wurden die Rettung des Materials und die Präsentation im Internet durch die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG), die das Projekt innerhalb ihres Förderprogramms "Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme" unterstützte. Angesiedelt ist das Projekt, bei dem in Zukunft noch weitere Archivteile der Volkskundlichen Kommission für Westfalen digital archiviert werden sollen, am Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Universität Münster.
Seit Dezember 2006 arbeiten eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und bis zu vier studentische Hilfskräfte am Projekt. Die Tondokumente wurden durch einen externen Dienstleister digitalisiert, die schriftlichen Lieddokumente haben die studentischen Hilfskräfte vor Ort gescannt. Das IT-Zentrum des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe erstellte in Anlehnung an das schon vorhandene Bildarchiv der Volkskundlichen Kommission für Westfalen eine Datenbank, in der alle Dokumente erfasst wurden. Diese Arbeiten konnten Ende 2008 abgeschlossen werden. Parallel dazu wurde eine Version der Datenbank für das Internet entwickelt, bei der die eingegebenen Dokumente online recherchierbar sind.
Die Datenbank enthält Lieder aus den unterschiedlichsten Bereichen des westfälischen Volksliedgutes: Von Liebesliedern und Räubergeschichten, Fastnachts-, Oster-, Sylvesterliedern, Jäger-, Soldaten- und Bauernliedern, bis hin zu Bergmanns- und Tanzliedern. Kaum ein Anlass, der in Westfalen nicht besungen wurde, egal ob es sich um Hochzeiten, unterschiedliche Bräuche und Feste oder auch um Lebenssituationen wie verschmähte Liebe oder Sehnsucht nach der Heimat handelte.
Das Westfälische Volkslied- und Tonarchiv enthält Liedgut aus Westfalen mit dem zeitlichen Schwerpunkt zwischen 1900 und 1970. Eine Besonderheit der Datenbank sind die umfangreichen ergänzenden Informationen, die Mitarbeiter der Volkskundlichen Kommission zu den Liedern gesammelt haben. Biografische Angaben zu den Gewährspersonen zählen ebenso dazu wie ergänzende Berichte, Manuskripte und Literatur. Soweit vorhanden wurden diese Informationen mit in die Datenbank aufgenommen und ergeben somit einen interessanten Forschungsgegenstand.
Aber auch für Nichtwissenschaftler stellt die Sammlung eine Alternative zu herkömmlichen Liedersammlungen dar, lassen sich doch mit Sicherheit viele weniger bekannte Lieder entdecken. Die Recherchemaske des Internets ist gut überschaubar, dennoch können eine Vielzahl unterschiedlicher Informationen abgefragt werden. Dazu gehören die Bereiche: Ortsangabe, zeitliche Einordnung, die Auswahl der Dokumentenart, ob es sich um ein Audio- oder ein schriftliches Dokument handeln soll, ob Noten vorhanden sind und inhaltliche Komponenten. Hinzu kommt ein Schlagwortkatalog und eine Volltextsuche, die auch die ergänzenden Angaben berücksichtigt.
Link: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/VOKO/Archive_Bibliothek/Volkslied_Tonarchiv/
Quelle: Uni Münster, Pressemitteilung, 29.6.2009