„Was sind wir? Pimpfe! Was wollen wir werden? Soldaten!“ Dieser markige Spruch prangt auf einer Tafel im Stadtmuseum Hagen. Dort ist vom 8. Juni bis zum 15. November 2009 die Ausstellung „Und sie werden nicht mehr frei – Jugend im Nationalsozialismus“ zu sehen. In einer großformatigen Collage geben Fotografien, erläuternde Texte und zeitgenössische Zitate einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zahlreiche Ausstellungsstücke und szenische Darstellungen beleben die Ausstellung und bringen zusätzliche Anschaulichkeit. Ebenso wie die großen Figuren, auf denen Jugendliche per Video von einem Ausschnitt aus ihrem Leben berichten. Als besonderer Gast berichtete bei der Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, den 7. Juni 2009 Herbert Shenkman über seine Jugend in Hagen bis zu seiner Deportation. Der heute in Berlin lebende Jude verkörpert ein Stück Geschichte, das er in bewegenden Worten schilderte.
Möglich geworden ist die Ausstellung durch das große Engagement von dem Lokalen Aktionsbündnis für Toleranz und Demokratie Hagen sowie des Fördervereins des Historischen Centrums Hagen „Pro Stadtgeschichte Hagen e. V.“. Mit Hilfe des engagierten Vereins konnten für das Ausstellungsprojekt 20.000 Euro Fördergelder aus dem Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT“ Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie eingeworben werden. Jetzt zeigt sich der Verein hoch erfreut, dass mit der gelungenen Ausstellung ein wertvoller Beitrag gegen den Vormarsch rechtsextremer Bestrebungen geleistet wird und das Stadtmuseum Hagen mit diesem Bildungsauftrag vor allen Dingen die Schulen aber auch andere Organisationen unterstützt. Das Stadtmuseum Hagen und der Förderverein Pro Stadtgeschichte Hagen e. V. freuen sich, dass die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft über die Ausstellung übernommen hat.
Bewusst haben die Ausstellungsmacher das Thema Jugend im Nationalsozialismus gewählt. Anhand dieses historischen Beispiels soll den heute lebenden Jugendlichen der Alltag ihrer Altersgenossen während der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt werden. Kindern und Jugendlichen, die Hauptzielgruppe der Ausstellung sind, wird so vor Augen geführt, wo eine Gesellschaft endet, die nicht die Vielfalt als Leitziel ihr Eigen nennt. Dies geschieht in einem Bereich, der nicht abstrakt und weit entfernt ist, sondern in Lebensumfeldern, in denen sich Kinder und Jugendliche der heutigen Zeit selbst bewegen. Gerade dadurch, dass die Welt von Kindern und Jugendlichen zur Zeit des Nationalsozialismus Gegenstand der Ausstellung ist, wird der gegenwärtigen U-20-Generation der Zugang zum Thema ermöglicht. So können sie sich fundiert ihre Meinung darüber bilden, ob dieser Entwurf einer Gesellschaftsordnung für sie eine tragfähige Variante darstellt. Dies befähigt sie auch, zeitgenössische Formen rechtsradikaler Ideologien besser einordnen und beurteilen zu können.
Als Gegenentwurf zu einer Gesellschaft, die Werte wie Vielfalt, Toleranz und Demokratie für unerlässlich hält und sie deshalb fördert, steht der Nationalsozialismus. Dort bedeutet es für den Sektor der Jugendlichen gerade nicht, dass Vielfalt, Toleranz und Demokratie zu den Leitzielen gehörten, sondern dass Kinder und Jugendliche schon früh durch den nationalsozialistischen Staat für sich vereinnahmt werden sollten und sie sich bedingungslos seinen Zielen unterzuordnen hatten. Dieser nationalsozialistische Ansatz markiert den am weitest entfernt gelegenen Punkt zu einer auf Vielfalt angelegten pluralistischen Gesellschaft.
Die Ausstellung bietet ganz unterschiedliche Wege, das Thema zu erschließen. Dabei wurden die speziellen Belange von Jugendlichen besonders berücksichtigt und ein jugendgerechter Zugang zum Thema gewählt. Formen der Darstellung, wie sie Jugendlichen geläufig sind, finden sich in der Ausstellung wieder. Besonders deutlich wird dies an den lebensgroßen Figuren, auf denen die Videoclips präsentiert werden, die ein Stück aus dem Leben eines Jugendlichen darstellen. Hier spricht ein Jugendlicher einen Altergenossen an und überbringt damit plastisch und leicht verständlich sonst nur schwer vermittelbare Inhalte. Bei der Produktion der Videoclips musste nicht lange nach geeigneten Darstellerinnen und Darstellern gesucht werden. Am Theodor Heuss Gymnasium in Hagen wurde man schnell fündig. Die Theater AG war sofort bereit, den Part zu übernehmen und konnte die Aufgabe professionell und gekonnt ausführen. Die Suche nach geeigneten Exponaten gestaltete sich schwierig. Obwohl die Zeit noch nicht sehr lange zurück liegt, ist nicht besonders viel überliefert worden. Schließlich gelang es dann aber doch, die Ausstellung mit zahlreichen anschaulichen Dingen auszustatten.
Zwischen 1933 und 1945 herrschten in Deutschland die Nationalsozialisten. Sie legten besonderen Wert auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Aus ihnen sollten gläubige, gehorsame und regimetreue Bürger werden. Für Vielfalt, Toleranz und Demokratie gab es dabei keinen Raum. Die Ausstellung zeigt, welchen Einfluss der Nationalsozialismus auf Kinder und Jugendliche nahm. Sie thematisiert die verschiedenen Lebensbereiche von Jungen und Mädchen. Viele einzigartige Bilder und Ausstellungsstücke veranschaulichen den Alltag. Sie zeigen eine Lebenswelt, die das Wort Freiheit nicht kennt. Bereits die Schule sollte die Kinder im Sinne des Staates formen. Statt Wissen zählte der Glaube an den Führer-Staat. Und Sport war wichtiger als Lesen. Die Hitlerjugend erzog die Kinder im Sinne des Krieges. Jungen wurden zu Soldaten erzogen und Mädchen auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet. Im Alltag änderte sich das Spielzeug. Musik, die man noch vor wenigen Jahren ganz selbstverständlich hörte, war plötzlich geächtet.
Die Ausstellung zeigt auch, wie sich das Leben der Kinder und Jugendlichen durch den Krieg änderte. Kinderlandverschickung, Bombenkrieg und Volkssturm zerstörten die Jugend von Abertausenden. Viele wurden im Krieg verheizt und verloren ihr Leben. Kinder und Jugendliche, die nicht in das Bild des Nationalsozialismus passten, wurden verfolgt. Wer sich auch nur in geringster Weise auflehnte, musste mit Strafe rechnen. Gehorsam stand an erster Stelle.
Besonders traf es Jungen und Mädchen, die aus rassistischen Gründen ausgegrenzt wurden. Verfolgung und Tötung von Kindern und Jugendlichen in Ghettos und Konzentrationslagern war Alltag im Dritten Reich. Am Ende der nationalsozialistischen Herrschaft lebten so gut wie keine jüdischen Kinder und Jugendlichen sowie aus anderen rassisch verfolgten Familien mehr in Deutschland.
Die Ausstellung wendet sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche, aber auch an all diejenigen, die sich mit der deutschen Geschichte auseinander setzen. Sie richtet sich gegen das Vergessen und mahnt zur Erinnerung. In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit befähigt sie, zeitgenössische Formen des Rechtsextremismus besser einordnen und beurteilen zu können. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wo eine Gesellschaft endet, die nicht Werte wie Vielfalt, Toleranz und Demokratie ihr Eigen nennt. Ein umfangreiches Programm für alle Zielgruppen begleitet die Ausstellung. Besonders Schulklassen finden in ihr eine attraktive Ergänzung zum Unterricht.
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Quelle: Veranstaltungen Stadt Hagen