Das Stadtarchiv Magdeburg ist um ein interessantes historisches Dokument reicher: Dank des Sponsorings durch die Stadtsparkasse Magdeburg konnte es kürzlich vom Magdeburger Antiquariat eine Akte zum Bau eines Teilstücks der heute als A2 bekannten Autobahn erwerben. Damit ist das Stadtarchiv nun im Besitz eines Dokuments, das Auskunft gibt über die Planung eines speziellen Abschnitts der Autobahn nördlich von Magdeburg bzw. deren Anbindung an die Stadt. Die Akte mit Plänen und den dazugehörigen Erläuterungen stammt vom Dezember 1933. Die Freigabe der Strecke zwischen Berlin und Magdeburg erfolgte am 17. August 1936, die der Gesamtstrecke Berlin-Magdeburg-Hannover am 10. Januar 1937. Zwar geben die im Stadtarchiv vorhandenen Verwaltungsberichte der Stadt Magdeburg aus dieser Zeit einige allgemeine Informationen zum Autobahnbau, doch lagen weiterführende Archivalien dazu hier bislang nicht vor. Deshalb nahm das Stadtarchiv Magdeburg das Angebot des Magdeburger Antiquariats, die Akte für das Stadtarchiv zu erwerben, gern an. Hier steht das Dokument nun der Öffentlichkeit zur Einsicht zur Verfügung und dürfte insbesondere bei Menschen, die sich mit der Verkehrsgeschichte beschäftigen, auf großes Interesse stoßen.
Die Akte enthält einen Erläuterungsbericht zur Teilstrecke der Reichsautobahn Berlin-Magdeburg-Rheinland nördlich von Magdeburg vom 22. Dezember 1933 sowie die entsprechenden Pläne, darunter einen auf Leinen aufgezogenen Höhenplan der Reichsautobahn Berlin-Magdeburg, Teilstrecke nördlich von Magdeburg, in den Maßen 59 x 49 cm. Die Schriftstücke und Pläne wurden vom damaligen Magdeburger Stadtbaurat Julius Götsch und von Magistratsbaurat Theodor Menken unterzeichnet. Der Aktentitel verrät, dass es sich hierbei um ein Projekt der Stadt Magdeburg in Verbindung mit der „Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen“ e.V. (Gezuvor) handelte.
Der Autobahnbau genoss in den 19 30er Jahren höchste Priorität und nahm in der Propaganda des NS-Regimes einen besonderen Stellenwert ein. Doch Autobahnen waren weder eine Erfindung der Nazis noch wirksame Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung, wie es bis heute hin und wieder noch behauptet wird. Schon 1921 war in Berlin eine erste autobahnähnliche Schnellstraße entstanden (heute Teil der A 115). Die erste deutsche Schnellstraße, die Mitte der 20er Jahre als reine Autobahn geplant worden war, wurde 1929 bis 1932 unter Federführung der Rheinischen Provinzialverwaltung zwischen Köln und Bonn gebaut. Pläne für weitere Autobahnstrecken, wie München-Leipzig-Berlin und Leipzig-Halle entstanden ebenfalls schon in den 19 20er Jahren. Hinter den Plänen standen u. a. die „Studiengesellschaft für Automobilstraßenbau“ (STUFA) und der „Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hansestädte – Frankfurt -Basel“ (HaFraBa).
Am 27. Juni 1933 erließ die Reichsregierung auf Weisung von Adolf Hitler ein Gesetz zur Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahnen. Hitler ordnete die Wiederaufnahme der Pläne aus den 19 20er Jahren an. Am 25. August 1933 wurde die „Gesellschaft Reichsautobahnen“ gegründet, die der Aufsicht der Reichsregierung unterstand und als Tochterunternehmen der Deutschen Reichsbahn fungierte. Wenige Tage zuvor hatte man den HaFraBa-Verein zur „Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen“ e.V. (Gezuvor) umgebildet. Die endgültige Festlegung der Linienführung der Autobahnen oblag dem neu ins Leben gerufenen „Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen“, Fritz Todt. Als Adolf Hitler am 23. September 1933 bei Frankfurt/M. den ersten Spatenstich für eine neue Ausbaustrecke setzte, waren die ehemals führenden Personen der HaFraBa zwar geladen, durften sich aber nicht öffentlich äußern. Jede Erwähnung der Vorgeschichte der Autobahnen hatte in der NS-Propaganda-Maschinerie zu unterbleiben.
Am 21. März 1934 fanden an über 20 Stellen Spatenstichfeiern zum Bau von Reichsautobahnen statt. Im Oktober 1934 waren bereits 1.500 km im Bau und bis zum Beginn des 2. Weltkrieges 3.300 km der 6.900 geplanten km Autobahnen fertiggestellt. Die publikumswirksamen Bilder tausender Spaten schwingender Arbeiter eigneten sich gut für Wochenschau und Presse, um den Autobahnbau als Maßnahme zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit darzustellen. Tatsächlich waren die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nur marginal und betrafen v. a. ungelernte Arbeiter. Bereits 1932 hatte eine allgemeine wirtschaftliche Erholung begonnen. Ende 1933 waren in Deutschland maximal 3.900 Arbeiter im Autobahnbau beschäftigt. Mitte 1936 betrug ihre Zahl etwa 125.000, auf den Einsatz von schwerem Gerät wurde dabei bewusst verzichtet.
Die gezielte Einschränkung der Berufstätigkeit für Frauen, die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Ausweitung des Arbeitsdienstes und die militärische Aufrüstung dürfen mit ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht außer Acht gelassen werden. Die Zahlen für Rüstungsausgaben waren z. B. im Jahre 1936 um mehr als das 6-fache höher als die Investitionen in den Autobahnbau. Ab 1940 wurden auch Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter für den Autobahnbau eingesetzt. Obwohl die Nazis anfangs den Autobahnen durchaus eine militärisch-strategische Rolle zudachten, um z. B. Möglichkeiten schneller Truppen- und Materialtransporte zu schaffen, hatten die Schnellstraßen letztlich kaum eine militärische Bedeutung. Das Militär bevorzugte die Eisenbahn, denn Autobahnen waren allein schon aufgrund ihrer dünnen Fahrbahndecke und des für schwere Lasten zu lockeren Unterbaus für die Verlegung größerer Formationen nicht geeignet. Ihre Streckenführung orientierte sich auch nicht an möglichen Frontabschnitten, sondern verband die Wirtschafts- und Tourismuszentren miteinander.
Allerdings ging der Autobahnbau mit dem forcierten Bau von Kraftfahrzeugen einher, der im Zuge der Aufrüstung eine schnelle Heeresmotorisierung ermöglichen sollte. Vergleicht man die Magdeburger Pläne von Julius Götsch und Theodor Menken aus dem Jahre 1933 mit der letztlich realisierten Straßenführung der Autobahn, so sind einige Abweichungen festzustellen. Wer sich über Details informieren möchte, kann sich zur Einsicht in die Akte zum Autobahnbau nördlich von Magdeburg anmelden im Stadtarchiv Magdeburg.
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Quelle: Presseinformation der Landeshauptstadt Magdeburg, 11.6.2009