Denkschrift der Allianz Schriftliches Kulturgut an Bundespräsident Köhler übergeben

Am 28. April 2009 übergab die Allianz Schriftliches Kulturgut erhalten Bundespräsident Horst Köhler die Denkschrift ZUKUNFT BEWAHREN. Das Papier formuliert eine nationale Strategie sowie pragmatische Handlungsempfehlungen für die Sicherung der historischen Bestände in Archiven und Bibliotheken. Bei der Übergabe appellierten die Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, Barbara Schneider-Kempf, der Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Thomas Bürger, der Präsident des Niedersächsischen Landesarchivs Hannover, Bernd Kappelhoff und der Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Michael Knoche, vor allem an den Bund und die Länder, den Erhalt von originalen Dokumenten sowie deren Digitalisierung und Verfilmung effizienter zu organisieren und zu fördern. Die Denkschrift greift eine Forderung der Enquete-Kommission \“Kultur in Deutschland\“ vom Dezember 2007 auf, eine nationale Konzeption für die Erhaltung von gefährdetem Kulturgut zu erarbeiten. 

Das Elbehochwasser im Jahr 2002, der Brand in der Anna Amalia Bibliothek Weimar 2004, zuletzt der Einsturz des Stadtarchivs Köln rüttelten die Öffentlichkeit stets auf: Erschütterung über verlorenes Kulturgut und Freude über gerettete Bestände mündeten in spontane Hilfen. Der Bund sowie betroffene Länder und Kommunen legten Sonderfonds auf, Bibliotheken und Archive halfen mit fachlicher Kompetenz, Privatpersonen, Stiftungen und Firmen spendeten Geld. Durch diese Katastrophen nahm die Öffentlichkeit mehr als zuvor wahr, wie umfangreich und bedeutsam die kulturellen Schätze in deutschen Archiven und Bibliotheken sind. Dennoch fehlt es im föderal verfassten Deutschland noch immer an einer nationalen Strategie zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Deutschland, um den Schutz unserer wissenschaftlichen und kulturellen Überlieferung systematisch und nachhaltig zu organisieren. 

Originale – Archivgut, Handschriften, Nachlässe, seltene Druckwerke – müssen in ihrem Bestand gesichert werden. Die Anstrengungen der Bundesländer und Kommunen reichen nicht aus und sind unzureichend koordiniert. Ein national abgestimmtes Konzept soll festgelegen, welches Dokument, welcher Druck durch welche Einrichtung wie und wann im Original zu sichern ist. Für die jeweiligen Schadensbilder sind geeignete Therapien anzuwenden oder noch zu entwickeln, es kommt also auch auf die enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen an. Die häufigsten Schäden entstehen durch starke Benutzung und durch Materialveränderungen, z.B. Tintenfraß und Säurefraß, aber auch immer wieder durch unzureichende Lagerungs- und Klimabedingungen. Allein die Schäden durch säurehaltiges Papier, zwischen 1850 und 1990 überall verwendet, zeigen die Dimension der Aufgabe an: Etwa 9,6 Milliarden Blatt unikales Archivgut sowie etwa 60 Millionen Druckschriften in den Bibliotheken sind vom Säurefraß betroffen. 

Noch immer sind umfangreiche Bestände aufgrund von Kriegsschäden nicht benutzbar und so der Forschung entzogen. Weitere zahlreiche Kostbarkeiten sind späteren Katastrophen (Feuer, Wasser, Einsturz von Gebäuden) zum Opfer gefallen und müssen so bald wie möglich zurück gewonnen werden. Die Sicherung des Originals und seine nachfolgende Digitalisierung gehören heute zusammen. Ohne zeitliche und räumliche Begrenzung kann ein Dokument oder ein Objekt erforscht und dabei frei von Schäden gehalten werden. Die koordinierenden Strukturen für breit angelegte Digitalisierungsprogramme sind mit der Deutschen Digitalen Bibliothek auf nationaler Ebene bereits angelegt. 

In sieben Punkten fasst die Denkschrift ZUKUNFT BEWAHREN Handlungsempfehlungen an Bund und Länder zusammen:
Der Bund soll – in Abstimmung mit den Ländern – die Federführung für die Erarbeitung einer nationalen Konzeption für die Erhaltung des schriftlichen Kulturerbes in Deutschland übernehmen. Nach gleichem Modell haben Bund und Länder bereits im Rahmen des Aufbaus der Deutschen Digitalen Bibliothek zusammengearbeitet. 

Die Länder sollen Landeskonzepte erarbeiten und miteinander abstimmen. Dazu müssen in den Archiven und Bibliotheken alle für die nationale Strategie relevanten Daten zusammengeführt werden. Die nötigen Infrastrukturen für diese Analysen sind einzurichten. 

Zur Umsetzung der nationalen Strategie für Bestandserhaltung sollen der Bund und die Länder bei einer der großen Einrichtungen eine zentrale Koordinierungsstelle einrichten. 

Die von den Unterhaltsträgern der Bibliotheken und Archive für Bestandserhaltung bereitgestellten Mittel müssen aufgestockt werden: Der Bund soll jährlich 10 Millionen € für den Erhalt von Originalen bereitstellen. 

Die Entwicklung neuer und nachhaltiger Verfahren für die Sicherung von Archiv- und Bibliotheksgut sind mit Hilfe öffentlicher Stiftungen wie der Kulturstiftung der Länder oder der Kulturstiftung des Bundes weiter zu forcieren. 

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wird gebeten, einen Teil ihrer Mittel darauf zu konzentrieren, die mit ihrer Hilfe nach 1950 erworbene ausländische Literatur ebenfalls dauerhaft zu erhalten. 

Es wird weiterhin an die Öffentlichkeit appelliert, auch in Zukunft mit privatem Engagement die staatlichen Anstrengungen zu ergänzen, z.B. durch die Übernahme von Buchpatenschaften. 

Folgende Einrichtungen sind an der Allianz beteiligt: 

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 
Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden 
Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main und Leipzig 
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main 
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen 
Niedersächsisches Landesarchiv Hannover 
Bundesarchiv Koblenz und Berlin 
Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N
Bayerische Staatsbibliothek München 
Landesarchiv Baden-Württemberg Stuttgart 
Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar 

Vertreter folgender Institutionen nehmen an den Sitzungen der Allianz teil: 

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Berlin 
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Bonn 
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Bonn 
Deutscher Bibliotheksverband (mehrere Gremien) 
Forum Bestandserhaltung, Universitäts- und Landesbibliothek Münster 
Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. 

Kontakt
Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Vorsitzende der Allianz Schriftliches Kulturgut erhalten
Barbara Schneider-Kempf 
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin 
Tel.: 030 / 266 – 2323 
Fax: 030 / 266 – 2319 
barbara.schneider-kempf@sbb.spk-berlin.de 

Quelle: Pressemitteilung Staatsbibliothek zu Berlin, 29.4.2009

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.