Am 22. April 2009 stellte das Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar die erste Edition der überlieferten Dokumente des Schriftstellers Ludwig Achim von Arnims (1781-1831) vor, die für den patriotisch-geselligen Verein mit dem Namen »Deutsche Tischgesellschaft« bestimmt waren, sowie alle von anderen Mitgliedern der Tischgesellschaft überlieferten Texte. In Vorträgen erörterten namhafte Germanisten sowie der Herausgeber des Bandes, Stefan Nienhaus, in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die verschiedenen Aspekte der Texte der Tischgesellschaft. Die »Deutsche Tischgesellschaft«, die am 18. Januar 1811 gegründet wurde und bis mindestens 1834 bestand, besaß in den Jahren von 1811 bis 1816 ein hohes Maß an gesellschaftlichem Einfluss. Sie gilt als wichtiges literatur- und gesellschaftshistorisches Ereignis der preußischen Reformzeit. Zugleich wird mit ihr das Aufleben des frühen deutschen Nationalismus und Antisemitismus verbunden. Hochrangige Persönlichkeiten der Berliner Gesellschaft – Künstler und Intellektuelle wie Clemens Brentano und Adam Müller, Ministerialbeamte wie Friedrich August von Staegemann, Universitätsgelehrte wie Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Schleiermacher, Militärs wie Carl von Clausewitz – trafen sich in ihr, um sich bei einem gemeinsamen Mahl durch Tischreden unterhalten zu lassen und sich über die politische Situation zu verständigen.
Die Tischgesellschaft sah sich in der Tradition romantischer Geselligkeit, verfolgte aber einen exklusiven Anspruch: Als demonstrative Haltung gegen die soziale Integration der jüdischen Bevölkerung nahm der Verein nicht einmal getaufte Juden auf. In satirischen Abhandlungen Brentanos und Arnims wurden diese Ausschlusskriterien begründet. Als ideologisches Band dienten der Tischgesellschaft der preußisch-deutsche Patriotismus und der Hass auf die napoleonische Besatzungsmacht. Die zahlreichen überlieferten Tischreden sind darüber hinaus Zeugnis eines umfangreichen Kulturprogramms, in dessen Zentrum der Kult um Schiller und Goethe stand. Bereits publizierte Texte wie die Abhandlung »Ueber die Kennzeichen des Judenthums« sind erstmals im Band 11 der Arnim-Ausgabe historisch-kritisch ediert. Der überwiegende Teil der etwa 150 Blätter umfassenden Dokumente, die hauptsächlich aus dem Arnim-Nachlass des Goethe- und Schiller-Archivs und der Varnhagen-Sammlung der Universitätsbibliothek Krakau stammen, wird hier erstmals veröffentlicht. Damit macht die vorliegende Edition zum ersten Mal den Gesamtbestand der überlieferten Handschriften und Drucke, die für die deutsche Tischgesellschaft geschrieben oder nach dem Vortrag in ihrem Auftrag publiziert wurden, zugänglich.
Die Weimarer Arnim-Ausgabe erscheint unter dem Gesamttitel »Ludwig Achim von Arnim. Werke. Aufzeichnungen. Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Weimarer Klassik hrsg. von Roswitha Burwick, Lothar Ehrlich, Heinz Härtl, Renate Moering, Ulfert Ricklefs und Christof Wingertszahn«. Die Herausgeber und weitere Bandbearbeiter sind an Universitäten und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland, Italiens, Großbritanniens und der USA tätig. Die in einer Arbeitsstelle der Klassik Stiftung Weimar wissenschaftlich, technisch und organisatorisch betreute Ausgabe soll 40 Bände umfassen. In chronologischer Anordnung werden ediert: Werke und Schriften (Band 1-29), Briefe von und an Arnim (Band 30-40). Bände mit Dokumenten, Chronik und Bibliographie kommen hinzu. Grundlagen der Texte sind die Handschriften oder, wenn diese nicht überliefert sind, die Erstdrucke aus Arnims Lebenszeit bzw. aus den von Wilhelm Grimm und anderen 1856 herausgegebenen »Sämmtlichen Werken«. Die Textgrundlagen werden diplomatisch getreu wiedergegeben. Der Kommentar gliedert sich in Überblickskommentar, Einzelstellenerläuterung, kommentierendes Verzeichnis der Überlieferungsträger und vollständige Darbietung der Varianten. Bisher sind sechs Bände erschienen:
Band 1: Schriften der Schüler- und Studentenzeit. Hrsg. von Sheila Dickson (2004)
Band 2: Naturwissenschaftliche Schriften, Teil 1: Text, Teil 2: Kommentar. Hrsg. von Roswitha Burwick (2007)
Bd. 11: Texte der deutschen Tischgesellschaft. Hrsg. von Stefan Nienhaus (2008)
Band 10: Die Päpstin Johanna. Hrsg. von Johannes Barth (2006)
Band 30: Briefwechsel 1788 – 1801. Hrsg. von Heinz Härtl (2000)
Band 31: Briefwechsel 1802 – 1804. Hrsg. von Heinz Härtl (2004)
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Quelle: Pressemitteilung Klassik Stiftung Weimar, 20.4.2009