Die FAZ berichtet über das Erstversorgungszentrum (EVZ) für das eingestürzte Kölner Stadtarchiv: Hierher werden alle Schätze, die aus der Unglücksstelle geborgen werden und sich nicht mit Baumaterial oder Möbeln verklumpt haben, gebracht, um gesichtet, grob gereinigt, registriert und erstbegutachtet zu werden. Eine riesige Notfallambulanz für Archivalien, in der, was dringender Hilfe bedarf, sofort versorgt oder zum Spezialisten überwiesen wird.
Für die Lagerhalle im Kölner Süden gilt: „Bitte berücksichtigen Sie in Ihrer Berichterstattung, dass das Gebäude für die Öffentlichkeit weiterhin nicht auffindbar sein darf und insoweit Ihre Beschreibung des Ortes hinreichend unscharf sein muss“, so der Pressesprecher des Kölner Kulturdezernats. Im EVZ ein Sicherheitsdienst und Plakate an den Wänden, die klarstellen: „Absolutes Foto-Verbot!“ und „Ab sofort ist aus Sicherheitsgründen mit Taschenkontrollen zu rechnen!“ Jeder Besucher muss sich ein- und wieder austragen sowie eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. „Für Journalisten gilt das natürlich nicht“, doch dürfen freiwillige Helfer nur in Anwesenheit des „Archivars im Dienst“ befragt werden.
Am Unfallort am Waidmarkt legen Feuerwehrleute die geborgenen Archivalien in graue Pappkartons. Diese werden nach oben getragen, wo Archivmitarbeiter sie in Empfang nehmen und Karton auf Karton auf Lastwagen heben, die täglich zehn, elf Ladungen ins Erstversorgungszentrum bringen. Dort wird manuell der Oberflächenstaub abgefegt und die Dokumente werden in blaue Plastikwannen gelegt und provisorisch erfasst.
„Wir schmeißen grundsätzlich nichts weg“, versichert Archivmitarbeiter Max Plassmann: „Die Frage ,Lohnt sich das überhaupt?\‘ stellen wir nicht, das wäre in Ruhe zu überlegen, dafür haben wir keine Zeit.“ Nur beschädigte Kartonagen wandern in den Abfall. „Auch die Frage, was früher und was später restauriert wird, kann erst entschieden werden, wenn die erste Bergungsphase abgeschlossen ist, wir wirklich den Überblick haben und die Schadensbilder kennen: Erst dann können wir eine systematische Restaurierungsstrategie entfalten.“ Noch aber ist die Severinstraße nicht komplett abgegraben, bis Ende Mai dürften sich die Arbeiten dort hinziehen, und noch ist nicht bekannt, ob und wie viele Archivalien ins Grundwasser gerutscht sind.
Der Weg der Archivalien durch das Erstversorgungszentrum endet in der Packstation, wo sie – nachdem sie noch einmal auf Feuchtigkeit überprüft worden sind – in Archivkartons zusammengefasst werden. Nur ganz wertvolle Schätze, Handschriften aus der Sammlung Wallraf, Schreinsbücher oder Pergamenturkunden, bleiben in Köln und werden dem Archiv des Erzbistums anvertraut. Alles andere wird auf Paletten gesetzt, zum Transport freigegeben und in Archive gebracht, die freie Magazine zur Zwischenlagerung angeboten haben: ins Bundesarchiv nach Koblenz und St. Augustin, zur Friedrich-Ebert-Stiftung nach Bonn, ins Archivamt nach Brauweiler, in die Landesarchive in Münster und Detmold, aber auch weiter weg, bis nach Freiburg und Potsdam. – Wann was zurückkehrt und restauriert wird, wann die Bestände wieder unter einem gemeinsamen Dach sein werden und für den Bürger zugänglich sind, kann derzeit noch niemand wissen.
Quelle: Andreas Rossmann, FAZ, 14.4.2009