Die Wahlen zur Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 stellten nicht nur die Wahlen zum Auftakt der ersten deutschen Demokratie dar, sondern waren darüber hinaus Premiere für das neu geschaffene Frauenwahlrecht. Frauen wie auch Männer hatten lange dafür gekämpft, Frauen gleiche politische Rechte wie Männern einzuräumen.
Als in der Paulskirche 1848 über das allgemeine Wahlrecht (nur für Männer) diskutiert wurde, meldeten sich erstmals einzelne Frauen zu Wort, die eine Beteiligung forderten. Während des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts entwickelte sich daraus eine Frauenbewegung, die sich in den Rahmen der bestehenden politischen Bewegungen einfügte und so in eine sozialistische und bürgerliche Frauenbewegung aufteilte. Während die so genannten bürgerlichen Frauenvereine sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts klar zur Wahlrechtsforderung bekannten, stand diese Forderung für Frauen auf Seiten der sozialistischen Frauenbewegung bereits seit langem auf der politischen Agenda. .
1891 wurde sie in das Erfurter Programm der Sozialdemokratie aufgenommen. August Bebel, Vorsitzender der SPD (1892-1913), war einer der bekanntesten Vertreter der Frauenemanzipation und des Frauenwahlrechts. Sein Buch „Die Frau und der Sozialismus“ erschien 1879 im Zürcher Exil, ist bisher über 220.000 Mal verkauft worden und noch heute erhältlich.
Der Text avancierte schnell zur programmatischen Grundlage des politischen Kampfes um die volle Gleichberechtigung der Frau in politischen, rechtlichen und sozialen Fragen. Da Frauen bis zum Inkrafttreten des Reichsvereinsgesetzes 1908 fast überall in Deutschland stark in ihrem politischen Engagement eingeschränkt wurden, mussten sie äußerst einfallsreich in ihren Werbestrategien und öffentlichen Auftritten sein, die von Agitationsschriften über Vereins- und Lobbytätigkeit und regelrechter Reklame (Aufdrucke auf Gegenständen, Merchandising-Artikel etc.) bis hin zum gewaltsamen Straßenprotest reichten. So zerschlugen englische Suffragetten Ende des 19. Jahrhunderts Fensterscheiben in einer bekannten Einkaufsstraße in London, um damit ihren Protest gegen die Reduzierung ihrer Person als ‚shoppende Hausfrau’ Ausdruck zu geben.
In Deutschland engagierten sich zudem viele Frauen in den Parteien im Rahmen der Wahlkämpfe. Eine dieser Wahlkämpferinnen, die auch 1919 als Kandidatin für ein Mandat in der Nationalversammlung antrat, war Marie Juchacz, SPD-Mitglied und Gründerin der Arbeiterwohlfahrt. Sie wurde als eine von 37 Frauen in die Versammlung gewählt. Am 19. Februar 1919 hielt sie dort als erste Frau eine Rede. Als einzige Frau gehörte sie dem „Ausschuss zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs“ der Nationalversammlung an.
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Frisch erschienen ist die kurze Darstellung zur Geschichte des Frauenwahlrechts: Gisela Notz, „Her mit dem Frauenwahlrecht!“, Bonn 2009
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Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, AdsD, Aktuelles, 19.1.2009