Drei Bach-Handschriften aus den Jahren 1743, 1745 und 1748 wurden kürzlich von Dr. Andreas Glöckner vom Bach-Archiv Leipzig bei Recherchen zur Musikpflege an der Universitätskirche St. Pauli im Universitätsarchiv Leipzig entdeckt. Dabei handelt es sich um Zeugnisse, die Johann Sebastian Bach für drei seiner Präfekten eigenhändig ausgestellt hat. Das Bach-Archiv ist seit November An-Institut der Universität Leipzig.
Die Zeugnisempfänger bewarben sich mit Bachs Empfehlung um ein Stipendium, das der 1591 zu Steyr in Österreich verstorbene Mediziner Mathern Hammer der Universität Leipzig für hochbegabte und bedürftige Thomasschüler gestiftet hatte. Aus dem Zinsertrag des Stiftungskapitals von 2 000 Gulden sollte den Bewerbern ein Stipendium auf vier bis fünf Jahre gewährt werden. Hammer, ein aus Böhmen stammender getaufter Jude, war selbst Student der Leipziger Universität gewesen. Zu den Zeugnisempfängern und Stipendiaten gehörte, wie Andreas Glöckner im soeben erschienenen Bach-Jahrbuch 2008 berichtet, Christian Beck, Sohn eines kinderreichen Bauern aus Baalsdorf bei Leipzig. „Die Einrichtung eines solchen Stipendiums war der Bach-Forschung bislang unbekannt, ebenso Bachs Beteiligung bei Vergabe des ‚Hammerischen Stipendiums’, das mittellosen Thomasschülern nach Beendigung ihrer Schulzeit ein Universitätsstudium ermöglichte.“ Die beiden anderen Zeugnisse hat Bach für seine Schüler Christian Gottlob Fleckeisen und Johann Wilhelm Cunis ausgestellt.
Unter den Universitätsakten befindet sich außerdem ein bislang unbekanntes Protokoll mit neuen Informationen zu Bachs Todesjahr. Nach Aussage des Dokuments wurde der schwer erkrankte Thomaskantor seit Pfingsten 1750 von seinem Schüler Johann Adam Franck im Amt vertreten. Als Präfekt der ersten Kantorei hat Franck vermutlich auch die Musik zu Bachs Begräbnis am 30. oder 31. Juli 1750 besorgt – ganz sicher aber im Auftrag der Witwe Anna Magdalena die Amtsgeschäfte des Verstorbenen bis zur Amtsübernahme des Nachfolgers Gottlob Harrer weitergeführt. Ausführliche Informationen zu den überraschenden Dokumenten bietet der Aufsatz Andreas Glöckners in dem von Dr. Peter Wollny im Auftrag der Neuen Bachgesellschaft zu Leipzig herausgegebenen Bach-Jahrbuch 2008.
Während des Bachfestes Leipzig 2009 wird Dr. Andreas Glöckner im Rahmen seines Vortrags „Die Musikpflege an der Leipziger Universität zur Zeit Bachs – neue Dokumente und Erkenntnisse“ detailliert über die im Universitätsarchiv entdeckten Quellen berichten. Das Bachfest Leipzig, das vom 11. – 21. Juni 2009 stattfindet, ist weltweit einzigartig – durch den Bezug zu den historischen Wirkungsstätten Bachs in Leipzig und Umgebung, durch die Mitwirkung des Thomanerchors und des Gewandhausorchesters. In rund 100 Veranstaltungen beleuchtet das Bachfest-Programm Bachs geistliches, weltliches und kammermusikalisches Schaffen, dessen vielfältige Bezüge zur Musikstadt Leipzig sowie seine Wirkung auf Zeitgenossen, Schüler und Komponisten späterer Musikepochen.
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Quelle: Aktuelles Bach-Archiv Leipzig, 12.12.2008