Olga – Königin von Württemberg

Die aktuelle Ausstellung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, die vom 20. November 2008 bis zum 20. Februar 2009 zu sehen ist, trägt den Titel „Eine Königin vom Scheitel bis zur Zehe“ Olga – Königin von Württemberg.1846 heiratete Kronprinz Karl von Württemberg die schöne Großfürstin Olga (1822-1892), Tochter des Zaren Nikolaus I. und der Zarin Alexandra Feodorowna. Damit kam, nach Königin Katharina, die zweite russische Zarentochter auf den württembergischen Thron. Die Verbindungen zwischen dem Haus Württemberg und dem russischen Zarenhaus (Haus Romanow-Holstein-Gottorp) waren sehr eng. Mit keinem anderen Herrscherhaus unterhielt das Haus Württemberg so nahe verwandtschaftliche Beziehungen. Von 1776 bis 1874 kamen in vier Generationen insgesamt fünf Ehen zwischen beiden Herrscherfamilien zustande. Wie fast alle Fürstenehen zu damaliger Zeit wurden diese aus politischem und dynastischem Kalkül geschlossen. Am Beginn steht 1776 die Hochzeit der Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg (verheiratete Maria Feodorowna von Russland) mit dem späteren Zaren Paul I. In der Folge schenkte das Zarenhaus Württemberg zwei Königinnen: Katharina, die Gemahlin Wilhelms I., sowie Olga. 

Eine wichtige Quelle für Olgas Kindheit und Jugend am Zarenhof sind ihre Memoiren Traum der Jugend goldner Stern, die Olga 1881 bis 1883 schrieb und die als Manuskript im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt werden. Darin schildert Olga das Leben am Zarenhof und ihre Erziehung durch Hauslehrer und Gouvernanten. Bereits mit fünf Jahren sprach Olga französisch, russisch und englisch. Olgas Eltern, Zar Nikolaus I. und Zarin Alexandra Feodorowna, gestatteten ihren Kindern gewisse Freiheiten und unbeschwertes Spielen, was für eine Fürstenerziehung in dieser Zeit eher ungewöhnlich war. Als Olga ins heiratsfähige Alter kam, drehte sich auch für sie das Heiratskarussell“. Als mögliche Kandidaten wurden unter anderem der spätere König Maximilian II. von Bayern und Erzherzog Stephan Viktor von Österreich gehandelt. Die Heirat mit Letzterem scheiterte schließlich an der Konfessionsfrage, da Olga ihren russisch-orthodoxen Glauben nicht aufgeben durfte. 

Nachdem das Heiratsprojekt mit Erzherzog Stephan von Österreich gescheitet war, brachte der russische Gesandte in Stuttgart, Fürst Gortschakow, Kronprinz Karl von Württemberg ins Gespräch. Karl war einer Heirat mit der schönen und vermögenden Zarentochter nicht abgeneigt. Die erste Begegnung fand im Januar 1846 in Palermo statt, wo Olga zusammen mit ihrer gesundheitlich angegriffenen Mutter den Winter verbrachte. Die Tage des näheren Kennenlernens verliefen positiv, und bereits am 18. Januar gaben Karl und Olga ihre Verlobung bekannt. Nachdem man alle Vorbereitungen getroffen hatte und der Heiratsvertrag abgeschlossen war, fanden am 7. Juli 1846 die zeremonielle Verlobungsfeier und am 13. Juli die prunkvollen Hochzeitsfeierlichkeiten in St. Petersburg statt. Am 23. September zog das jungvermählte Paar mit zahlreichem Gefolge in Stuttgart ein, wo ihnen ein großartiger Empfang bereitet wurde. Für Olga begann nun ein neuer – nicht immer leichter – Lebensabschnitt am württembergischen Hof. 

Wo immer die Kronprinzessin und spätere Königin Olga in der Öffentlichkeit auftrat, waren ihr Respekt und Hochachtung sicher. Sie war „königlich vom Scheitel bis zur Zehe in ihrem ganzen Wesen und Gebaren“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt. Olga engagierte sich besonders im sozialen Bereich, ihr reiches Privatvermögen gab ihr dazu die nötigen Mittel. Ihre karitativen Aktivitäten prägen noch heute gerade in Stuttgart die Erinnerung an sie. Bevor sie jedoch eigene Akzente setzte, übernahm sie zunächst die klassische Funktion der Schirmherrschaft für gemeinnützige Zwecke. So stellte sie 1847 die Heil- und Pflegeanstalt für schwachsinnige Kinder in Mariaberg und die Stuttgarter Kinderheilanstalt, das „Olgäle“, unter ihren Schutz. Besonders lag Olga die Erziehung und Bildung der Kinder und Jugend am Herzen. Mit ihrer Hilfe und Unterstützung entstanden zahlreiche Kinderkrippen, Kinderrettungsanstalten und Kleinkinderbewahranstalten. Sie gründete 1873 die zweite höhere Töchterschule Stuttgarts, das Olga-Stift, sowie zahlreiche Ausbildungsstellen für Mädchen und Frauen. 

Die Ausstellung des Hauptstaatsarchivs zeigt Fotos, wertvolle Dokumente und Gegenstände aus dem Besitz Olgas. Sie werfen ein Licht auf Olgas Kindheit und Jugend in St. Petersburg, ihre Vermählung mit dem Kronprinzen Karl, die Wohnsitze des Königspaares und die Wohltätigkeit Olgas. Erstmals wird ein bislang unbekannter Briefwechsel, den Olga auf wertvollem Briefpapier mit ihrer Verwandtschaft in St. Petersburg führte, der Öffentlichkeit präsentiert. Olga führte Zeit ihres Lebens eine umfangreiche Korrespondenz, um die räumliche Distanz zu ihren Angehörigen, befreundeten Personen und Politikern zu überwinden. Einen Ausschnitt aus dieser Überlieferung konnte das Hauptstaatsarchiv Stuttgart durch einen glücklichen Umstand vor kurzer Zeit erwerben. Auf einem Flohmarkt fanden sich Briefe, die – in einer stark verschliffenen Schrift – auf äußerst reizvollem Briefpapier geschrieben waren. Die Unterschrift „Oly“ und die Tatsache, dass es sich bei den Abbildungen um Gebäude der Sommerresidenzen der Zarenfamilie handelt, wiesen auf die Zarentochter Olga als Briefschreiberin hin. Das Konvolut umfasst circa 80 Briefe: Die ältesten schrieb Olga als 16-Jährige, der größte Teil stammt jedoch aus ihrer Zeit als Kronprinzessin am württembergischen Hof. Eine Serie von Briefen verfasste sie 1848 an ihre Schwägerin und Freundin Marie, die Frau ihres ältesten Bruders Alexander, die anderen, vor allem aus dem Jahr 1853, an ihre Mutter Zarin Alexandra Feodorowna. Öffentliche Kurzführungen durch die Ausstellung finden jeden Mittwoch um 11.30 Uhr statt. 

Kontakt
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
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Fax: 0711 / 212 – 4360
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Quelle: Pressemitteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, 19.11.2008; Aktuelles Hauptstaatsarchiv Stuttgart.

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