Forschungszentrum Kriegsverbrecherprozesse offiziell eröffnet

An der Philipps-Universität Marburg ist am 13.11.2008 das „Internationale Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse“ offiziell eröffnet worden (International Research and Documentation Center War Crimes Trials, ICWC). Der Heidelberger Historiker Professor Dr. Edgar Wolfrum hielt hierbei den Festvortrag zum Thema „NS-Kriegsverbrecherprozesse und die geschichtspolitische Kultur der Bundesrepublik Deutschland“. Das ICWC ist durchaus keine Unbekannte in Marburg“, erläuterte Professor Dr. Christoph Safferling, Geschäftsführender Direktor des ICWC, den Anlass der Gründungsfeier in der Aula der Alten Universität. Schon seit dem Jahr 2003 kooperieren Rechtswissenschaftler, Historiker und Sozialwissenschaftler in dem interdisziplinären Zentrum der Universität, um Entstehung, Entwicklung und gegenwärtige Praxis des Völkerstrafrechts zu erforschen, wie es in nationalen und internationalen Strafverfahren zu den Kriegs- und Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus’ Gestalt angenommen hat. Während das Zentrum bislang in einem „eher informellen Zusammenschluss“ der beteiligten Wissenschaftler bestand, wie Prof. Safferling sagte, ist seit Kurzem eine Satzung für das ICWC in Kraft, so dass es seine Aktivitäten nunmehr im rechtlichen Rahmen einer universitären Einrichtung entfaltet. 

„Die Einweihung des Zentrums ist ein wichtiger Meilenstein für die wissenschaftliche Profilierung der Philipps-Universität“, erklärte Professor Dr. Gerhard Heldmaier, Vizepräsident der Philipps-Universität Marburg. In seinem Grußwort hob er das „Innovationspotenzial“ der Einrichtung hervor: Die erforderliche Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete „lässt Überraschungen erwarten“, so Prof. Heldmaier. Das ICWC hat sich zum Ziel gesetzt, das Völkerstrafrecht und dessen Anwendung unter rechtswissenschaftlichen, geschichtswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Aspekten zu erforschen. Basis der Arbeit bildet die umfassende und voll digitalisierte Dokumentation historischer Quellen zu Kriegsverbrecherprozessen insbesondere nach 1945. Diese Quellen sind bislang über zahllose Archive weltweit verstreut. Das Marburger Zentrum wird sie der internationalen Forschung in elektronischer Form zur Verfügung stellen. „Diese Arbeit wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen“, erklärte Zentrumsleiter Prof. Safferling in seiner kurzen Vorstellung des ICWC. 

Zugleich ist geplant, die bereits etablierte Stellung des Zentrums in einschlägigen Forschungsnetzwerken durch internationale Konferenzen weiter auszubauen. So kooperieren die Marburger Wissenschaftler seit 2007 mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, dessen Rechtsprechung unter anderem auf dem in Marburg dokumentierten und für Den Haag systematisch ausgewerteten historischen Völkerstrafrecht aufbaut. Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs werden demnächst an einer internationalen Tagung teilnehmen, die das ICWC vom 4. bis 6. Dezember 2008 anlässlich des 60. Jahrestags der UN-Völkermordkonvention durchführt. Enge Kontakte bestehen auch zum Khmer Rouge-Tribunal im kambodschanischen Phnom Penh, dem die Marburger Wissenschaftler umfangreiche Aktenbestände zur Verfügung stellen konnten. „Das ICWC ist weltweit das einzige Zentrum, das in der Lage ist, das Informationsbedürfnis des kambodschanischen Tribunals zu erfüllen“, erläuterte Safferling.

Der Heidelberger Historiker Professor Dr. Edgar Wolfrum hielt die Festrede. ICWC-Vizedirektor Professor Dr. Eckart Conze stellte anschließend den Festredner Edgar Wolfrum vor, der sich in seinem Werk unter anderem intensiv der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur gewidmet habe. Wolfrum ging in seinem Vortrag der Frage nach, wie sich das veränderliche Selbstbild der Bundesrepublik in der wechselvollen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit spiegelt. Dabei finde „immer ein Wettstreit um die Erinnerung statt, bei dem es um Interesse und Macht geht“, so der Heidelberger Historiker.

Kontakt
Philipps-Universität Marburg
Professor Dr. Christoph Safferling
Fachbereich Rechtswissenschaften
35032 Marburg
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VSTR@staff.uni-marburg.de

Philipps-Universität Marburg
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35032 Marburg
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Fax: 06421 / 28 – 25700 
ng2@staff.uni-marburg.de

Quelle: Aktuelles Philipps-Universität Marburg, 14.11.2008

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