Bayerische Staatsbibliothek gibt Werke aus der Bibliothek Thomas Manns zurück

Die Bayerische Staatsbibliothek gibt am Mittwoch, 19. November 2008 in Zürich 75 Bände aus der Privatbibliothek Thomas Manns, die 1933 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde, an das Thomas-Mann-Archiv in Zürich zurück. Es handelt sich dabei um Übersetzungen der Werke Thomas Manns in die verschiedensten Sprachen aus den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Seit 2003 beteiligt sich die Bayerische Staatsbibliothek aktiv in Eigeninitiative und mit Nachdruck an der Aufgabe, nach NS-Raubgut in ihrem Verantwortungsbereich zu fahnden. Sie orientiert sich damit an der Verpflichtung, die alle öffentlichen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland 1999 in einer gemeinsamen Erklärung zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz eingegangen sind. 

Im August 1933 wurde das Haus Thomas Manns in München von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. In den Monaten zuvor gelang es der Familie, gut die Hälfte bis zwei Drittel der dort untergebrachten Privatbibliothek Manns nach Zürich in Sicherheit zu bringen. Der Rest fiel in die Hände der NS-Behörden. Die danach gezielt aussortierten Übersetzungen von Thomas Manns Werken wurden an die Bayerische Staatsbibliothek überstellt. Dazu zählen beispielsweise Übersetzungen der großen Romane „Die Buddenbrooks“ oder „Der Zauberberg“. In zwei Bänden finden sich Unterschriften von Thomas Mann, außerdem tragen mehrere Bände Widmungen der Übersetzer an den Autor. Nach einem Hinweis aus dem Umfeld des Thomas-Mann-Archivs in Zürich machte sich die bibliotheksinterne Arbeitsgruppe zum Auffinden von NS-Raubgut 2007 auf die Suche nach den Beständen. Insgesamt konnten 61 Titel in 75 Bänden als Werke aus der Privatbibliothek Manns identifiziert werden. Sie werden nun in Abstimmung mit Herrn Professor Frido Mann, dem Enkel Thomas Manns und Sprecher der Familie, an das Thomas-Mann-Archiv in Zürich zurückgegeben. 

Nach dem Tode Thomas Manns im Jahre1955 übergab die Erbengemeinschaft 1956 seinen literarischen Nachlass, persönliche Gedenkstücke und die Ausstattung seines letzten Arbeitszimmers der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Diese gründete in der Folge das Thomas-Mann-Archiv (TMA). Dieses beherbergt den Grossteil der noch vorhandenen Thomas-Mann-Autographen. In feuerfesten Safes lagern Manuskripte, Tagebücher, Notizbücher, Briefe und andere Handschriften mehr. Dazu kommen aufschlussreiche Vorarbeiten und Arbeitsmaterialien zu verschiedenen Werken und ihren Frühstufen. Das TMA hat den ihm übergebenen Nachlass nicht nur erschlossen, sondern nach Kräften auch ergänzt und Werkausgaben, Übersetzungen, Briefe, Schallplatten und andere Tonträger, Fotografien, Mikrofilme, Zeitungsartikel zu Tausenden und Zehntausenden gesammelt. Auch die Sekundärliteratur wird mit möglichster Vollständigkeit zusammengetragen. Die Bestände werden in verschiedenen Katalogen nachgewiesen. Das TMA hat des Weiteren wichtige Editionen erarbeitet, Quellenforschung betrieben und maßgebende Interpretationen vorgelegt. Seit 1967 gibt das Archiv zudem die Thomas-Mann-Studien heraus und ist Mitherausgeber des 1988 begründeten Thomas Mann Jahrbuchs. Geleitet wird das Thomas-Mann-Archiv seit 1994 von Dr. Thomas Sprecher. Die wissenschaftliche Benützung des TMA steht im Rahmen der Benützungsordnung allen Interessierten nach Voranmeldung von Montag bis Freitag offen. 

Die Bayerische Staatsbibliothek freut sich, dass die Bücher nun im Thomas-Mann-Archiv wieder mit den erhaltenen Teilen der Arbeitsbibliothek des Schriftstellers vereint sind. Sie bedauert zutiefst die Hintergründe und Umstände, wie sie 1933 ins Haus gelangten, ebenso die damalige Verstrickung der Bibliothek in das geschehene Unrecht. Weitere Rückgaben von NS-Raubgut werden derzeit vorbereitet, neben jüdischen Vorbesitzern etwa auch an die Zeugen Jehovas, Freimaurerlogen oder an die Vereinigung Katholischer Religionslehrer sowie Organisationen der Arbeiterbewegung. 

Kontakt
Bayerische Staatsbibliothek 
Dr. Stephan Kellner 
Ludwigstr. 16
80539 München 
Abteilung Bestandsaufbau und Erschließung 
Tel.: 089 / 28 638 2278 
stephan.kellner@bsb-muenchen.de 

Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich
Schönberggasse 15
CH-8001 Zürich
Tel.: ++41 44 632 40 45
Fax: ++41 44 632 12 54
tma@tma.gess.ethz.ch

Quelle: Aktuelles Bayerische Staatsbibliothek, 11.11.2008; Thomas-Mann-Archiv

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