Sie prägt Münster und das Münsterland: Die niederdeutsche Sprache – im alltäglichen Gebrauch heute nahezu verschwunden – ist wichtiger Teil der regionalen Identität. Das Stadtmuseum Münster zeichnet in Kooperation mit der Niederdeutschen Abteilung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erstmals für eine Region in Deutschland die bewegte Geschichte der niederdeutschen Schriftlichkeit im Wandel der Jahrhunderte nach. Für diese anschauliche Zeitreise in Wort und Ton von ersten Überlieferungen um 800 bis hin zu den „plattdeutschen Spuren“ im Münster der Gegenwart kehrten kostbare Leihgaben und Raritäten aus bundesdeutschen Archiven in ihr Entstehungsgebiet zurück.
Der Ausstellungstitel greift in zweifachem Sinn. „Ohne Kenntnis des Niederdeutschen kann die Geschichte dieser Stadt nicht geschrieben werden“, betont Museumsdirektorin Dr. Barbara Rommé. „Bis weit ins 17. Jahrhundert hinein sind die Quellen in dieser Sprache abgefasst“. Gezeigt wird so nicht allein der Weg, den die geschriebene Sprache nahm, sondern Plattdeutsch macht hier buchstäblich Geschichte. Kooperationspartner der Ausstellung ist neben der Universität Münster auch die Augustin Wibbelt-Gesellschaft e.V.
Die Ausstellung präsentiert bedeutende Originalzeugnisse, darunter Handschriften und Drucke aus Archiven und Bibliotheken in Berlin, Hamburg und Göttingen. Predigten und Rechnungen, Grammatikbücher für Latein, Noten und Rezeptbücher markieren markante Etappen des Sprachwandels – vom Altsächsischen (bis 1150/1200) über das Mittelniederdeutsche (bis 1600/1650) bis zur plattdeutschen Sprache der Gegenwart. Mit der altsächsischen „Freckenhorster Heberolle“ (Abgabenregister) aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts sieht der Ausstellungsbesucher die älteste Überlieferung des Niederdeutschen im Münsterland. „Eine bischöfliche Urkunde von 1320 ist das älteste mittelniederdeutsche Dokument aus Münster selbst“, erläutert Dr. Friedel Roolfs vom Germanistischen Institut, Abteilung Niederdeutsche Sprache und Literatur. Mit der Leihgabe der „Kölner Bibel“ (um 1478/79) ist dem Museum ein besonderer Coup gelungen. Die ins Niederdeutsche übersetzte Bibel mit Glossen (Erklärung schwieriger Wörter) besticht durch ihre reichhaltige Ausstattung mit über 100 feinsten Holzschnitten.
Einen ebenso kostbaren Schatz stellt die „Steinfurter Maerlant-Handschrift dar. Der Kodex aus dem 15. Jahrhundert aus der Schlossbibliothek des Fürsten zu Bentheim überliefert Texte prominenter niederländischer Dichter des Mittelalters. Noch älter ist das „Münsterische Walther-Fragment. Die Liederhandschrift datiert aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie bietet als einzige Überlieferung Originalnoten zu einigen Liedern des Dichters und Minnesängers Walther von der Vogelweide, darunter das berühmte „Palästinalied“. Das letzte gedruckte Buch in mittelniederdeutscher Schreibsprache ist ein Lektionar aus dem Jahre 1706. Es diente für Andacht und religiöse Unterweisung. Ende des 18. Jahrhunderts ist der Beginn der Mundartliteratur anzusetzen: Gezeigt wird mit einem Spottgedicht auf Franz Freiherr von Fürstenberg von 1780/82 der früheste Text in münsterländischer Mundart. Der rote Ausstellungsfaden spinnt sich bis in die Gegenwart, nicht zuletzt mit Beispielen zur Renaissance der plattdeutschen Literatur und Hinweisen auf die niederdeutsche Bühne in Münster.
Besucher können selbst aktiv werden. Vier Audiostationen geben Hörproben zum Wandel des Niederdeutschen. Ein gut bestückter Literaturbereich lädt zum Stöbern und Lesen ein. Eigens anfertigen lassen hat das Stadtmuseum zwei Faksimiles – hier darf ausdrücklich angefasst und geblättert werden. Ob Bült oder Gruetgasse, Drubbel oder Katthagen – plattdeutsche Spuren im heutigen Münster lassen sich in einer Inszenierung der Straßennamen verfolgen. Die Kenntnis des Plattdeutschen geht zwar stetig zurück. Dr. Barbara Rommé: „Das heißt aber nicht, dass man das kulturelle Erbe der niederdeutschen Sprache vergessen darf“. Die Ausstellung “Plattdeutsch macht Geschichte“, ist vom 8. November 2008 bis 8. Februar 2009 im Stadtmuseum Münster zu besichtigen. Geöffnet ist sie dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags/sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Das Begleitbuch zur Ausstellung ist für 19,80 Euro zu erwerben.
Kontakt:
Stadtmuseum Münster
Dr. Barbara Rommé
Salzstraße 28
48143 Münster
Tel.: 0251 / 492 – 45 03
Fax: 0251 / 492 – 77 26
museum@stadt-muenster.de
Quelle: Pressemitteilung Stadt Münster, 7.11.2008