Das \“Wiedenbrücker Schule Museum\“ öffnet am 28. November 2008 seine Tore. Bei zwei Tagen der Offenen Tür können alle Interessierten am Samstag und Sonntag (29. und 30. November 2008) in einer ehemaligen Altarbauwerkstatt auf Entdeckungstour gehen. Das Wiedenbrücker Schule Museum beschäftigt sich trotz seines Namens nicht mit einer pädagogischen Einrichtung, sondern einer Gruppe von Künstlern und Kunsthandwerkern, die zwischen 1864 und dem Ersten Weltkrieg in Wiedenbrück und vereinzelt auch in Rheda Kircheneinrichtungen und sakrale Kunstwerke schufen. Es gab vor Ort ca. 60 Künstler und Kunsthandwerker, von denen 41 eine eigene Werkstatt und ein eigenes Atelier besaßen. Dabei handelt es sich um Bildhauer, Maler, Ornamentiker und Leiter einer Altarbauwerkstatt, die außerordentlich produktiv waren und Kircheneinrichtungen und Kunstwerke in alle Welt lieferten. Das Museum beleuchtet die Arbeit der vier großen heimischen Altarwerkstätten und vieler Künstler und Kunsthandwerker, die ihnen zugeliefert haben. Denn die heimischen Künstler und Kunsthandwerker arbeiteten eng bei der der Ausführung von Aufträgen zusammen. Auf diese Weise ersparten sich sowohl die Auftraggeber als auch die Werkstätten lange Wege und eventuelle Unstimmigkeiten in der gewünschten Ausführung. Kennzeichen der Arbeiten aller Werkstätten waren besondere handwerkliche und künstlerische Qualität und ein außergewöhnliches Stilempfinden. So heben sich die Kunstwerke der Wiedenbrücker von vielen der Konkurrenten ab. Berühmte Kirchenbaumeister in ganz Deutschland arbeiteten gern mit den Wiedenbrücker Werkstätten zusammen. Bereits in den 19 30er Jahren fassten Kunsthistoriker die Meister und ihre Nachfolger sowie ihre Kunstwerke unter dem Namen \“Wiedenbrücker Schule" zusammen.
Auf Anregung des Rheda-Wiedenbrücker Bürgermeisters Bernd Jostkleigrewe wurde die Wiederbelebung des großen kulturellen Erbes angestoßen und viele aktive Mitstreiter gefunden. Besonders hervorzuheben sind dabei Manfred Schumacher und Alfons Brielmann vom Heimatverein Wiedenbrück-Reckenberg, die während der vergangenen drei Jahre intensive Nachforschungen anstellten. Inzwischen konnten Informationen über mehr als 1.700 Aufträge von etwa 700 Kirchen gesammelt werden, die mit Altären, Kanzeln, Kommunionbänken, Kreuzwegen, Beichtstühlen, Altarbildern, Heiligenfiguren und ganzen Ausmalungen ausgestattet wurden. Zusätzlich zu Aufträgen aus der heimischen Region kamen zahlreiche Aufträge aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland, dem Sauerland und Münsterland, aber auch aus dem Eichsfeld. Auch in Berlin gehörten mehr als zehn Kirchen zu den Kunden. Dort sind einige berühmte Kirchen, z.B. die Rosenkranzbasilika und St. Elisabeth, noch heute im alten Zustand erhalten. Sogar in Königsberg, in Kanada, den USA, Südamerika und China finden sich Erzeugnisse der Wiedenbrücker Werkstätten.
Ein großes Hindernis bei den Nachforschungen war jedoch die Tatsache, dass ein sehr großer Teil der Geschäftsunterlagen inzwischen verloren gegangen ist und auch viele Kunstwerke zerstört sind. Letzteres ist neben zahllosen Kriegsverlusten unter anderem darauf zurückzuführen, dass ein einschneidender Wandel im Kunstverständnis der Nachkriegsgeneration einsetzte. Die Konsequenz davon war, dass zahllose Kirchenausstattungen und Kirchenausmalungen rigoros beseitigt wurden. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung dann in den 1960er Jahren, als aufgrund der damals beschlossenen Liturgiereform, Chorraumumgestaltungen notwendig wurden. Diese missbrauchte man oftmals dazu, sich vollständig von den alten Kirchenausstattungen zu trennen und sie durch neue, moderne zu ersetzten. Da man in vielen Fällen keinerlei Verwendung mehr für die alten Stücke hatte, vernichtete man sie bedenkenlos oder überließ sie dem Verfall. Dieses führte schließlich dazu, dass kaum noch jemand eine Vorstellung von den Werken hat, die Künstler und Kunsthandwerker aus Rheda-Wiedenbrück geschaffen haben. Aus diesem Grunde bietet dieses durch den Schwerpunkt " Sakrale Kunst des Historismus" bundesweit einzigartige Museum die Möglichkeit, die Bedeutung und das Ansehen der Wiedenbrücker Künstler und Kunsthandwerker herauszustellen und verdientermaßen an ihre großartigen Leistungen zu erinnern. Anmeldungen für Führungen durch das Museum ab 1. Dezember 2008 nimmt die Flora-Westfalica GmbH, Frau Heidi Kellermann, Mittelhegge 11, 33378 Rheda-Wiedenbrück, Fon: (0 52 42) – 9301 – 16, Fax: (0 52 42) – 9301 – 20 oder per mail: kellermann@flora-westfalica.de entgegen.
Passend zur Museumseröffnung ist auch eine Broschüre zur Wiedenbrücker Schule entstanden. Die Schrift – erschienen als Band Nr. 16 in der Reihe der heimatkundlichen Beiträge der Volksbank Gütersloh eG – trägt den Titel “ Die “Wiedenbrücker Schule”. Eine Stadt entdeckt ihre künstlerische Tradition”. Martin Pollklas, Historiker und Pressesprecher der Stadt Rheda-Wiedenbrück, führt in die Geschichte der Wiedenbrücker Schule ein. Darüber hinaus werden die Traditionslinien der einzelnen Gewerke, wie Bildhauerei, Altarbaukunst und Malerei angesprochen. Martin Pollklas bündelt das Material, das beginnend mit dem Buch von Benedikt Große Hovest und Marita Heinrich "Die Wiedenbrücker Schule. Kunst und Kunsthandwerk des Historismus" im Laufe der letzten Jahre gesammelt wurde. Darüber hinaus werden die Forschungsergebnisse, die Manfred Schumacher und Alfons Brielmann vom Heimatvereins Wiedenbrück-Reckenberg für die Erarbeitung der Grundlagen für das Wiedenbrücker Schule Museum zusammengetragen haben, erstmals öffentlich vorgestellt. Ein reicher Fundus an Bildern , unter anderem aus dem Stadtarchiv Rheda-Wiedenbrück, wo sich auch umfangreiches weiteres Material zu diesem Thema befindet, ist in die Schrift von Martin Pollklas mit eingeflossen, so dass das Lesen nicht nur ein Fest für Heimatfreunde, sondern auch für Liebhaber sakraler und wirtschaftsgeschichtlicher Thematik wird.
Kontakt:
Wiedenbrücker Schule Museum
Hoetger-Gasse 1
33378 Rheda-Wiedenbrück
Tel.: 05242 / 9301 – 0
Fax: 05242 / 9301 – 20
Stadtarchiv Rheda-Wiedenbrück
Rathausplatz 13
33378 Rheda-Wiedenbrück
Tel.: 05242 / 963 – 274
Fax: 05242 / 963 – 222
Annette.Roesler@gt-net.de
Quelle: Aktuelles Bildung & Kultur, Stadt Rheda-Wiedenbrück; Sondermeldungen Wiedenbrücker Schule Museum; Informationen Heimatverein Wiedenbrück-Reckenberg; Die Glocke, 20.11.2008