Eine der bedeutendsten Archivalien-Sammlungen zum Kirchenkampf im „Dritten Reich“ droht nach und nach zu zerfallen. Jetzt wird die sog. Sammlung Wilhelm Niemöller des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen durch ein Entsäuerungsverfahren gerettet.
Das Land NRW begründete im Jahr 2006 eine landesweite Initiative zum Substanzerhalt von Archivgut. Durch ihre Massenentsäuerung können brüchige Archivalien für die Zukunft gesichert werden. An der von den Landschaftsverbänden umgesetzten Landesinitiative beteiligt sich ebenfalls das Stadtarchiv und die Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld. Dies fungiert zugleich als Unterzentrum zur Vorbereitung des Archivgutes. Zuletzt wurden hier mehrere hundert Akten der Bielefelder Kirchenkampfsammlung vorsortiert, geglättet und umgebettet.
Bei der Kirchenkampfsammlung des Landeskirchlichen Archivs Bielefeld handelt es sich um einen umfangreichen und historisch wichtigen Bestand zur Erforschung der kirchenpolitischen Auseinandersetzungen zwischen der Bekennenden Kirche und den sog. Deutschen Christen in der Zeit des Nationalsozialismus seit 1933. Sie wurde angelegt vom Bielefelder Pfarrer Wilhelm Niemöller, dem Bruder des bekannten NS-Regimegegners und Theologen Martin Niemöller. 1963 übernahm das Landeskirchliche Archiv die Sammlung und erschloss diese über mehrere Jahre inhaltlich für die kirchengeschichtliche Forschung.
Papier ist jedoch alles andere als geduldig. Es ist hingegen sauer, wenn es aus dem Zeitraum von 1840 bis etwa 1980 stammt. In diesen Jahren wurden Papiere aus holzhaltigen Stoffen anstelle von hochwertigen Gewebefasern sowie mit Harzen anstelle von tierischen Leimen produziert. Diese Papiere bilden in Verbindung mit Feuchtigkeit jedoch Säuren. Die Folge ist ein kontinuierlicher Papierzerfall; das Papier wird braun und brüchig.
Nur die Entsäuerung kann das Archivgut vor dem schleichenden Zerfall bewahren. In einem seifigen Bad werden die Säuren neutralisiert, dabei die Schrift, die Tinten und die Stempel aber nicht abgelöst. Eine Spezialfirma in Brauweiler betreibt die Entsäuerungsanlage, die Blatt für Blatt in den gewünschten alkalischen Bereich (ph-Wert ca. 8) bringt und anschließend trocknet.
Das gesamte Verfahren dauert mehrere Wochen und Monate, eine Zeit, in der das Landeskirchliche Archiv aber gern auf die Rückkehr seines Archivgutes nach Bielefeld wartet. Die Landesinitiative Substanzerhalt ermögliche es den nichtstaatlichen Archiven, wertvolles Kulturgut zur Geschichte des Landes zu erträglichen Konditionen zu erhalten. Die Kosten für die Entsäuerung in Höhe von mehreren zehntausend Euro tragen das Land und die Evangelische Kirche von Westfalen anteilig. Die Bielefelder Kirchenkampfsammlung umfasst rund tausend Akten in 320 Archivkartons. Die ersten 91 Kartons sind nunmehr entsäuert, die nächsten 67 Kartons wurden am 12. September aus ihrer Vorsortierungsstelle im Stadtarchiv Bielefeld abgeholt und nach Brauweiler verbracht. Zeitgleich gingen weitere Archivalien des Stadtarchivs Bielefeld mit auf den Weg zur Massenentsäuerung.
In einigen Monaten können die Forscher wieder mit den restaurierten Unterlagen arbeiten.
Kontakt:
Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen
Ritterstraße 19
33602 Bielefeld
0521/594296
archiv@lka.ekvw.de
www.archiv-ekvw.de