Das Radio der Natur

Die Jahre der Weimarer Republik erlebten einen Aufschwung zahlreicher ‚okkulter’ Wissenssysteme und brachten eine Vielzahl wissenschaftlicher Subkulturen hervor. Hierzu zählte auch die illustre Riege der Pendel-Forscher, in der sich interessierte Laien und Spezialisten (Ärzte, Naturwissenschaftler, Ingenieure usw.) trafen. Einige Spuren ihrer Aktivitäten finden sich im Archiv des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP)

Die professionelle Verwendung des so genannten Siderischen Pendels sollte nach Meinung dieser Forscher dazu dienen, Vorhersagen zu treffen, Krankheiten zu behandeln, Kriminalfälle zu klären, Bodenschätze zu finden, und vieles andere mehr. Der Schriftsteller Frank Glahn bezeichnete 1925 das Pendel als „Radio der Natur“, dessen Möglichkeiten es sinnvoll einzusetzen gelte. 

\"Werbeprospekt

Abb.: Werbeprospekt „Siderischer Einheits-Pendel-Apparat“ (1920er Jahre) [IGPP-Archiv, 10/4/II,4] 

Parallel zur inhaltlichen Diskussion entwickelte sich ein Verkaufsmarkt für Pendel-Produkte. Mitte der 1930er Jahre kam es schließlich unter der Ägide des völkischen Verlegers Christoff Dietrich (alias Karl Dietz) zur Gründung der „Gesellschaft für wissenschaftliche Pendelforschung“, die eine eigene Schriftenreihe und eine Zeitschrift Wissenschaftliche Pendelforschung ins Leben rief sowie Expertentagungen veranstaltete. 

Die Konzepte der Pendelforscher und -praktiker standen durchgängig unter kritischer Beobachtung und wurden zudem seitens der Strafbehörden eingehend observiert. Etwa waren selbsternannte Heilpraktiker, die mit Hilfe des Pendels gegen Entgelt medizinische Diagnosen stellten, stets gefährdet, mit der Rechtsordnung in Konflikt zu kommen. So auch Karl Josef Kessler, der in Freiburg i. Br. zu Anfang der 1930er Jahre ein „Naturopathisches Heilinstitut“ führte und dort im Zuge eines Gerichtsverfahrens sogar von leitenden Ärzten der Universitätsklinik getestet wurde. 

Kontakt:
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.
Institutsarchiv
Uwe Schellinger M.A.
Wilhelmstraße 3a
79098 Freiburg i.Br
0761/2072161
schellinger@igpp.de
www.igpp.de

Quelle: Uwe Schellinger, Schaufenster ins IGPP-Archiv, Nr. 07.08-08, 15.7.2008

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