Stadt Witten pflegt aktive Erinnerungskultur

„Gut ist aber zu wissen, dass es in Witten eine aktive Erinnerungskultur gibt und junge Menschen an der Geschichte des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung interessiert sind.“ Mit diesen Sätzen verabschiedet sich der in Sydney lebende Dr. John Albert Roberts nach seinem Besuch am 18.7.2008 in Witten. Vor 25 Jahren war er das erste Mal mit seiner Familie in Witten, um im Stadtteil Annen das Wohn- und Geburtshaus seines Vaters Heinz-Albert Rosenthal und das Kaufhaus „Gebrüder Rosenthal“ seiner Großeltern Siegmund und Elise Rosenthal in der Bebelstraße zu besichtigen. Der 64jährige Australier ist praktischer Arzt und Psychiater, mit einer Schweizerin verheiratet und Vater von fünf Kindern. Begleitet wurde er von Georg Meirik und Gerda-Marie Möller aus Reken, die ihn bei der Suche nach den Wurzeln seiner Familiengeschichte schon seit Jahren unterstützen. 

Der Besuch in der Ruhrstadt begann im Stadtarchiv Witten. John Albert Roberts konnte dort Dokumente zur Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde Annens ebenso einsehen wie Personenstandsverzeichnisse aus dem 19. Jahrhundert mit den Namen der Menschen, die damals in den Häusern Bebelstraße 7 und 9 lebten. Auch interessierten ihn die Forschungsergebnisse von Dr. Martina Kliner-Fruck, die in dem Gedenkbuch der Stadt Witten „Vergessen kann man das nicht“ 1991 veröffentlicht wurden. Mehr als 20 Verfolgungsschicksale der Rosenthals aus Annen und Stockum sind darin dokumentiert. Die Gewerbesteuer-Akte der Gebrüder Rosenthal aus den 1920er Jahren faszinierte ihn besonders. 

Nach dem Archivbesuch ging es am Freitag auf eine kleine Exkursion: In der Bebelstraße findet Dr. Roberts in einem Hinterhof das Gebäude, in dem das Geflügel für die „Rosenthal-Betten“ entfedert wurde. Traurig blickt er auf das ehemalige Kaufhaus Rosenthal, von dem er sich gewünscht hätte, es wäre besser erhalten und stände unter Denkmalschutz. Als er in dem einen oder anderen Geschäft erzählt, er sei der Enkel von Siegmund Rosenthal, wird er freundlich empfangen. „Mein Großvater war sehr beliebt, sehr deutsch-national“, erinnert sich John Albert Roberts. Er und Martina Kliner-Fruck diskutieren über die Ereignisse in der Reichspogromnacht 1938. In der Nacht zum 10. November wurden Siegmund und Elise Rosenthal sehr schwer von SS-Leuten misshandelt. Zu diesem Zeitpunkt war Heinz Rosenthal, Dr. Roberts Vater, bereits nach Australien geflüchtet. Siegmund Rosenthal hatte kein Verständnis dafür, warf seinem Sohn „Verrat am deutschen Vaterland“ vor. Nach der so genannten Kristallnacht und den Misshandlungen, von denen den Eheleuten schwere körperlichen Folgen blieben, schrieb Siegmund Rosenthal seinem Sohn nach Sydney – wegen der Zensur verschlüsselt – , sie hätten einen schweren Autounfall gehabt. Er möge sie nach Australien holen. 

John Albert Roberts besucht auch den jüdischen Friedhof in Annen. Seit seinem letzten Besuch weiß er, dass in der Nazi-Zeit alle Grabsteine zerstört und entfernt wurden und er erinnert sich an einen Gedenkstein. Überrascht ist er, auf einem zweiten Gedenkstein die Namen der ehemals auf dem Friedhof Bestatteten Jüdinnen und Juden zu finden – darunter ist auch der Name seines Urgroßvaters Isaak Rosenthal. „Wir konnten die Namen aus überlieferten Friedhofsunterlagen recherchieren“, berichtet die Leiterin des Stadtarchivs. „1992 hat dann der Rat der Stadt Witten die Errichtung des zweiten Gedenksteins entschieden. Ein Jahr später entstand dann das ‚Synagogendenkmal’ an der Ecke Breite Straße / Synagogenstraße.“ 

Kontakt
Stadtarchiv Witten
Ruhrstraße 69
58452 Witten
Tel.: 02302 / 581 – 2415
Fax: 02302 / 581 – 2497
stadtarchiv@stadt-witten.de 

Quelle: Pressemitteilung Universitätsstadt Witten, 21.7.2008

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