Als Rebell und Revolutionär, kritischer Publizist, Literat und Philosoph, Zentralfigur des deutschen Vormärz, Herausgeber der Halleschen und Deutschen Jahrbücher mit Theodor Echtermeier 1838-1845 und der Deutsch-Französischen Jahrbücher in Paris mit Karl Marx 1844 ist Arnold Ruge in die Geschichtsbücher eingegangen. Er dachte als Europäer und Demokrat quer zur Mehrheitsmeinung des Parlaments in der Paulskirche. Für ihn war ein demokratisches Deutschland nur innerhalb der Familie freier europäischer Völker denkbar. Der 1802 auf Rügen geborene Ruge studierte in Halle Philologie, und habilitierte sich dort über Platons Ästhetik, kam 1824 wegen Mitgliedschaft in der Burschenschaft in Festungshaft, ging dann über die Schweiz nach Paris. 1848 gehört Ruge als liberaler Abgeordneter aus Breslau zum Paulskirchenparlamet, gründet die bald verbotene Zeitung \“Die Reform\“ und nimmt aktiv an der Berliner Revolutionsbewegung 1848/49 teil, geht dann ins Exil zunächst nach Paris, später ab 1850 nach Brigthon, wo er 1880 im Alter von 78 Jahren stirbt.
Er wäre erstes deutsches Staatsoberhaupt geworden, berichtet der preußische Geheimdienst nach dem Scheitern der Berliner Revolution 1849 über Arnold Ruge, dem führenden Vertreter der Liberalen im Frankfurter Paulskirchenparlament. Doch das Parlament zog es letztlich vor, dem preußischen König die Krone anzubieten. Nicht nur diese Hintergrundinformation liefert bislang unbekanntes Material aus dem erst nach dem Mauerfall zugänglichen Preußischen Geheimen Staatsarchiv Berlin. Es erweitert auch den Blick auf das damalige politische Geschehen, jetzt nachzulesen in den Bänden eins und fünf der seit 1985 von Prof. Dr. Hans-Martin Sass (Institut für Philosophie, Bochum, Washington DC) herausgegeben zwölfbändigen Reihe \“Arnold Ruge, Werke und Briefe\“. Damit stehen nun insgesamt neun Bände zur Verfügung.
Band 1: Ruge gestaltet Kommunikationskultur
Arnold Ruge war als Student in der freiheitlichen demokratischen burschenschaftlichen Studentenbewegung aktiv und wurde deshalb für mehrere Jahre zu Gefängnis- und Festungshaft verurteilt. Vor der Verurteilung musste er 1824 Klausurarbeiten zu den Themen \“Über Wort und Treue\“ und \“Volksentscheid ist durch keine Verbindung Einzelner zu erreichen\“ sowie vor der Prüfung auf vorzeitige Entlassung 1826 zum Thema \“Nähere Beleuchtung des Verhältnisses zu dem Bunde und der Art, wie ich in denselben verwickelt war\“ schreiben. Neben diesen unter Aufsicht verfassten Schriften enthält der erste Band frühe Dichtung und die \“Ästhetik des Komischen\“, angefügt ist zudem eine Bibliographie der Schriften Ruges. Wie kaum ein anderer Literat, Philosoph, Journalist und Politiker seiner Zeit nutzt Ruge ein breites Spektrum von Informations- und Aufklärungsmedien und gestaltet dabei die Kommunikationskultur einer sich entwickelnden Informationsgesellschaft mit.
Band 5: Ruges Blick auf die \“linke Szene\“
Mit dem Band fünf der Reihe wird nun erstmals auch das Zensurgutachten zu Ruges harmlos klingender Schrift von 1844 \“Zwei Jahre in Paris\“ veröffentlicht. Sie ist jedoch eine detaillierte Darstellung der französischen sozialistischen und kommunistischen Bewegungen und kritisiert die deutschen und insbesondere die preußischen politischen Zustände. Die preußischen Zensurbehörden erließen daraufhin eine Verfügung, nach der die Publikation umgehend und überall konfisziert werden musste. Grundlage des Erlasses war ein ausführliches Gutachten, das Ruge Seite für Seite kriminalisierte, indem es ihm Majestätsbeleidigung oder die Verunglimpfung Preußens zuschrieb. Auch dieses Gutachten, dass in der Einleitung zu Band fünf wiedergegeben wird, fand der Herausgeber im Preußischen Geheimen Staatsarchiv. Band 12 der Reihe ist für 2009 angekündigt mit bisher unveröffentlichten Briefen von und an Ruge zu den politischen und journalistischen Aktivitäten der demokratischen und liberalen Opposition im 19. Jahrhundert.
Info:
Arnold Ruge, Werke und Briefe in 12 Bänden, Hg. v. Hans-Martin Sass.
Band 1: Gefängnisaufsätze, Frühe Dichtung, Ästhetik des Komischen; Band 5: Zwei Jahre in Paris 1843-1845. Bd. 1 und Band 5 hg. v. Juliane Brenscheidt und Hans-Martin Sass, Scientia Verlag, 2008.
Kontakt:
Institut für Philosophie der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Hans-Martin Sass
Dr. Juliane Brenscheidt
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Tel.: 0234 / 32 – 22749
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juliane.brenscheidt@rub.de
Quelle: idw, 17.6.2008