Knapp eine halbe Million Spruchkammerakten liegen im Staatsarchiv Ludwigsburg und geben Auskunft über ebenso viele Schicksale während der NS-Zeit. War die Recherche bisher recht umständlich, so erleichtert nun die digitale Erfassung den Zugriff ganz wesentlich.
Nachdem die Verzeichnung der fast 500.000 Entnazifizierungsakten im Staatsarchiv Ludwigsburg vor kurzem abgeschlossen wurde, können in der nächsten Zeit die Teile der Findbücher, die keinen archivrechtlichen Sperrfristen mehr unterliegen, im Internet zugänglich gemacht werden. Im Online-Archivinformationssystem des Landesarchivs Baden-Württemberg sind künftig die Akten derjenigen Personen, deren Geburtsdatum mindestens 110 Jahre zurückliegt, nachgewiesen.
Viele Jahre hat es gedauert, bis die 500.000 Akten aus dem Bereich des Regierungsbezirks Stuttgart vollständig in einer Datenbank aufgenommen waren. Bis zu zwei Stunden habe man bisher gebraucht, um eine Akte über die zahlreichen, unvollständigen Karteien zu suchen, schätzt Dr. Stephan Molitor, der im Staatsarchiv für die Aktenerschließung zuständige Referatsleiter. Jetzt, nach Abschluss des Mitte 1999 begonnenen Projekts, benötige man via Mausklick nur noch Sekunden.
Benutzer finden die Findbücher über die Verfahrensakten der verschiedenen Spruchkammern in der Liste der Online-Findbücher oder direkt in der Beständeübersicht unter den Beständen aus dem Ressort des Befreiungsministeriums. Ist die Spruchkammer, vor der der Fall verhandelt wurde, nicht bekannt, kann für Recherchen nach einer Akte auch die Gesamtsuche eingesetzt werden, wobei im Erweiterten oder Expertenmodus zweckmäßigerweise als Archivalientyp \“Spruchkammerakte\“ markiert werden sollte. Die ermittelten Akten können danach mit Hilfe des elektronischen Bestellsystems zur Einsichtnahme in den Lesesaal vorbestellt werden. Wer eine Kopie der Akte wünscht oder nicht fündig wird (z. B. weil das Geburtsdatum der gesuchten Person noch nicht 110 Jahre zurückliegt), kann sich direkt an den Lesesaal des Staatsarchivs Ludwigsburg wenden (Tel.: 07141/18-6337 oder 18-6338, email: staludwigsburg@la-bw.de).
Die verschiedenen Findbücher werden sukzessive im Internet freigeschaltet, beginnend mit den bereits online verfügbaren Akten der Heimatspruchkammer in Ludwigsburg (Bestand EL 902/15).
Archivleiter Dr. Peter Müller bezeichnet es als eine der größten Herausforderungen des Archivs, diese und viele weitere, zumeist personenbezogene Dokumente aus der Nachkriegszeit – ob Volkszählungsakten, Akten über Vermögenskontrolle und -rückerstattung, Entnazifizierung oder Wiedergutmachung – für künftige Generationen konservatorisch zu erhalten und mit modernen elektronischen Mitteln recherchierbar und damit leichter zugänglich zu machen.
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Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg, Pressemitteilung, 19.2.2008; Uwe Mollenkopf, Bietigheimer Zeitung, 14.2.2008