Das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr ist bemüht, durch aktive Akquise Unterlagen von Vereinen, Verbänden, Privatpersonen und gesellschaftlich relevanten Gruppen sowie von Wirtschaftsunternehmen zu erhalten. Auf diese Weise wächst das \“Gedächtnis der Stadt\“ in viele Richtungen und trägt zur Erhaltung der Erinnerung an vergangene Lebenswelten und -wirklichkeiten bei. Angesichts des 200-jährigen Stadtjubiläums von Mülheim an der Ruhr stellt nun die Sparkasse ihre historischen Dokumente in Form von über 100 Journalen, Protokoll-, Geschäfts- und Kassenbüchern, 24 Aktenordnern mit Geschäftsberichten, innerbetrieblichen Verfügungen, Berichten und Schriftverkehr sowie eine umfangreiche Fotosammlung dem Mülheimer Stadtarchiv zur Verfügung.
\“Dass es gelungen ist, mit der Sparkasse Mülheim an der Ruhr eine Übereinkunft zu treffen, die historischen Unterlagen der Sparkasse dem Stadtarchiv als Depositum anzuvertrauen, ist vor dem Hintergrund des aktuellen und zukünftigen Auftrags des Archivs ein wichtiger Moment.\“ Mit diesen Worten dankte Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Jörg Enaux, für die Überlassung der Dokumente. \“Mit der Übergabe der Unterlagen können diese erstmals der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Vor allem für wirtschaftshistorische Untersuchungen dürfte hier manche Erkenntnis zu gewinnen sein,\“ so die OB.
Dass diese Unterlagen nicht nur bewahrt, sondern auch erschlossen und der wissenschaftlichen sowie privaten oder heimatkundlichen Forschung zur Verfügung gestellt werden, wird durch das Stadtarchiv ermöglicht. Diese zentrale Aufgabe des Archivs soll ebenso wie die aktive Akquise im zukünftigen Haus der Stadtgeschichte weiter ausgebaut und vorangebracht werden. Damit kann sich das Archiv in wachsendem Maße zu einem Haus der gesamten Stadtgeschichte entwickeln. Dass in Mülheim gerade die Wirtschaftsgeschichte einen besonderen Ort gefunden hat, beweist nicht zuletzt die im nächsten Jahr anstehende Eröffnung des Gründer- und Unternehmermuseums im Haus der Wirtschaft. Das Stadtarchiv ist stolz und dankbar, künftig mit den Unterlagen der Sparkasse einen wichtigen Quellenbestand gerade auch für dieses Forschungsfeld vorhalten zu können.
In diesem Jahr blickt die Sparkasse Mülheim an der Ruhr auf ihr 165-jähriges Bestehen zurück. Im \“Boten für Stadt und Land im Kreise Duisburg\“ wird die Eröffnung der Sparkasse unter dem 19. Februar 1842 bekannt gemacht. Hier heißt es: \“ Durch das gemeinnützige Institut Sparkasse ist einem dringenden Bedürfnis hiesiger Bürgermeisterei, wo ein großer Teil der Bevölkerung aus der arbeitenden Klasse besteht, abgeholfen; Handwerker, Schiffer, Tagelöhner usw., die insbesondere in den Sommermonaten hier einen nicht unbedeutenden Verdienst haben, werden den Zweck der Sparkasse, ihre Erübrigungen stets sicher und zinsbar unterbringen zu können, nicht verkennen und dieselbe in der Zeit benützen, damit sie und ihre Familien in der Not nicht zu darben brauchen; Gesellen und Dienstboten finden Gelegenheit, durch, wenn auch kleine Einlagen, die Kosten zu etwaigen Einrichtungen vor und nach zu sammeln und bei Krankheiten oder sonstigen Unglücksfällen nicht sofort die Mildtätigkeit ihrer Nebenmenschen anflehen zu müssen…!
Im ersten Journal und Hauptbuch der Sparkasse ist nachzulesen, dass der Fabrikarbeiter Wilhelm Horstkamp am 27. Februar 1842 66 Taler, 9 Silbergroschen und 6 Pfennig auf das \“Bescheinigungsbüchelchen Nr. 1\“ einzahlte. Dies war der erste Geschäftsvorfall und damit die Geburtsstunde der Mülheimer Sparkasse. Noch war Mülheim zu dieser Zeit ein Städtchen mit rund 9.000 Einwohnern. Noch bestimmten Landwirtschaft, Handel, Handwerk und Gewerbe das Wirtschaftsbild der Region. Doch eine neue Zeit bahnte sich an. Die Industrialisierung mit ihrer rasanten Entwicklung des Ruhrgebietes, aber auch vielfältigen sozialen Problemen stand bevor. Die Stadt, ihre Bewohner und die damalige \“Städtische Sparkasse zu Mülheim an der Ruhr\“ schickten sich an, die Zukunft Mülheims gemeinsam zu gestalten. Seit dem Gründungsjahr 1842 hat das älteste Kreditinstitut Mülheims – entsprechend der wechselvollen Geschichte in Deutschland – wirtschaftliche Höhen und Tiefen erlebt. Vor allem die Kriege (1870-71, 1914-18, 1939-45) verhinderten eine kontinuierliche Geschäftstätigkeit. Dennoch entwickelte sich die Sparkasse im Laufe der Jahre zum weitaus größten Bankunternehmen \“am Platze\“.
Insofern ist die Sparkasse ein wichtiger Bestandteil der Mülheimer Wirtschaftsgeschichte. Ein Grund mehr, die noch vorhandenen Dokumente der Entwicklung der Sparkasse von der ursprünglichen \“Kasse für den Notgroschen\“ zum modernen Kreditinstitut dem Mülheimer Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. In der Präambel des \“Depositalvertrages\“, den Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld und der Vorsitzendes des Sparkassenvorstandes Jörg Enaux am 12. November 2007 unterzeichneten, heißt es: \“Die Sparkasse Mülheim an der Ruhr hat seit ihrer Gründung im Jahre 1842 stets eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Stadt Mülheim an der Ruhr gespielt, die sich auch in ihren historischen Unterlagen niederschlägt. Da das Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr über die historische, archivarische und konservatorische Kompetenz verfügt, diese Unterlagen zu bewerten, zu erschließen, dauerhaft zu sichern und öffentlich zugänglich zu machen, sollen sie zukünftig dort hinterlegt werden.\“
Vorstandschef Enaux wies darauf hin, dass die damaligen Sparmotive im übertragenen Sinn auch heute große – ja sogar stetig wachsende – Bedeutung haben. Das Vorsorgesparen für die Alterssicherung und für unvorhergesehene Notsituationen sowie das Zwecksparen für bestimmte Anschaffungen sind auch heute die wesentlichen Gründe für die Kunden, ihr Geld auf die hohe Kante zu legen. Dass dies bei der Sparkasse besonders sicher geschieht, hat sich seit ihrer Gründung Mitte des 19. Jahrhunderts nicht verändert. Der Haftungsverbund der Sparkassen garantiert – wie früher die Gewährträgerhaftung – den hundertprozentigen Schutz der Kundeneinlagen ohne betragsmäßige Begrenzung.
Die Sammlung zeigt auch die rasante Entwicklung der Dokumentation von Geschäftsvorfällen und archivierungspflichtigen Vorgängen. So wurde bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Buchführung und Rechnungslegung in der Regel handschriftlich dokumentiert. Erst dann setzten sich langsam mechanische, später auch elektrische Rechen- und Buchungsmaschinen durch. So wurden zum Beispiel 1935 erstmals maschinelle Buchungen in der Darlehensabteilung durchgeführt. Anfang der 50er Jahre war die Sparkasse Mülheim eine der ersten im Rheinland, die das so genannte \“Lochkartenbuchungsverfahren\“ als neuzeitliches Organisations- und Buchungsmittel einführte. 10 Jahre später wurde die erste \“elektronische Datenverarbeitungsanlage\“ vom Typ IBM 421 angeschafft und die Zinsrechnung und Buchungskontrolle im Sparverkehr sowie die gesamte Zinsrechnung im Kontokorrentverkehr auf die neue EDV-Anlage übertragen. Wieder 10 Jahre später (1971) vollzog sich mit Einführung der Bankleitzahl und maschinenlesbaren Belegen ein wichtiger Schritt in Richtung Automation des Zahlungsverkehrs. Nach Einführung der bargeldlosen Gehaltszahlungen hatte sich in nur 10 Jahren die Zahl der Girokonten auf nahezu 70.000 verdreifacht und die Zahl der Sparkonten auf etwa 190.000 verdoppelt. Diese Entwicklung machte die Inbetriebnahme einer Magnetbandeinheit erforderlich, die im so genannten Datenträgeraustausch mit der WestLB und einigen Großfirmen eine schnellere Datenübermittlung ermöglichte. 1983 gab die Sparkasse ihr eigenes Rechenzentrum auf und leitete alle wesentlichen Datenverarbeitungsanwendungen auf das Sparkassen-Rechenzentrum-Rheinland über. Schon bald werden bei der Rechtsnachfolgerin, der Sparkassen-Informatik (SI) nach Überleitung der bayerischen Sparkassen 300 Sparkassen in Deutschland mit einer kumulierten Bilanzsumme von rund 700 Milliarden Euro und 185.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer einheitlichen IT-Lösung betreut.
Die Archivierung der Dokumente erfolgt zunehmend – in Teilbereichen ausschließlich – in elektronischer Form. Ziel ist es, Arbeitsprozesse zu optimieren und wo immer es geht die benötigten Informationen online zu erhalten. Im \“elektronischen Büro\“, bei der Vertriebsunterstützung und der Umsetzung von Kundenaufträgen wird heute weitgehend auf herkömmliche Akten verzichtet. Diese fortschreitende Entwicklung bei den Arbeitsabläufen und in der Archivierungstechnik, prägt das Know-how und die Einstellung vor allem der jüngeren MitarbeiterInnen. Es gibt nur noch wenige im aktiven Dienst befindliche MitarbeiterInnen, die ein Gespür für haushistorisch wertvolle Unterlagen entwickeln oder die Unternehmensgeschichte der Sparkasse über mehrere Generationen nachvollziehen können.
Nicht zuletzt auf Anregung des langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Dr. Rolf Schaberg, habe man sich deshalb entschlossen, die noch vorhandenen historischen Bücher und Dokumente dem Mülheimer Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. Hier können die erhaltenswerten Unterlagen sachgerecht und sorgfältig aufbewahrt, katalogisiert und – wenn nötig – restauriert werden, um den dauerhaften Erhalt zu sichern.
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Quelle: Stadt Mülheim an der Ruhr, Pressemeldung, 13.11.2007