Filme in Archiven: Sammeln – Sichern – Sichten. Bericht von der öffentlichen Fachtagung des AK Filmarchivierung in NRW

Die außergewöhnliche Bedeutung, die das Medium Film inzwischen in der Archivarbeit beansprucht, unterstrichen die überaus starke Beteiligung an der Tagung "Filme in Archiven: Sammeln – Sichern – Sichten" ebenso wie die lebhafte Diskussion nach den Referaten und die intensiven Fachgespräche in den Pausen und vor allem auf dem „Markt der Möglichkeiten“.

Mehr als 80 (zahlende) Teilnehmer waren der Einladung des AK Filmarchivierung NRW in die nicht nur landschaftlich schön gelegene, sondern auch tagungstechnisch bestens ausgestatte Katholische Akademie Schwerte/Ruhr, die von dem AK-Mitglied Dr. Johannes Horstmann geleitet wird, gefolgt. Der 1991 vom damaligen Kulturministerium initiierte Arbeitskreis sorgt sich um das audiovisuelle Kulturerbe des Landes und versucht ihm die Zukunft zu sichern. Er hat bisher zwei große Erfassungsmaßnahmen, deren Ergebnisse in gedruckter Form vorliegen, durchgeführt; eine dritte, noch umfangreichere, ist vor wenigen Wochen angelaufen. Außerdem präsentiert er historische Filme in der Öffentlichkeit und sensibilisiert diese für den Wert historischer Filme.

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In der Erkenntnis, dass in vielen Archiven des Landes Roll- und Videofilme in heute nicht gebräuchlichen Formaten verwahrt werden, die aufgrund fehlender Abspielgeräte nicht präsentiert werden können und denen wegen schlechter klimatischer Lagervoraussetzungen die Vernichtung droht, hatte er zu der Informationsveranstaltung eingeladen.

Frau Dr. Sabine Lenk, Leiterin des Filmmuseums der Landeshauptstadt Düsseldorf und Sprecherin des Arbeitskreises Filmarchivierung in NRW, stellte in ihren Ausführungen das Medium Film vor. Sie behandelte die verschiedenen Trägerarten und ihre Eigenschaften. Dabei wurden die Probleme der optimalen Lagerung ebenso berücksichtigt wie die Folgen einer falschen Lagerung am Objekt veranschaulicht. Ein sachgerecht behandelter und gelagerter Film, daran ließ die Referentin keinen Zweifel, ist ein seit nunmehr über 110 Jahren zuverlässiger Archivierungsträger, der in vielen Fällen wichtiges Kulturgut speichert, das ihn äußerst sammelns- und schützenswert macht.

Dr. Ralf Springer, Projektmitarbeiter des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, stellte die im Entstehen begriffene Filmdatenbank vor, die zunächst die (meist) von Vereinen und Privatpersonen gemachten Filme des Münsterlandes, später die des gesamten Landes Westfalen-Lippe erfasst, erschließt und kopiert. Die Abgabestellen erhalten eine Video-DVD, während der Rollfilm auf Wunsch im klimatisierten Magazin des Landschaftsverbandes verwahrt wird. Die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Verwendung der Datenbank auch für die Erfassung und Erschließung der Filme des Rheinlandes sollen nach Abschluss der Pilotphase geprüft werden.

Prof. Dr. Rainer Polley, Dozent der Archivschule Marburg, erwies sich einmal mehr als kompetenter Referent für das ebenso komplexe wie differenzierte Urheberrecht. Filmgut (soweit nicht als Sicherheitsverfilmung von Akten verwendet) gehört zu den ergänzenden Sammlungen der öffentlichen Archive und ist damit auch öffentliches Archivgut. Zur Bewertung schutzwürdiger Belange ist u. a. von Bedeutung, ob die Filme bereits bei ihrer Entstehung für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Schutzwürdige Belange einer Person können bis 70 Jahre nach dem Tode von vielen an der Filmproduktion beteiligten Personen eine Rolle spielen. Der Referent veranschaulichte dies an mehreren Fällen seiner langjährigen Praxis.

Die rege Diskussion der Referate zeigte nachdrücklich, dass bei der sachgerechten Archivierung von Filmmaterial und dessen Präsentation noch ein großer Nachholbedarf besteht; jedoch auch, dass der Wert des Films als Teil des kulturellen Erbes mehr und mehr erkannt wird und entsprechende Anstrengungen unternommen werden, um dieses dauerhaft zu sichern und zugänglich zu halten. Dazu trägt das Land NRW maßgeblich bei, in dem es auf Antrag bis zu 50 Prozent der Kosten für die Kopie wertvollen Filmgutes übernimmt, und zwar im Gesamtumfang von 300.000,- Euro für insgesamt drei Jahre.

Großen Zuspruch verzeichnete auch der „Markt der Möglichkeiten“ mit seinen vielen Beispielen aus der Archivpraxis. Das Filmmuseum Düsseldorf stellte die Filmformate von 70 mm bis Normal- und Super 8 vor, zeigte die verschiedenen Bild- und Tonformate sowie Trägermaterialien und präsentierte Filme in unterschiedlichen Erhaltungszuständen, demonstrierte sachgerechtes Filmkleben und informierte mit Film und CD-ROM über die Arbeit von Kopierwerken.

Die Abteilung Dokumentation und Archiv des WDR zeigte mittels Beispielen die gängigen und nicht mehr verwendeten Videosysteme einschließlich Tonband und nahm fundiert Stellung zu Fragen, die den Umgang mit Videoformaten sowie Videoüberspielung und die damit verbundenen Kosten betreffen. Die Präsentation von Filmen gab einen Ausblick auf die Möglichkeiten der Auswertungen eines Filmarchivs und seiner „Schätze“. Ausgehend von multimedialen Beispielen verschiedener audiovisueller Medien wie DVD oder Internetpräsentationen wurde zum einen gezeigt, wie unterschiedliche Filmmaterialien – in den richten Kontext gesetzt – verarbeitet und auf diese Weise einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Andererseits wurde anschaulich gemacht, wie durch die Einbindung von Materialien anderer Sammlungen, z. B. Fotos, Schriftgut, ein neuer Gesamtzusammenhang entsteht und das Interesse an den verschiedenen Teilen steigern kann.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe führte in den Aufbau und die Funktionsweise der bereits im Vortragsteil der Veranstaltung präsentierten „Filmdatenbank“ ein und beschäftigte sich mit den Themen „Erfassung“ und „Aufbereitung“ von Daten und Datenbanken. Außerdem wurde am Beispiel von DVDs aus der Film-Reihe des Landschaftsverbandes demonstriert, wie Filme zugänglich gemacht werden können. Der Schwerpunkt setzte hier die Praxis der Vorbereitung (Kosten, Arbeitsschritte) und die Möglichkeiten der Aufbereitung von Material, das gewöhnlich einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich ist (z. B. Amateurfilme, orphan films, historisch wertvolle, jedoch extrem kurze Filmwerke). Auch die Kooperationsmöglichkeiten zwischen dem Landschaftsverband und den Besitzern von Filmen wurden häufig diskutiert.

Der Beitrag der Oberhausener Kurzfilmtage betraf das von diesen betriebene Digitalisierungsprojekt. Gezeigt wurden ein rotstichig gewordener Film und seine neue farbkorrigierte digitale Version auf DVD.

Der Arbeitskreis Wirtschaftsarchivare des Ruhrreviers informierte über das laufende Projekt einer detaillierten Erfassung von Filmen aus den 1960er Jahren und stellte das neue Programm von „IndustrieFilm Ruhr“, das unter dem Thema „Das bewegte Ruhrgebiet – Das Ruhrgebiet bewegt“ am 27./28. Oktober 2007 in Essen präsentiert wird, vor. Zugleich informierte er über die Veranstaltungen und Veröffentlichungen der Vergangenheit, insbesondere über das Bestandsverzeichnis der Filme aus den 1950er Jahren und die Veröffentlichung „Industriefilm – Medium und Quelle“.

Das Kopierwerk CINECO aus Neuss informierte über Preise, die bei Umkopierung und Digitalisierung von Filmen anfallen.

Veranstalter und Teilnehmer zogen ein überaus positives Fazit und waren übereinstimmend der Auffassung, dass dies nicht die letzte Veranstaltung zum Archivgut „Film“ gewesen sein darf.

Horst A. Wessel, 4. Oktober 2007

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