Am 28. September 2007 wurde im Stadtarchiv Wiesbaden die Ausstellung „Kindheit in der Kaiserzeit – Kindheit um 1900“ eröffnet. Im Rahmen des Historismus-Jahres sollen damit die Lebensbedingungen der Wiesbadener Kinder in der Zeit um 1900 dargestellt werden, über die sonst, gerade wenn sie unteren Schichten entstammten, nur wenig bekannt ist. Für den Eröffnungsvortrag konnte Dr. Imbke Behnken von der Universität Siegen gewonnen werden, eine hervorragende Kennerin der Materie. Sie hat seit vielen Jahren Wiesbadener Kindheiten erforscht, deren Bandbreite mit Schlagworten wie „mit dem Kinderfräulein im Garten“ und „mit den Nachbarskindern auf der Straße“ angedeutet werden können. Die Ausstellung zeigt sehr deutlich: Kindheit war nicht gleich Kindheit. Das Leben der einen war geprägt von Reichtum, Kindermode im Matrosen-Look sowie kostspielige Spielsachen, während Kinder etwa aus dem Bergkirchen-Viertel in Hinterhöfen und Gassen mit Blechbüchsen an Stelle von Fußbällen kickten. Sehr groß war auch die Zahl der Kinder, deren Leben von Armut und Unterversorgung bestimmt war. Während ärmere Kinder vielfach sich selbst überlassen waren, gab es für Bessergestellte sorgsam angeleitete Ausflüge in die Natur, sie füllten eifrig ihre Botanisiertrommeln oder führten ihre Puppen in Privatgärten aus.
Kulturdezernentin Rita Thies erläuterte: „Diese ganz unterschiedlichen Kinderwelten im Wiesbaden des 19. Jahrhunderts bis zum Kriegsende 1918 bringt die Ausstellung uns nah – mit zahllosen Originalfotografien, Säuglingsausstattung, Kinderspielzeug und -bekleidung, Fibeln und Märchenbücher sowie Daten, Fakten und Erläuterungen, die bei der Einordnung dieser Ausstellungsstücke helfen.“ So holt ein Rikscha-ähnlicher Kindersportwagen „Modell 1910“, gearbeitet aus Holz und Metall, (für 11,50 Mark) die Besucherinnen und Besucher im Eingangsbereich der Ausstellung ab. Von dort werden sie über verschiedene Stationen – Wohnen, Körperhygiene, Freizeitgestaltung – weitergeleitet und erhalten spannende Einblicke in den Familienkosmos – Villa hier und Kinderzimmer „Straße“ dort. Die Ausstellung versucht Brüche und Härten der Kinderwelten des 19. Jahrhunderts ebenso fassbar zu machen wie die besondere Atmosphäre dieser vergangenen Tage. Vom Babyalter bis zur Schulentlassung dokumentieren Bilder von Familienfesten wie Kommunion und Konfirmation, Verordnungen zum Züchtigungsrecht der Lehrer, aber auch Hinweise auf die Anfänge der Reformpädagogik, was uns vom Damals trennt und mit ihm verbindet. Die Ausstellung im Stadtarchiv Wiesbaden ist noch bis zum 31. Oktober 2007 zu besichtigen.
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Quelle: Pressemitteilung Stadt Wiesbaden, 27.9.2007; Stadtinformation Historismus; Daniel Honsack, Main-Rheiner, 3.10.2007