Enzkreis/Kämpfelbach. Die in ganz Europa wütende Pestseuche traf im 14. Jahrhundert die Einwohner von Ersingen und Bilfingen mit aller Macht: 232 Todesopfer waren in der heutigen Gemeinde Kämpfelbach zu verzeichnen. Um Gott gnädig zu stimmen und der Seuche ein Ende zu bereiten, legte die Bevölkerung 1357 ein Gelübde ab, alljährlich und auf ewige Zeit am Tag vor der Geburt Marias zu feiern, bei Wasser und Brot zu fasten und zu beten. Seither wird jeweils am 7. September in Ersingen und Bilfingen der Gelübdetag gefeiert – dieses Jahr zum 650. Male!
Abb.: Der Turm der katholischen Pfarrkirche in Ersingen (Zeichnung von Artur Steinle, 1974; Stadtarchiv Pforzheim / Kreisarchiv des Enzkreises)
Ein an diesem Tage zu singendes Lied beschreibt das Gelübde wie folgt: „Und sie hoben ihre Hände zu dem Himmel hoch empor, dass sich doch Erbarmen fände, her sich neig’ Dein göttlich Ohr. Wie sie beten, wie sie fasten, wie sie stürmen himmelwärts, zu besänftigen Dein Zürnen, zu begütigen Dein Herz.“ Und das Gelübde zeigte offenbar Wirkung: die Pest soll verebbt sein und habe künftig die Einwohner verschont! Das strenge Gelübde wurde 1490 auf Bitten der Bevölkerung von einem in Hirsau weilenden päpstlichen Gesandten gemildert, indem das Fasten und Beten nur noch gekürzt zu begehen war.
Das Original des Gelübdebriefes von 1357 existiert nicht mehr, nur noch eine Abschrift dieser Urkunde zeugt von den Ursprüngen dieser Tradition. Der Text ist abgedruckt in der umfangreichen Ortschronik für Ersingen und Bilfingen, die der Heimatforscher und Ehrenbürger Gustav Adolf Reiling (1899-1973) vor mehr als 70 Jahren ausführlichst erarbeitete. Reiling spürte lange Jahre der Ersinger und Bilfinger Geschichte nach, forschte und schrieb, fotografierte, zeichnete, hielt Vorträge und veröffentlichte seine Erkenntnisse. Ein Teil seines schriftlichen Nachlasses, v.a. zu seinen orts- und regionalgeschichtlichen Forschungen, wurde von seiner Tochter über das Kreisarchiv des Enzkreises der Gemeinde Kämpfelbach übergeben. Zahlreiche Manuskripte zur örtlichen Geschichte wie auch zur Stadt- und Regionalgeschichte Pforzheims, Vorlagen zur Ortschronik, Zeitungsartikel, genealogische Arbeiten, Fotografien und Glasplatten ergänzen seither die Unterlagen des Gemeindearchivs. Mit Hilfe des Vereins „Heimatpflege und Kultur Kämpfelbach e.V.“ konnten sogar Hörproben zur Ersinger Mundart auf CD gesichert werden.
Das gesamte Gemeindearchiv nämlich wurde im Auftrag der Gemeinde Kämpfelbach von Diplom-Archivarin Heike Sartorius „auf Vordermann gebracht“, wobei für die beiden Teilbestände Bilfingen und Ersingen aus den ehemals in den Speichern, Kellern und Verwaltungsräumen in den Rathäusern gelagerten Unterlagen nahezu 3.000 Einheiten an Akten, Bänden, Fotografien und Plänen für die dauernde Aufbewahrung „herausgefiltert“ wurden. Die beiden Ortsteilarchive reichen zeitlich bis zum Gemeindezusammenschluss von 1974.
Die Archivalien sind in den neu eingerichteten Räumen im Bilfinger Rathaus untergebracht und füllen dort um die hundert Regalmeter. Ein Vielzahl an historischen und rechtlich relevanten Informationen aus dem „Gedächtnis der Gemeinde“ werden damit der interessierten Bevölkerung zur Verfügung stehen, die hoffentlich weiterhin in der Tradition der Ortschronisten Gustav Adolf Reiling, Rudolf Vögele und Michael Mutschelknauß die Heimatgeschichte erforschen, erfahrbar machen und andere daran teilhaben lassen können.
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Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung, 29.8.2007