„Genealogie für die Ewigkeit? Familienforschung, Geschichtswissenschaft und Archive gemeinsam im digitalen Zeitalter“ unter diesem Thema fand am 8. August 2007 das 4. Detmolder Sommergespräch im Staats- und Personenstandsarchiv Detmold statt. Die zahlreich erschienenen Familienforscher, Historiker und Archivare diskutierten trotz wenig sommerlichen Wetters angeregt über Fragen der Archivwürdigkeit genealogischer Sammlungen, die Zusammenarbeit zwischen Archiven und Genealogen sowie die Möglichkeiten der Aufbewahrung von digitalen Daten.
Nach der Begrüßung durch die Leitende Staatsarchivdirektorin Prof. Dr. Jutta Prieur-Pohl begann der morgendliche Teil des Programms mit dem Thema „Archivwürdigkeit und Archivfähigkeit genealogischer Sammlungen“ durch eine kurze Einführung des Moderators Dr. Johannes Kistenich. Im ersten Vortrag des Tages erläuterte Dr. Hermann Niebuhr vom Staats- und Personenstandsarchiv Detmold grundlegend die Archivwürdigkeit genealogischer Sammlungen und ihren Weg in das Archiv. Danach referierte der Leiter des Technischen Zentrums des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen Dr. Wolfgang Kahnert über die technischen Aspekte der Langzeitarchivierung. Der studierte Physiker stellte verschiedene Datenträger und -formate sowie deren Haltbarkeit vor und gab Empfehlungen für den Umgang mit diesen technischen Hilfsmitteln, um gespeicherte Daten möglichst lange erhalten zu können.
Im zweiten vormittäglichen Teil über „Datenbankenverwendungen in der Forschung“ gab Dr. Günter Junkers (Leverkusen) zunächst einen systematischen Überblick über Genealogieprogramme und Verkartungsprojekte. Hierbei stellte der Genealoge und studierte Chemiker einige Programme näher vor und berichtete von seinen Erfahrungen mit deren Anwendung, wobei er auf die verschiedenen Möglichkeiten der Programme hinwies. Zum Abschluss des Morgens trugen PD Dr. Michaela Hohkamp von der FU Berlin und Astrid Reinecke von der Universität Göttingen Ergebnisse aus ihrer Forschung über die Rolle der Tante innerhalb der Familie vor. Die erstaunlich wichtige Funktion der Tante innerhalb der Familienbeziehungen zeigten sie anhand unterschiedlicher Darstellungsformen von Netzwerken am Computer, bei denen besonders die Verknüpfung verschiedener Informationen über eine Person, die dann ein Beziehungsgeflecht ergaben, bemerkenswert waren.
Nach der Mittagspause konnten die zirka 100 Teilnehmer des Sommergesprächs zunächst mit Hilfe von zwei verschiedenen Führungen zum Thema Personenstandsarchiv sowie speziell zum Thema genealogische Sammlungen das Archiv in Detmold näher kennen lernen. Die Nachmittagsvorträge mit anschließender Diskussionsrunde zum Thema „Sammeln, Digitalisieren und Archivieren: Kooperation von Genealogen und Archiven“ begannen mit einer kurzen Einleitung durch die Moderatorin und Organisatorin der Veranstaltung Dr. Bettina Joergens vom Staats- und Personenstandsarchiv Detmold.
Zuerst sprach Rudolf Voss, Vorsitzender von Die Maus – Gesellschaft für Familienforschung und Genealogie in Bremen e.V., über die Zusammenarbeit seines Vereins mit dem Staatsarchiv Bremen. Mit diesem arbeitet die 1924 gegründete Maus seit dem Zweiten Weltkrieg eng zusammen und ist sogar in dessen Räumlichkeiten untergebracht. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Maus betreuen die jährlich über 3.000 Besucher ihrer Organisation, beantworten Anfragen und beteiligen sich an der Auswertung und Digitalisierung von Beständen des Staatsarchivs. Weiterhin erstellen sie Datenbanken und familiengeschichtliche Sammlungen, die so genannten „grauen Mappen“.
Im letzten Vortrag des Tages stellte Dr. Bettina Wischhöfer vom Landeskirchlichen Archiv in Kassel die Idee des Friendraising vor. „Friendraising besteht in dem Aufbau und der Förderung langfristiger Beziehungen zu Förderern“ und beinhaltet nicht nur finanzielle Unterstützung, wie das bekannte Fundraising, sondern vor allem personelle Unterstützung in Form von ehrenamtlicher Mitarbeit. Ungefähr 35% des Landeskirchlichen Archivs wurden durch ehrenamtliche Helfer verzeichnet, die durch zwei Mal im Jahr stattfindende Schulungen auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. Zudem gibt es regelmäßige Verzeichnungsprojekte in Kooperation mit der Archivschule Marburg. In Verbindung mit der Familienforschung verwies Dr. Bettina Wischhöfer auf das im Entstehen begriffene Kirchenbuchportal, mit dem die teilnehmenden kirchlichen Archive über die in Deutschland vorhandenen Bestände von Kirchenbüchern informieren und auch digitalisierte Kirchenbücher im Internet veröffentlichen möchten.
In der abschließenden Diskussion wurde dann in Bezug auf das Kirchenbuchportal und andere Projekte sehr angeregt und kontrovers über den Datenschutz und das Personenstandsgesetz diskutiert. Auf die Frage, warum Archivare und Genealogen eng zusammenarbeiten sollten, wurde einhellig mit dem guten Zusammenwirken von neuen Ideen und verschiedenen Kompetenzen argumentiert. Große Potenziale sahen die Teilnehmer auch bei Erschließungsprojekten und in den manchmal sehr umfangreichen lokalgeschichtlichen Kenntnissen der freiwilligen Helfer. Es wurde jedoch auch betont, dass eine abschließende Qualitätskontrolle durch die Archivare wichtig sei. Nach kurzen Vorstellungen des niederländischen Projektes Genlias und des deutschen Internetportal GenWiki für Genealogie und Familienforschung gelangte man insgesamt zu dem Ergebnis, dass die Zusammenarbeit zwischen Genealogie, Wissenschaft und Archiven für alle Seiten sehr vorteilhaft sein kann und weiterhin gefördert werden sollte.
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Staats und Personenstandsarchiv Detmold
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Nina Koch (Bielefeld)