Das Archiv für Zeitgeschichte, das 1966 von den beiden jungen Historikern Klaus Urner und Hans Rudolf Humm als Arbeitsgruppe für Zeitgeschichte gegründet wurde, fördert die historische Forschung in der Schweiz. Anlass dieser Gründung war die Tatsache, dass staatliche Archive durch ihre 50jährige Sperre die Nachforschungen über zeitgeschichtliche Themen – hier im speziellen über deutsche nationalsozialistische Organisationen in der Schweiz – massiv behinderten. Aus diesem Grunde erschlossen die beiden Historiker die Thematik in verstärktem Maße über private Quellen, die ihnen in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt wurden. Seit 1974 gehört das moderne Dokumentations- und Forschungszentrum, das seit 1973 nur noch von Prof. Urner allein geleitet wird, zum Institut für Geschichte der ETH Zürich. Die Bestände des Archivs dokumentieren schweizerische Zeitgeschichte im europäischen und globalen Kontext und reichen vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Heute macht das Archiv für Zeitgeschichte rund 400 Nachlässe, institutionelle Archive, thematische Sammlungen und Zeitzeugnisse zur oral history, die Prof. Dr. Klaus Urner von Beginn an gesammelt und aufgezeichnet hat, zugänglich. Das Archiv verfügt über rund 3 400 laufende Meter an Dokumenten und Büchern. Dazu gehören auch 1100 Mikrofilme und 35 000 Fotos, die auf fünf Stockwerke verteilt, dort untergebracht sind. Das Engagement des Archivs gilt der Bewahrung von gefährdetem Kulturgut, insbesondere privater und institutioneller Herkunft, dem gesamtschweizerische und internationale Bedeutung zukommt. Es setzt sich für eine Modernisierung im Archivbereich ein und übernimmt Archivierungsmandate von ausgewählten schweizerischen Spitzenorganisationen. Seit Anfang der neunziger Jahre nimmt das Archiv für Zeitgeschichte mit dem Ausbau von thematischen Schwerpunktbereichen spezifische Aufgaben in der schweizerischen Archivlandschaft wahr, die bislang weitgehend vernachlässigt wurden. Durch seine Dokumentationsstelle "Wirtschaft und Zeitgeschichte" macht es für die Forschung zentrale Quellenbestände der Privatwirtschaft zur schweizerischen Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik zugänglich und erbringt im Wirtschaftsraum Zürich wichtige archivische Dienstleistungen. Mit seiner Dokumentationsstelle "Jüdische Zeitgeschichte" schließt es eine empfindliche Lücke in der schweizerischen Archivlandschaft. Als Forschungsstätte wider das Vergessen gehört es auch international zu den Archiven der Shoa und leistet im Verbund mit Institutionen aus vielen Ländern einen schweizerischen Beitrag zur Dokumentation des Holocaust. Im Rahmen seines Dokumentationsbereichs "Schweiz – Kalter Krieg" (1945-1990) sichert und erschließt es Quellenbestände zur gesamten Epoche des Ost-West-Konflikts und schafft damit Grundlagen für künftige Forschungen insbesondere zur schweizerischen Sicherheitspolitik und zum Antikommunismus.
Nach über vierzigjähriger Archivtätigkeit geht Prof. Dr. Klaus Urner Ende August in den wohlverdienten Ruhestand, in dem er allerdings auch weiterhin noch wissenschaftlich tätig sein wird. Zu seinem Nachfolger wurde Dr. Gregor Spuhler ernannt, der zurzeit noch als Oberassistent am Historischen Seminar der Universität Basel tätig ist und am 4. September 2007 sein neues Amt antritt. Gregor Spuhler wurde 1963 in Laufenburg (AG) geboren und studierte Geschichte und Germanistik in Basel und Göttingen. 1997 promovierte er an der Universität Basel mit einer sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Untersuchung der Stadt Frauenfeld (TG) im 19. und 20. Jahrhundert. Zwei Jahre war Spuhler wissenschaftlicher Mitarbeiter im Staatsarchiv des Kantons Thurgau und arbeitete anschließend für die Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK), besser bekannt als Bergier-Kommission. Als Mitglied der wissenschaftlichen Projektleitung war Spuhler mit der Qualitätssicherung und Koordination der UEK-Studien betraut und an der Konzeption und Redaktion des Schlussberichts beteiligt. Die Ergebnisse dieser zeitgeschichtlichen Forschungen sind u.a. in das von ihm mitverfasste und mit dem Worlddidac Award 2006 ausgezeichnete Lehrmittel \“Hinschauen und Nachfragen\“ eingeflossen. Dr. Gregor Spuhler zeichnet sich durch fundierte Kenntnisse der Zeitgeschichte aus. So forscht er intensiv in den Bereichen Flüchtlingspolitik, Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts und Wirtschaftsgeschichte. Da Dr. Spuhler zudem ein großes methodisches Interesse an Oral History hat, deckt er die Schwerpunkte des Archivs für Zeitgeschichte ideal ab. Er freue sich sehr, so Dr. Spuhler, mit einem Team zusammenzuarbeiten, dessen Mitglieder er von seinen Archivrecherchen her bereits kenne und dessen Kompetenz und Motivation er schätze. \“Zu meinen zentralen Anliegen gehört es, das Archiv für Zeitgeschichte in der schweizerischen Archivlandschaft gut zu positionieren und es international noch weiter zu vernetzen.\“ Mit seinen einzigartigen Quellenbeständen und seiner Verankerung an der ETH Zürich habe das Archiv dafür optimale Voraussetzungen.
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afz@history.gess.ethz.ch
Quelle: Medienmitteilung ETH Zürich, 16.8.2007; Claudia Kühner, Tages Anzeiger Online, 23.8.2007; Stefan Howald, Neue Zürcher Zeitung, 26.8.2007