Tagung im Deutschen Literaturarchiv Marbach über Dolf Sternberger

In Marbach beschäftigt sich eine Tagung der Konrad Adenauer-Stiftung und des Deutschen Literaturarchivs mit Dolf Sternberger. Der Publizist und Wissenschaftler Dolf Sternberger (1907-1989) ist eine der intellektuellen Gründungsfiguren der Bundesrepublik Deutschland. Im Deutschen Literaturarchiv Marbach erinnert am Samstag, 23. Juni 2007, 11 bis 21 Uhr, eine Tagung an den Journalisten und politischen Denker. Mit Blick auf Sternbergers Nachlass in Marbach diskutieren Ministerpräsident a. D. Professor Dr. Bernhard Vogel (CDU), Dr. Günther Nonnenmacher (FAZ) und Professor Dr. Bill Dodd (Birmingham) über Sternberger und die politische Wissenschaft, über Sternberger als Journalist sowie über seine Sprache und seinen Sprachgebrauch. Am Samstag, 23. Juni 2007, 20 Uhr, findet außerdem ein öffentlicher Sternberger-Abend statt: Unter dem Titel »Can you beat that? Aus der unveröffentlichten Korrespondenz Sternbergers mit Hannah Arendt« lesen Schauspieler des Staatstheaters Stuttgart Briefe von Sternberger und Hannah Arendt. In ihrem Briefwechsel streiten und spotten die beiden politischen Intellektuellen über Nachkriegsdeutschland. Es moderieren Jan Bürger und Reinhard Laube, wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Die Tagung und die öffentliche Abendveranstaltung werden von der Konrad Adenauer-Stiftung gefördert. Der Eintritt ist frei.  Anmeldungen für die Teilnahme an der Tagung nimmt das Deutsche Literaturarchiv Marbach entgegen. Eine Anmeldebestätigung erfolgt nicht.

Programm

11.00 Uhr 
Eröffnung und Begrüßung
Prof. Dr. Ulrich Raulff, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Landfried, Dolf-Sternberger-Gesellschaft e.V.

11.30 Uhr
DOLF STERNBERGER UND DIE POLITISCHE WISSENSCHAFT
Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Bernhard Vogel, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

12.30 Uhr
Mittagspause mit Imbiss

14.00 Uhr
DOLF STERNBERGER ALS JOURNALIST
Dr. Günther Nonnenmacher, Frankfurter Allgemeine Zeitung

15.00 Uhr
DOLF STERNBERGER UND DIE SPRACHE
Prof. Dr. William J. Dodd, University of Birmingham

16.00 Uhr
Kaffeepause

16.30 Uhr
Podiumsdiskussion
Prof. Dr. Bernhard Vogel, Dr. Günther Nonnenmacher, Prof. Dr. William J. Dodd, Moderation: Prof. Dr. Ulrich Raulff

18.00 Uhr
Führung durch das Literaturmuseum der Moderne und das Deutsche Literaturarchiv Marbach (nach Anmeldung auf der Antwortkarte)

19.00 Uhr
Abendimbiss

20.00 Uhr
Lesung
CAN YOU BEAT THAT ? Aus der unveröffentlichten Korrespondenz Sternbergers mit Hannah Arendt
Textauswahl und Moderation: Dr. Jan Bürger und Dr. Reinhard Laube. Es lesen Schauspieler des Staatstheaters Stuttgart.

Kontakt
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Schillerhöhe 8-10/1
71672 Marbach
Tel.: 07144 / 848 – 433
Fax: 07144 / 848 – 490
wollgarten@dla-marbach.de

Quelle: Aktuelles Deutsches Literaturarchiv Marbach, 12.6.2007

kopal-Langzeitarchiv geht in den Routinebetrieb

Mit dem Abschluss des Projektes im Juni 2007 bei zwei großen wissenschaftlichen Bibliotheken, der Deutschen Nationalbibliothek und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Göttingen, geht das kopal-Langzeitarchiv in den Routinebetrieb. Um die Entwicklung von Services voranzutreiben, wird kopal am 18. Juni 2007 von 11 – 15:30 Uhr in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt der interessierten Öffentlichkeit seine Nutzungsmodelle vorstellen. Die von kopal erreichte technologische Innovation wurde kürzlich durch die Nominierung des Projektes im diesjährigen \“Computerworld Honors Program" gewürdigt. Hier wurde kopal für den \“21st Century Award" im Bereich \“Education\“ als Finalist nominiert und darf sich nun Laureate 2007 nennen. Die Preisverleihung fand am 4. Juni 2007 in Washington, DC, statt. Im Rahmen des Programms wählen 100 der weltweit größten Firmen der Informationstechnologie jedes Jahr in zehn Kategorien zukunftsweisende Projekte aus.

Der künftige Service von kopal richtet sich an Institutionen, die für eine Langzeitarchivierung digitaler Daten verantwortlich sind wie Bibliotheken, Archive und Museen sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen. Besonders relevant ist dies für Sammlungen von digitalisierten Kulturgütern sowie wissenschaftliche Publikationen und Lehrmaterialien. Ein zentraler Programmpunkt der Veranstaltung ist außerdem die Unterzeichnung eines Memorandums, in dem sich die Partner langfristig auf die Aufgabe der Langzeitarchivierung verpflichten und einen Rahmen für die weitere Zusammenarbeit setzen. kopal lässt sich für Materialien aller Art nutzen und flexibel an die jeweiligen Nutzungsbedingungen der Institutionen anpassen. Als Mandanten nutzen derzeit die SUB Göttingen und die Deutsche Nationalbibliothek das Archivsystem. Für weitere Interessenten gibt es drei Nutzungsmodelle:
o kopal-Teilnehmer: Eine Institution lässt ihre Daten \“kommissarisch\“ durch einen kopal-Mandanten archivieren. 
o kopal-Mandant: Eine Institution verwaltet selbstständig einen eigenen Bereich (Schließfach) des bestehenden kopal-Archivsystems. 
o kopal-Eigenbetrieb: Eine Institution betreibt unter Rückgriff auf Erfahrungen des kopal-Projektes ein eigenes vollständiges Archivsystem. 
Die Nutzungsmodelle sind unterschiedlich aufwändig und kostenintensiv, was einerseits vom Grad der Selbständigkeit bei Archivierung und Datenzugriff sowie andererseits von den institutionsspezifischen Workflows und Archivobjekten abhängt. 

Technisch basiert das Archiv auf der mandantenfähigen Software DIAS von IBM und wird bei der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) betrieben. Die Erstellung, Einspielung und Abfrage von Archivpaketen wird unterstützt durch die von der DNB und der SUB Göttingen entwickelte Open-Source-Software \“kopal Library for Retrieval and Ingest\“ (koLibRI). Für neue Formate und besondere Anforderungen wird die Software koLibRI stetig erweitert und verbessert. Zu den Aufgaben der digitalen Langzeitarchivierung gehören auch Maßnahmen der Bestandserhaltung wie Datenanpassungen und Datenformatmigrationen. Zum Projektabschluss werden daher erste Module bereitgestellt, die künftig Migrationsmaßnahmen steuern. Sehr wünschenswert für die nächsten Schritte bei der Entwicklung des Archivsystems ist die Anbindung weiterer Informationssysteme wie z. B. Online-Repositorien. kopal steht bereits in einem intensiven Austausch mit ersten Interessenten an einer Nachnutzung des Archivsystems.

Kontakt
Deutsche Nationalbibliothek 
Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main 
Tel.: 069 / 1525 – 0 
Fax: 069 / 1525 – 1010 
info-f@d-nb.de

Quelle: idw, 13.6.2007

Erinnerungen an Vertreibung niedergeschrieben

Mehr als zwanzig Männer und Frauen hatten sich gemeldet, als Stadtmuseum, Stadtarchiv und Volkshochschule Gütersloh vor eineinhalb Jahren im „Erzählcafé“ Zeitzeugen die Gelegenheit boten, über Flucht, Vertreibung und die Ankunft im Westen zu berichten. Neun von ihnen haben ihre Erinnerungen aufgeschrieben oder auf Band gesprochen, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nun liegen diese Schilderungen in Buchform vor. Am 13. Juni 2007 wurde das Buch im VHS-Haus vorgestellt. Gut 200 Seiten umfasst das von der Volkshochschule herausgegebene und von Hans-Dieter Musch redigierte Werk mit dem Titel \“Vertrieben und angekommen\“, das in dem renommierten Verlag für Regionalgeschichte erschienen ist. Es gibt Einblick in die Erinnerungskultur derjenigen Generation, die den Osten als ihre ursprüngliche Heimat ansieht, die sich aber ihre Existenz von Beginn an im Westen aufgebaut hat. Eine Sonderstellung nimmt in dem Band die Erzählung einer DDR-Flüchtigen ein, deren Ehemann in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts in die Fänge der Stasi geraten war. Im Rahmen der Buchvorstellung lasen einige Autoren kurze Ausschnitte aus ihren Texten. Geboren wurden die meisten Autoren in Westpreußen und Schlesien. Alle fanden in Gütersloh oder im ehemaligen Kreis Wiedenbrück ein neues Zuhause. Der Bruch mit der alten Heimat war geprägt von Not und Entbehrungen, vor allem aber von unmenschlicher Gewalt. Der Neuanfang in der Region überdeckte die seelischen Wunden für lange Zeit, doch im Altersrückblick brachen sie wieder hervor. Durch ihre Veröffentlichung haben sich die Autoren ein Stück weit von ihrer inneren Last befreit. Das Buch kann im heimischen Buchhandel erworben werden. 

Kontakt
Stadtarchiv Gütersloh
Hohenzollernstraße 30 a
33330 Gütersloh
Tel.: 05241 / 82 – 2302
Fax: 05241 / 82 – 2032
stephan.grimm@gt-net.de 

Quelle: Pressemitteilung Stadt Gütersloh, 13.6.2007

Badebetrieb in Wien im Wandel der Zeit

Gegenstand der aktuellen Kleinausstellung "Tröpferlbad, Schwimmbad, Wellnessoase – Badebetrieb in Wien im Wandel der Zeit\“ im Wiener Stadt- und Landesarchiv ist die historische Entwicklung des öffentlichen Badewesens in Wien. Die Ausstellung, die noch bis zum 28. September 2007 zu besichtigen ist, besteht aus mehreren Schautafeln mit Text und Fotos sowie aus Archivalien, die in Vitrinen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Beispielhaft werden einzelne Frei- und Hallenbäder der Stadt Wien vorgestellt. Baden, Waschen und Schwimmen in natürlichen Gewässern einschließlich warmer Quellen wurde von frühester Zeit an praktiziert. Reinigung, Heilung und Kräftigung des Körpers sind wesentliche Komponenten, die sich mit dem Begriff \“Baden\“ verbinden lassen.

Auch die Wiener Bäder haben im Laufe der Zeit eine interessante Entwicklung durchgemacht. Bäder sind in Wien seit der Antike nachweisbar. Im mittelalterlichen Wien dienten zahlreiche Badestuben der Reinigung, Entspannung und Erholung. In der Welt des Barock und Rokoko zog man die trockene Sauberkeit vor. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden auch Kaltwasserbäder forciert. Das Schwimmen gewann langsam an Bedeutung. Im Biedermeier wurde Wasser allmählich zum Symbol von Wiederbelebung, Regeneration und Heilung. Badekuren fanden in dieser Zeit großen Zuspruch. Unterhaltung und Therapie gemeinsam im gesellschaftlichen Leben. Epidemien und Seuchen des 19. Jahrhunderts in den Großstädten brachten ein Umdenken in Richtung einer kommunalen Gesundheitspolitik. Die breite Masse der Bevölkerung wurde mit allgemein zugänglichen neuen Brausebädern versorgt, den so genannten Tröpferlbädern. Die großen Badeanstalten der liberalen Ära (zum Beispiel Dianabad oder Sophienbad) waren in privater Hand und wurden in erster Linie vom Bürgertum frequentiert. Im Winter dienten sie als Ballsäle, um die wirtschaftliche Nutzung auf breite Basis zu stellen. Im Gegensatz dazu schuf in der Ersten Republik das Rote Wien Badeanstalten für die breite Bevölkerung, zugleich als Symbole der Arbeiterschaft. Körperertüchtigung und Gesundheit des Proletariers standen im Zeichen sozialer Ideologien, dies dann auch während des Nationalsozialismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das öffentliche Hallenschwimmbad zur nüchternen Sport- und Freizeiteinrichtung. Ab den 1970er-Jahren ging das Interesse der Bevölkerung an diesen Einrichtungen zurück. Ein Umdenken setzte erst wieder in den 1990er-Jahren mit dem Trend zu Erlebnisbad-Freizeitoase-Wellness ein. 

Kontakt
Magistratsabteilung 8 – Wiener Stadt- und Landesarchiv
Gasometer D, 4. Archivgeschoß
Wien 11
Guglgasse – Zugang über Gasometer A
Tel.: (+43 1) 4000 – 84808
Fax Inland: (+43 1) 4000 – 99 – 84819; Fax Ausland: (+43 1) 4000 – 84809
post@m08.magwien.gv.at

Quelle: Ausstellungen Wiener Stadt- und Landesarchiv; wienweb.at, 6.6.2007

Südtiroler Landesarchiv konzipiert Ausstellung über Spanischen Bürgerkrieg

Das Südtiroler Landesarchiv hat mit dem Fotobestand des Südtiroler Spanienlegionärs Willi Schrefler eine Ausstellung zum Spanischen Bürgerkrieg entworfen, die im „Museu d`Història de Catalunya“ von Barcelona gezeigt wird. Der Meraner Wilhelm Schrefler, Jahrgang 1905, war einer derjenigen Südtiroler, der sich mit dem faschistischen System unter Benito Mussolini arrangierte und der 1937 mit 50 000 bis 70 000 anderen italienischen Freiwilligen in den Spanischen Bürgerkrieg zog. Schrefler bzw. Sandri war jedoch kein gewöhnlicher Soldat, sondern interessierte sich für viel mehr als nur den Krieg. Er war ein begeisterter und technisch versierter Fotograf, der die spanischen Kriegsjahre von 1937 bis 1939 im Bild festhielt. Die Fotosammlung wurde vor drei Jahren dem Südtiroler Landesarchiv übergeben. Dort nahm sich der Historiker Andrea Di Michele des Bestandes an und erkannte bald, dass es sich dabei um eine lückenlose Dokumentation des Spanischen Bürgerkriegs handelt. Das \“Museu d\’Història de Catalunya\“ in Barcelona bekundete vor zwei Jahren großes Interesse an einer gemeinsamen Ausstellung mit dem Südtiroler Landesarchiv. Andrea Di Michele hat nun zusammen mit Historikern des katalanischen Museums eine Ausstellung entworfen. Hundert Fotografien aus dem Schrefler-Bestand beschreiben auf den Ausstellungspaneelen den Weg der italienischen Truppen durch den Spanischen Bürgerkrieg. Alle Etappen des Krieges, von der Landung der Division „Littorio“ in Cadiz 1937 bis zum Triumphzug in Madrid 1939, werden dargestellt. 

Die Ausstellung "Legionari" wird von Juni bis September 2007 im „Museu d\’Història de Catalunya“ in Barcelona gezeigt. Eröffnet wird die Bilderschau am 14. Juni 2007 um 19 Uhr von Landeshauptmann Luis Durnwalder und von Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur. Bei der Eröffnung ebenfalls mit dabei sein wird Michael Seeber, der Chef des Unternehmens Leitner, durch dessen Kultursponsoring die Ausstellung erst ermöglicht worden ist, sowie Helmut Stampfer, der Direktor des Landesdenkmalamtes, und Andrea Di Michele, der die Ausstellung konzipiert und den Fotobestand aufgearbeitet hat. Die Fotoausstellung wird bis Ende September in Barcelona und danach wahrscheinlich in weiteren spanischen Städten gezeigt. Im Herbst wird eine zweite Version der Schau an der Universität Bozen gezeigt. Zur Ausstellung ist auch ein Katalog entstanden. Pünktlich zur Ausstellungseröffnung in Barcelona erscheint die Publikation in katalanisch, spanisch und englisch, im November wird eine zweisprachige, deutsch-italienische Version des Kataloges zur Ausstellung in Bozen erscheinen.

Kontakt
Südtiroler Landesarchiv
Armando-Diaz-Straße 8
39100 Bozen
Tel.: 0471 / 411940
Fax: 0471 / 411959
Landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Pressemitteilung Autonome Provinz Bozen, 8.6.2007

Bericht von der 8. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik am 23. März 2007

Archive sind Orte selbständigen Forschens und Lernens und Archive sind wichtige Partner bei der Gestaltung des landeskundlichen Unterrichts. Diesen Kernsätzen aus archivpädagogischen Handreichungen der letzten Jahre wird regelmäßig, fast gebetsmühlenartig die Realität gegenüber gestellt: Der Lernort Archiv findet in Lehrplänen zwar inzwischen zunehmend Berücksichtigung, aber er wird im schulischen Umfeld für Unterricht und Projekte noch immer zu wenig genutzt. 
Da das aber weniger am mangelnden Engagement in den Archiven liegt, als vielmehr an dem fehlenden Wissen über die vorhandenen Angebote, wurde in diesem Jahr auf der Karlsruher Tagung für Archivpädagogik, an der über 80 Interessierte aus ganz Deutschland teilnahmen, der „Erste Schritt in das Archiv“ genauer beleuchtet. Damit sollte den potentiellen Nutzern aus Schule und Bildung das mögliche Spektrum des Archivkontaktes aufgefächert und gleichzeitig den Archivarinnen und Archivaren Anregungen vermittelt werden, wie auch mit geringen Mitteln für die Zielgruppe „Schule“ passende und effektiv zu betreibende Angebote erarbeitet werden können.
Wie ein roter Faden zog sich durch die gesamte Tagung, dass modulare Programme und standardisierte archivpädagogische Angebote eine Antwort auf knappe Personalressourcen in Schule und Archiv sein können. Aufbauend auf der Erfahrung Einzelner, persönlich Engagierter könnten Angebotsstrukturen geschaffen werden, die auf Dauer nachhaltig wirken würden. 

\"Impression

Archivbesuche mit Schülern machen Arbeit, stellte Günther Sanwald vom Anna-Essinger-Gymnasium in Ulm am Beginn seiner auf langjähriger Praxis beruhenden Einführung Archiv und Schule: Erfahrungen und Ideen provokativ fest: „Muss ich als Geschichtslehrer mit Schülern überhaupt ins Archiv? – Nein.“ Selbstverständlich belegte er mit seinen Beispielen im Gegenteil den pädagogischen Nutzen des Umgangs mit Quellen, den Weg vom „Anschauen“ zum „Anwenden“, das Hineinversetzen in historische Situationen. Für das Ziel, Schülerinnen und Schüler zur Selbständigkeit und zu eigener Urteilsfähigkeit zu führen, sei der Umgang mit Quellen als Ausgangsmaterial hervorragend geeignet. Am Beispiel Ulm lässt sich sehr instruktiv ablesen, welche nachhaltigen Wirkungen durch die Archivpädagogik bei kontinuierlichem und langfristigem Engagement erzielt werden können. Dem Stadtarchiv steht seit Jahrzehnten eine Lehrkraft des Arbeitskreises „Schule und Archiv“ zur Verfügung. Zu ihrem Aufgabengebiet gehören Beratung von Lehrern und Schülern aller allgemeinbildenden Schulen des Stadtkreises und des Alb-Donau-Kreises in Fragen der Stadt- und Landesgeschichte, darunter die Ausrichtung von regionalen Lehrerfortbildungen und Fachkonferenzen. Unterstützung wird angeboten für das Seminarfach, für Projekttage und für Facharbeiten (Listen mit Themen vorwiegend des 20. Jahrhunderts für Referate und GFS-Arbeiten). Vorbereitet sind fächerübergreifende Unterrichtseinheiten für Deutsch, Erdkunde, Geschichte, Kunst, Politik und Religion/Ethik. Zum Standardprogramm zählen Einführungen in die Arbeit und die Bestände des Stadtarchivs und Führungen durch die Dauerausstellungen des Stadtarchivs.
Neu und Ergebnis dieser intensiven archivischen Arbeit – v.a. der früheren Quellenpublikationen – ist die seit Februar 2007 im Netz verfügbare Präsentation von Quellen zur Stadtgeschichte: Das erste Modul „Ulm im ersten Nachkriegsjahrzehnt“ enthält Quellen mit Erläuterungen. Diese Internetpräsentation soll und kann aber die Arbeit an den Originalen nicht ersetzen; sie soll vielmehr anregen, sich mit Originalen auseinander zu setzen.

Unter dem Titel Von der Schnupperführung zum Unterrichtsprojekt stellte der Düsseldorfer Archivpädagoge Joachim Pieper neue Elemente des archivpädagogischen Programms im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen vor. Im Zentrum stand der School’s day, der im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf seit Dezember 2006 einmal im Monat donnerstags angeboten wird. Jeweils drei Gruppen können an einem Termin die Angebote nutzen: Ziel ist es, an diesem Tag in unterschiedlichen Modulen die für eine ergebnisorientierte Archivarbeit notwendigen Arbeitstechniken zu vermitteln. Dabei können real existierende Hürden wie zum Beispiel Schrift und Sprache überwunden, archivtypische Rechercheverfahren eingeübt und auch Techniken zur Digitalisierung von Archivquellen ausprobiert werden. Ergänzend wird ein Präsentationskurs angeboten, in dem in die Vielfalt von Ausstellungsformen sowohl thematisch-methodisch als auch technisch eingeführt wird. Für alle Angebote gilt „learning by doing“, da die meisten Schüler und Lehrer zwar Kenntnisse über Bibliotheksarbeit besitzen, in der Regel aber mit Arbeitsabläufen und Arbeitsweisen in einem Archiv nicht vertraut sind.
Für alle Schulformen werden Führungen angeboten, bei denen der Weg einer Archivalie von der Bewertung, über die Konservierung, die Nutzer-Recherche bis zur Bestellung und Aushebung im Magazin konkret verfolgt wird. Dabei lernen die Schüler in der Restaurierungswerkstatt die Probleme unterschiedlicher Materialien wie Papier, Pergament, Wachs, Metall, Fotos und digitaler Speichermedien kennen.
Für Grundschüler und Schüler der fünften und sechsten Klassen, stehen Pergament, Papier und Siegel im Mittelpunkt: Sehr beliebt ist der frühneuzeitliche Brief: Die Kinder schreiben z.B. mit Federkiel und Tinte, das Blatt wird zugefaltet, die Rückseite mit der Adresse versehen und der Brief wird mit Siegellack verschlossen. 
Für die Schülerinnen und Schüler ab der Mittelstufe wird das Schreiben und Dechiffrieren alter Schriften angeboten. Kleingruppen von 2 bis 3 Schülern wird eine handschriftliche Quelle aus dem 18. oder 19. Jahrhundert mit der Aufgabe vorgelegt, den Originaltext in modernes Deutsch zu transkribieren. Im zweiten Teil müssen sie selber in der alten Schrift kurze Texte von drei bis vier Sätzen verfassen, die andere Schüler inhaltlich auflösen müssen. Eine wichtige Erfahrung ist, dass Schüler und Lehrer, die diesen Kurs absolviert haben, auch bereit sind, archivische Themen für Unterrichtsprojekte, Referate und Facharbeiten zu wählen, die nicht im 20. Jahrhundert angesiedelt sind. In Kursen für die gymnasiale Oberstufe können auch fremdsprachliche Quellen verwendet werden: französisch für das 17. und 18. Jahrhundert, englisch für die Gründungsphase des Landes Nordrhein-Westfalen.
Von Mitarbeitern der Foto- und Filmwerkstatt werden die Schülerinnen in die Foto- und Digitalisierungstechniken von Archivquellen eingeführt. Die Schüler können eigene Fotos und Digitalisate erstellen. Dieses Angebot wird in der Regel auch als Vorkurs für den Präsentationskurs genutzt.
Der Präsentationskurs für themenorientierte Ausstellungen am Lernort Schule wird stark angenommen, da dieser Kurs nicht nur Hilfen zur Gestaltung einer lokal- oder regionalgeschichtlichen Ausstellung in der Schule, sondern auch Hilfen zur Bild- und Textgestaltung, technischen Support für Ausstellungstechnik und Transportangebote enthält, falls eine Ausstellung mit ihren Exponaten und Texten im Archiv konkret vorbereitet wird. Häufig erwächst bei den Teilnehmern dieses Kurses die Idee, nach einem entsprechenden Unterrichtsprojekt die Ergebnisse vor Ort in der Schule einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Pieper hob hervor, dass dadurch der Dialog zwischen Archiv und Schule besonders gefördert und Archive als wichtige Bildungseinrichtung in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt würden. Solche Ausstellungsprojekte verlangen von Schülern, Lehrern und Archivaren viel persönliches Engagement, Geduld und Arbeit. Dass sich solche Projekte trotz mancher Frustration und Enttäuschung für alle Beteiligten lohnen, wird spürbar, wenn – wie geschehen – eine Ausstellung von Schülern zur Situation der Zwangsarbeiter in Düsseldorf als Wanderausstellung beim Düsseldorfer Regierungspräsidenten und später in verschiedenen Düsseldorfer Schulen gezeigt werden kann.
Die Termine für einen School’s Day im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf waren im März 2007 schon für ein Jahr im Voraus ausgebucht.

Das Leitwort „Modul“ hätte auch über dem traditionell sehr geschätzten Markt der Möglichkeiten stehen können, auf dem am Nachmittag nicht nur Archive ihre Wege zu den Quellen präsentierten. Die Neugier der Besucher wurde nicht enttäuscht, denn es fanden sich spannende Angebote und überraschende Experimente. Intensive Gespräche zeugten vom fruchtbaren Dialog zwischen Nutzern und Archivanbietern.
Angesichts der stets beklagten – aber dadurch nicht geänderten – Rahmenbedingungen der Archivpädagogik, die vor allem durch fehlende Deputatsstunden für Lehrer und der Furcht vor Unterrichtsausfall geprägt sind, haben viele Archive neue Wege beschritten. Am meisten Interesse fanden die Projekte, die im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres – Kultur im Staatsarchiv Ludwigsburg und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart durchgeführt wurden bzw. werden (www.fsjkultur.de). In der Regel hochmotivierte Abiturientinnen und Abiturienten entwickelten Führungs-„Bausteine“ und Programmteile für Schulklassen, die sich von den klassischen Zugängen deutlich unterschieden: Programmierte Spiele, Archivrallyes und Quizrunden in der Art von „Wer wird Millionär“ mit archivbezogenen und historischen Fragen sprechen Jugendliche sicher unmittelbarer an, als gut gemeinte Versuche, das Provenienzprinzip zu vermitteln. Zudem ist die altersmäßige Nähe der FSJ-ler zu den Jugendlichen ein nicht zu unterschätzender Vorteil; gerade wenn beabsichtigt wird, auch Grundschülern das Archiv nahe zu bringen, ergeben sich hier Felder für eigenständige Aktivitäten der FSJ-ler. Fast alle erarbeiteten Module können auch nach Ablauf des FSJ weiterverwendet werden (vgl. StA Ludwigsburg: Angebote für Gruppen; HStA Stuttgart: Virtuelle Archivführung).
Da der große Bedarf an FSJ Stellen noch lange nicht gedeckt ist – derzeit kommen etwa sechs Bewerber auf eine Stelle –, bietet sich hier für Archive aller Sparten eine interessante Perspektive, archivpädagogische Projekte aufzubauen bzw. zu erweitern (Erfahrungsberichte zum FSJ-Kultur in „Archivnachrichten Baden-Württemberg“ Heft 30, Mai 2005, S.4-5 und Heft 33, Dezember 2006, S.17). 
Fertige, „buchbare“ Module werden auch von der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte (Bundesarchiv, Außenstelle Rastatt www.erinnerungsstaette-rastatt.de/start_museumspaedagogik.htm) angeboten. Hier an der Schnittstelle von Archiv, Museum und Gedenkstätte wird offenbar, dass museumspädagogische Vorbilder in die archivpädagogische Arbeit Eingang gefunden haben: Die vielfältigen Angebote sind so flexibel angelegt, dass sie auf Schulklassen aller Schularten individuell abgestimmt werden können. Altersgerechte Methoden, den jeweiligen Bildungsstandards angepasst, ermöglichen selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten. Die Arbeitsformen ergänzen sich gegenseitig und können miteinander zu unterschiedlichen Arbeitsphasen kombiniert werden; der zeitliche Umfang des Besuchs variiert entsprechend. 
Ähnlich wurde im Archivverbund Main-Tauber zur stärkeren Verankerung des außerschulischen Lernorts Archiv im Geschichtsunterricht Unterrichtseinheiten erstellt. Es stehen derzeit für die Klassenstufen 7-9, 11 und 12 je eine Unterrichtseinheit zur Verfügung, die sowohl Lehrer als auch Archivare nur noch „aus der Schublade“ zu ziehen brauchen. An eine Führung schließt sich diese Quellenarbeit der Schüler an. Als Arbeitsgrundlagen werden Kopien bereitgestellt, doch auch die Originale liegen zur Einsicht bereit. Die einzelnen Unterrichtseinheiten dauern ca. 2,5 Stunden. Dem Leseproblem wird dadurch begegnet, dass möglichst Druckschriften oder – für das 20. Jahrhundert – maschinenschriftliche Quellen ausgewählt wurden. Stehen nur handschriftliche Archivalien zur Verfügungen, wurden diese für die Quellenarbeit transkribiert.
Ein vergleichbares Angebot mit teilweise für die Archivarbeit freigestellten Archivpädagogen bietet das Land Hessen in den drei Staatsarchiven, darunter auch ein digitales Archiv, in dem Quellen aufbereitet zur Verfügung stehen (vgl. die Internetseiten der Staatsarchive in Darmstadt, Marburg und Wiesbaden). 
Ungebrochener Beliebtheit erfreut sich nicht nur aber vor allem bei jüngeren Archivbesuchern die Möglichkeit, während der Führung an einer Station selber handwerklich kreativ zu sein, wie das Staatsarchiv Sigmaringen und das Generallandesarchiv Karlsruhe demonstrierten. Ohne großen Aufwand kann angeboten werden, mit einer Feder alte Schreibtechniken und bei Vorlage einer Schrifttafel auch alte Schriften selber auszuprobieren. Etwas aufwendiger, aber nachhaltiger ist das Gießen von Wachssiegeln. Bei entsprechender Vorauswahl passender Siegel können dünne Wachsplättchen schnell trocknen und sogar mit nach Hause genommen werden. 
Die Möglichkeiten des Kommunikationsmediums Internet zur Präsentation wurden vom Stadtarchiv Ulm und vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (LMZ) vorgestellt. Im Projekt SESAM (Server für schulische Arbeit mit Medien – www.sesam.lmz-bw.de) erprobt das LMZ neuartige Formen der Online-Distribution von Medien. Die schulische Arbeit mit Medien wird dadurch wesentlich erleichtert und unterstützt. Basierend auf den neuen Bildungsstandards werden in SESAM einzeln Medien zu bestimmten Themen in so genannten Themenbanken bereitgestellt, die neben einem Film auch Filmsequenzen, Bilder, Begleittexte, Arbeitsblätter und anderes didaktisches Material zu spezifischen Unterrichtsthemen enthalten.
Die Inhalte von SESAM stehen nach einer Registrierung allen Lehrerinnen und Lehrern – allerdings bisher nur aus Baden-Württemberg – online zur Verfügung, können jederzeit kostenlos herunter geladen und sowohl für die Unterrichtsvorbereitung als auch im Unterricht verwendet werden. Während die Inhalte von Sesam direkt für den Unterricht gedacht sind, sollen die Ulmer Stadtgeschichte(n) im Netz, auch wenn sie aus der schulischen Arbeit entstanden sind, jedermann ansprechen und letztlich als Kommunikationsmittel zum Archiv und den Originalen dienen (Ulm im ersten Nachkriegsjahrzehnt). 
Nicht unbedingt direkt mit einem Archiv verbunden werden in der Regel historische Wanderausstellungen, obwohl viele in Archiven entstehen. Auch hier bietet sich die Möglichkeit aktiver Vermarktung und mehrfache „Nachnutzung“ von erarbeiteten Ergebnissen. Schulen können anlassbezogen oder systematisch zu Partnern der Archive werden. Das Landesarchiv Baden-Württemberg wird hierzu künftig verstärkt Angebote bereitstellen.
Mit der Frage „Was ist eigentlich ein Archivknoten?“ lockte vom Stadtarchiv Oldenburg „Ein Film über die örtlichen Archive für Schulen und Weiterbildungseinrichtungen“. Ausgehend vom Namen auf einem Straßenschild begleitete die Kamera drei Schülerinnen bei ihrer Suche nach der Biographie eines Bürgermeisters durch verschiedene Archive: eine ungewöhnliche und unterhaltsame 15 minütigen Einführung in das Archivwesen (Trailer und Bezugsadresse: www.oldenburg.de/stadtol/index.php?id=stadtarchiv). Ohnehin könnten bewegte Bilder (Beispiel: Interview mit dem Leiter des Staatarchiv Sigmaringen) stärker bei der Werbung für die Nutzungsmöglichkeiten in und von Archiven eingesetzt werden.
Dass für eine unterhaltsame Ansprache des Publikums auch die klassischen Printwege noch lange nicht ausgeschöpft sind, bewiesen das Stadtarchiv Heidelberg und das DaimlerChrysler Archiv, deren Archivcomic interessierten Anklang fand – und gerne mitgenommen wurde. 
Als Hilfe zum Einstieg in Archivarbeit stellte Martin Burkhardt vom Wirtschaftsarchiv in Hohenheim seinen Band: Arbeiten im Archiv. Praktischer Leitfaden für Historiker und andere Nutzer, Paderborn 2006, 135 S., 14 Abb., ISBN 978-3-8252-2803-3 (Rezension u.a. in www.sehepunkte.de) vor. 

In der Abschlussrunde wurde noch einmal die Tendenz zur Strukturierung und Standardisierung der Angebote von Archiven hervorgehoben. Hierdurch ergäben sich für die Zusammenarbeit von Archiv und Schule neue Möglichkeiten, weil Angebote nicht mehr ausschließlich von einzelnen engagierten Personen (an Schule bzw. Archiv) abhängig seien. Kontinuierliche, verlässliche Angebote könnten leichter in den Unterrichtsablauf eingeplant werden. Positiv bewertet wurde ebenfalls, dass die Angebote sich deutlicher als früher an alle Altergruppen, v.a. auch an Grundschüler, richten würden. Die teilweise noch zu beobachtende Verengung des archivpädagogischen Engagements auf die Sekundarstufe II müsste überwunden werden. Ebenfalls gefordert wurde, dass die Kenntnis von Archivarbeit systematisch in die Lehrerausbildung eingebunden werden sollte.
Ein Blick auf die Tagungsteilnehmer zeigte, dass Archivpädagogik offenbar „im Kommen“ ist, denn überraschend viele junge Kolleginnen und Kollegen hatten den Weg nach Karlsruhe gefunden. Dieser Generationenwechsel – so wurde in der Diskussion mit Freude festgestellt – lasse doch mit Hoffnung und Optimismus in die Zukunft der Archivpädagogik schauen.

Dr. Clemens Rehm
Stuttgart, Juni 2007

Vormerken
9. Karlsruher Tagung für Archivpädagogik am Freitag, 29. Februar 2008, 10.00-16.00
Karlsruhe, Landesmedienzentrum
Schwerpunkt voraussichtlich: Quellenarbeit („Lesen“ und „Verstehen“ von Dokumenten)

Projekt »Massenentsäuerung von Archivalien« läuft in Lemgo an

Das Schriftgut des 19. und 20. Jahrhunderts sieht so aus, wie man sich ältere Akten halt vorstellt. Doch Unterlagen aus dieser Zeit sind vom Zerfall und von der Zerstörung bedroht. Das betrifft das Schriftgut in Archiven und Bibliotheken gleichermaßen. Nicht nur haben diese Einrichtungen bekanntermaßen mit Schimmelbefall von Akten und Büchern zu kämpfen, die durch unsachgemäße Lagerung entstanden. Eine weitere Gefahr liegt in dem Beschreibstoff Papier selbst. Ab 1840/1850 änderte sich die Papierherstellung. Hochwertige Gewebefasern (Hadern) wurden durch Holzschliffanteile ersetzt und sauer geleimt. Mit der Zeit greift Säure die minderwertigen Papierbestandteile an, so dass am Ende das Papier zerfällt. Erst seit den 1980er Jahren wird säurefreies Papier industriell hergestellt. In allen Verwaltungen sollte ausschließlich dieses alterungsbeständige Papier verwendet werden, das der DIN/ISO-Norm 9706 entspricht. 

Der Zerfall des säurehaltigen Papiers kann durch Entsäuerung gestoppt werden. Dabei wird die Säure im Papier neutralisiert und ein alkalischer Puffer eingebracht. Ein zuverlässiges Verfahren existiert bisher nur für die Entsäuerung einzelner Blätter. Das Verfahren ist allerdings aufwändig und teuer. Das Land Nordrhein-Westfalen will die kommunalen Archive bei dieser dringend erforderlichen Bestandserhaltungsmaßnahme unterstützen und stellt in den nächsten fünf Jahren eine Million Euro pro Haushaltsjahr dafür zur Verfügung. Das Land trägt 70 %, jede Kommune 30 % der entstehenden Kosten.

Die betroffenen Bestände des Stadtarchivs Lemgo

Der schleichenden Zerstörung ist auch das Schriftgut des Stadtarchivs Lemgo ausgesetzt. In den nächsten Tagen werden die Akten des Stadtarchivs Lemgo vom LWL-Archivamt für Westfalen (Münster) für die Bestandserhaltungsmaßnahme abgeholt.

Aus dem A-Bestand mit der Laufzeit bis 1930 wurden daher alle ungebundenen Akten ab 1850 ermittelt. Der B-Bestand des Stadtarchivs (Akten mit der Laufzeit 1930-1969) ist komplett vom Säurefraß betroffen, zudem ein großer Teil des C-Bestandes und D-Bestandes (Akten und Protokolle seit 1969). Doch sind diese Bestände gebunden – mit Fadenheftung oder gelumbeckt. Dr. Anikó Szabó, Leiterin des Lemgoer Stadtarchivs: „Ich bedauere, dass die gebundenen Aktenbestände noch unberücksichtigt bleiben müssen, bis dafür ein gesichertes Entsäuerungsverfahren entwickelt ist.“ 

Vorerst zurückgestellt wurden zudem die Sammlungen und die Nachlässe. Benutzer können sich der auf Homepage des Stadtarchivs Lemgo informieren, welche Akten dieser Erhaltungsmaßnahme unterzogen werden und deshalb nicht zugänglich sind. Es ist eine Datei abrufbar, die die Aktentitel und Signaturen aufführt.

Kontakt:
Stadtarchiv Lemgo
Süsterhaus
Rampendal 20a
32657 Lemgo 
stadtarchiv(at)lemgo.de

Leitung:
Dr. Anikó Szabó
Tel. 0 52 61 / 21 34 13
Fax 0 52 61 / 2 13 1 61
A.Szabo(at)lemgo.de

Sekretariat:
Tel. 0 52 61 / 21 32 75

Quelle: Pressemitteilung der Alten Hansestadt Lemgo vom 12.6.2007

Brau- und Biergeschichte im Gießener Land

\“Wohl bekomm’s – Vom Gerstensaft als Wirtschaftskraft. Brau- und Biergeschichte im Gießener Land" lautet der Titel der Wanderausstellung, die noch bis zum 1. Juli 2007 täglich von 17 bis 19 Uhr im Barfüßer Kloster in Grünberg zu sehen ist. Konzipiert und erarbeitet wurde die Ausstellung vom Kreis-Archiv Gießen und den Archiven der Städte und Gemeinden Biebertal, Buseck, Gießen, Grünberg, Heuchelheim, Hüttenberg, Hungen, Langgöns, Laubach, Laubach-Freienseen, Lich, Pohlheim und Staufenberg. In Eigenregie wurden Texte, Fotos und Bilder digitalisiert und mittels eines Graphikprogrammes zu Plakaten zusammengestellt. Auf insgesamt 24 Ausstellungstafeln können sich die interessierten Gäste über die Geschichte des Bierbrauens im Gießener Land informieren. Einem kurzen Überblick über die Herstellung des Bieres aus den Rohstoffen Malz, Hopfen, Hefe und Wasser folgen zahlreiche Aspekte rund um das Brauwesen und die Geschichte des Bieres. Die Ausstellung beschäftigt sich sowohl mit adligem und bürgerlichem, aber auch mit gewerblichem und industriellem Brauen. Die Entwicklung des lokalen Brauwesens wird an einigen ausgewählten Beispielen gezeigt. Wirtschaftliches Umfeld und Werbestrategien spielen ebenso eine Rolle wie Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch.

Ursprünglich gehörte die Bierbereitung wie das Kochen und Backen zu den häuslichen Aufgaben der Frauen. Im frühen Mittelalter wurde Bier dann zunächst in den Klöstern und mit dem Aufkommen der Zünfte auch außerhalb der Haushalte in Brauhäusern hergestellt. Kommunale Brauhäuser konnten von den Bürgern zur Herstellung des Eigenbedarfes an Bier genutzt werden, jedoch war auch gewerbliches Brauen möglich. Die Obrigkeit nutzte die Möglichkeit, Steuern und Abgaben zu erheben. Probleme gab es immer wieder mit der Qualität des Bieres, was nicht zuletzt auf den Einsatz von Wasser mit zweifelhafter Güte zurückzuführen war. Brauordnungen waren darauf bedacht, Standards festzusetzen, die eine gleichmäßige Qualität des Bieres sicherstellen sollten. Der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert führte dazu, dass gewerbliche Brauer ihre Geschäftstätigkeit nach Möglichkeit ausweiteten. Nach und nach entwickelte sich eine industrielle Bierproduktion. Die kleineren gewerblichen Brauhäuser, die oft zusammen mit einer Schankwirtschaft betrieben wurden, konnten mit größeren Betrieben im Wettbewerb nicht mehr mithalten und verschwanden nach und nach.

Kontakt
Kreisarchiv Gießen
Ostanlage 33 – 45
35390 Gießen
Tel. 0641 / 9390 – 603 
Fax: 0641 / 33448
sabine.rassner@lkgi.de

Quelle: Gießener Anzeiger, 6.6.2007; Ausstellungen Landkreis Gießen; Aktuelles Landkreis Gießen

Sakralbauten in Bamberg

Zu einer gemeinsamen Ausstellung im Rahmen des Jubiläums "1000 Jahre Bistum Bamberg" laden das Archiv des Erzbistums Bamberg und das Stadtarchiv Bamberg vom 13. Juni bis zum 21. Dezember 2007 ein. Aus den reichhaltigen Beständen der beiden Archive sowie verschiedenen Leihgaben wurde eine umfassende Dokumentation zu \“Sakralbauten in Bamberg" zusammengestellt. Während die Kirchenbauten bis zur Säkularisation anhand von Fotografien, Plänen und Detailaufnahmen im Stadtarchiv Bamberg gezeigt werden, kann der interessierte Besucher die modernen Kirchen des 19. und 20. Jahrhunderts im Archiv des Erzbistums Bamberg kennen lernen. Anhand eines Stadtplans, der in einer umfangreichen Begleitbroschüre veröffentlicht ist, hat er sogar die Möglichkeit, die Kirchen zu erwandern und sie an Ort und Stelle anzuschauen. Die gezeigten Exponate über etwa 60 Kirchenbauten werden u.a. durch Kirchenmodelle ergänzt. Aus diesem Grund lässt das Archiv des Erzbistums gegenwärtig am Modell der St. Wolfgangskirche eine Musterrestaurierung vornehmen, um anhand der Kosten und der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme zu sehen, wie auch andere beschädigte Modelle aus der Sammlung des Archivs für die Nachwelt gesichert werden können.

Kontakt
Archiv des Erzbistums Bamberg
Dr. Josef Urban
Regensburger Ring 2
96047 Bamberg
Tel.: 0951 / 40747 – 0
Fax: 0951 / 40747 – 50
archiv@erzbistum-bamberg.de 

Stadtarchiv Bamberg 
Dr. Robert Zink
Untere Sandstraße 30a 
96049 Bamberg 
Tel.: 09 51 / 87 13 71 
Fax: 09 51 / 87 19 68 
stadtarchiv@bamberg.de 

Quelle: Dr. Josef Urban, Aktuelles Archiv des Erzbistums Bamberg, 18.5.2007; Pressemeldung Stadt Bamberg, 6.6.2007; Wiesentbote, 8.6.2007

16. Tagung der süddeutschen Kirchenarchivare und -archivarinnen in Speyer am 7./8. Mai 2007

Am 7. und 8. Mai 2007 trafen sich Angehörige süddeutscher evangelischer Kirchenarchive zur 16. \“Südschienentagung\“ im Gebäude des Landeskirchenrates in Speyer. Die hohe Zahl von ca. 50 Teilnehmenden bestätigte, dass mit den gewählten Tagungsthemen \“Digitalisierung von Kirchenbüchern\“ sowie \“Archivpflege in Pfarrarchiven\“ ein Nerv getroffen worden war. 

In seiner Begrüßung der Teilnehmenden erläuterte der stellvertretende Kirchenpräsident der evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, die Konsensunion, in der sich Pfälzer Lutheraner und reformierte Christen 1818 zur protestantischen Kirche der Pfalz zusammenschlossen. Er erklärte die Unterschiede zwischen lutherischem und reformiertem Kirchenbau, der sich in den Speyerer Kirchen ausdrücke, schilderte die Entstehung der Gedächtniskirche der Protestation 1904 und verwies auch auf die guten ökumenischen Beziehungen zum Bistum Speyer.

\"Während

Der Rest des Nachmittags stand im Zeichen der Digitalisierung von Archivgut. Die Moderation der Referate und Diskussionen übernahm am ersten Tag Dr. Gabriele Stüber, die Leiterin des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche der Pfalz, die die Tagung geplant und mit ihren Mitarbeiterinnen perfekt organisiert hatte. 
Im ersten Fachbeitrag stellte Dr. Andreas Metzing, der Leiter der Evangelischen Archivstelle Boppard des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, das Bopparder Projekt der Kirchenbuchdigitalisierung vor. Ausgehend von der örtlich aufgesplitterten Überlieferung der Kirchenbuch-Originale wie auch der Microfiches bzw. -filme, vom Personalaufwand bei der Benutzerbetreuung sowie dem wachsenden Problem der Beschaffung von Ersatzteilen für konventionelle Readerprinter-Lesegeräte und dem Wunsch von Benutzern, hat man in Boppard ein duales Konzept beschlossen: Als Speichermedium der Kirchenbuchdaten sollen nach wie vor Mikrofiches dienen, als Nutzungsmedium aber Digitalisate der Unterlagen. Diese müssen so aufbereitet werden, dass die Nutzung im Lesesaal an PC-Arbeitsplätzen ohne allzu hohen Einweisungsaufwand durch das Archivpersonal erfolgen kann. Die Lesesaal- und die Personalrechner werden vernetzt, an einen Server werden externe Festplatten zur Datenablage angeschlossen. Ob die Benutzer in die gesamten Unterlagen Einsicht nehmen dürfen oder nur eingeschränkten Zugriff erhalten sollen, ist noch zu klären. Die Benutzer drucken sich die von ihnen gewünschten Daten selbst aus.

Die geplante Kirchenbuchdigitalisierung dient lediglich der effizienteren Gestaltung von Arbeitsabläufen bei der Archivbenutzung. An einen \“virtuellen Lesesaal\“ ist derzeit nicht gedacht. 2005/2006 wurde in einem Pilotprojekt gemeinsam mit der Firma Patrimonium Transcriptum eine Auswahl noch nicht verfilmter Kirchenbücher in drei Stufen bearbeitet: 1. Die Bücher wurden auf einem A-2-Buchscanner (Bookeye) im JPEG-Format gescannt. 2. Die Nachbearbeitung erfolgte mit der Software BCS-2; die Bilddaten wurden nach Signaturen geordnet aufbereitet und auf CD bzw. DVD gesichert sowie in PDF-Dateien konvertiert. 3. Die Fiches wurden auf der Basis der Digitalisate erstellt. Nach dem Vortrag wurden u.a. Erfahrungen und Meinungen zum Komplex \“Digitalisierung von Fiches oder Verfilmung von Digitalisaten\“ ausgetauscht: Die Verfilmung von Digitalisaten ist preiswerter als das umgekehrte Verfahren. Der Markt im Bereich Verfilmung/Digitalisierung ist derzeit umkämpft. 

Anschließend berichtete Werner Jürgensen M. iur. utr., der stellvertretende Leiter des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (LAELKB), über das bereits seit ca. 2000 laufende Projekt \“Virtueller Lesesaal\“ im Kirchenkreis Bayreuth. Nach der Einrichtung der Regensburger Außenstelle des LAELKB 1984 gaben über 400 Kirchengemeinden ihre Kirchenbücher dorthin ab. Nach der Verfilmung der Kirchenbücher erwarben zahlreiche Gemeinden einen Satz Duplikatfiches. Auch etliche Gemeinden, die ihre Kirchenbücher behielten, ließen diese fichieren. Im Dekanat Bayreuth wurden 1999 Kirchenbuch-Fiches verschiedener Gemeinden (des Kirchenkreises Bayreuth) gesammelt und eine \“wilde\“ Forschungsstelle eingerichtet. Daneben schlug eine Gruppe von Familienforschern und Computerbegeisterten die Digitalisierung der Originalkirchenbücher der Gegend um Bayreuth vor. Ohne Rücksprache mit dem zuständigen Landeskirchlichen Archiv wurden Pfarrer angesprochen, die die Kirchenbücher in der Regel ohne weiteres für eine Digitalisierung zur Verfügung stellten. Da die Kirchenbücher ohne Vertrag übergeben wurden, ist die Frage des Eigentums an den Scans ungeklärt.

In den letzten Jahren wurde von Seiten des LAELKB und der Bayreuther Gruppe, die sich derzeit als Verein \“Kirchenbuch – virtuell\“ konstituiert, sowohl eine vertragliche Regelung der Kirchenbuchausleihe zum Zweck des Scannens entwickelt (mit den drei Vertragspartnern Kirchengemeinde, Verein und LAELKB), die rückwirkend angewendet werden soll, als auch ein Vertrag zwischen Verein und LAELKB zur Betreibung eines virtuellen Lesesaals. In diesen Verträgen sind die rechtlichen Fragen nach dem Eigentum an den Digitalisaten, der Nutzung, der Erstellung von Kopien, der Haftung für Schäden, der Weitergabe von digitalen Unterlagen sowie dem Ende des Vertrags über den virtuellen Lesesaal angesprochen. Noch nicht geklärt sind bei dem Projekt die konservatorischen Bedenken angesichts der Digitalisierung durch Laien, die Fragen der Langzeitarchivierung, eine Qualitätssicherung im Bereich der Präsentation des virtuellen Lesesaals sowie die Frage der Trägerschaft (personelle und finanzielle Ressourcen). Ein Antragsformular für Benutzer des virtuellen Lesesaals wurde erarbeitet, die Anmeldung sowie die Verwaltung des Gebühreneingangs wird vom LAELKB getragen, die Freischaltung und die Auswahl der betroffenen Kirchenbücher vom Verein. In der Diskussion ergab sich, dass der Verein seine Satzung bisher noch nicht vorgelegt hat und dass die GKV Hof der Einstellung ihrer Kirchenbuchscans ins Internet nicht zustimmt.

Nach einer kurzen Pause referierte der Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Stuttgart, Dr. Hermann Ehmer, über die Tätigkeit des Ausschusses \“Digitale Kirchenbücher\“ des Verbandes kirchlicher Archive (VkA). Nach der Feststellung von Handlungsbedarf aufgrund der häufigen Anfragen von Benutzern wie auch von genealogischen Großorganisationen (Genealogical Society of Utah, MyFamily.com, ancestry.de) schilderte er zuerst die Situation in der württembergischen Landeskirche. Das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart hat bereits seit einem Jahr eine Kirchenbuch-Datenbank im Internet eingestellt und hat mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg wegen einer möglichen Zusammenarbeit bezüglich der Kirchenbuch-Digitalisierung Kontakt aufgenommen. Der Ausschuss \“Digitale Kirchenbücher\“ innerhalb des VkA hat sich seit seiner Gründung zweimal getroffen und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen: Die Präsentation im Internet muss analog zur Kirchenbuchbenutzung im realen Archiv aufgebaut werden (Hinweise auf die Provenienz des Kirchenbuchs; Einbau von Findmitteln; virtueller Lesesaal analog zum realen Lesesaal). Die Benutzungsordnungen der meisten Archive müssen den neuen Möglichkeiten angepasst werden (z.B. Verhinderung von Missbrauch, unbefugtem Herunterladen von Quellen, Verletzung von Eigentumsrechten). Die technischen Abläufe müssen ebenfalls noch entwickelt werden. Auch die Höhe der Gebühren sowie die Art des Einzugs sind zu klären. Ein dafür nötiger Web-Shop kann nur von einer juristischen Person betrieben werden. Es empfiehlt sich also die Gründung einer GmbH bzw. einer GmbH & Co KG (wegen Forderungen und der Haftung). Eine solche juristische Person unterliegt der Steuerpflicht. Mitglieder einer solchen GmbH können die Landeskirchen, aber auch katholische Bistümer werden.

Problematisch ist der unterschiedliche Standard der einzelnen Archive. Als nächste Arbeitsschritte wurden erarbeitet: Verlinken der genealogischen Seiten der einzelnen Archive mit der Domain www.kirchenbuchportal.de; Erstellung eines Logos für das Kirchenbuchportal; Erstellung und Einstellung von Kirchenbuchverzeichnissen. Für eine einheitliche Erfassung wird momentan an mehreren Archiven eine vom Landeskirchlichen Archiv Speyer entwickelte Erfassungsmaske ausprobiert. Im Landeskirchlichen Archiv in Berlin, wo die Erfassungsmuster der einzelnen Archive gesammelt werden, wird die Kompatibilität der verschiedenen Programme überprüft werden. – In der Diskussion zeigte sich nochmals der Gegensatz zwischen einem angestrebten Kopierschutz der ins Internet gestellten Quellen und dem Verkauf ganzer CD-ROMs mit Digitalisaten. Auch die Ausleihe von Kirchenbuchfilmen wurde unter dem Missbrauchsaspekt von etlichen Teilnehmenden als problematisch empfunden. Zum Zeitpunkt der GmbH-Gründung muss Personal eingestellt werden, das sich durch den Betrieb des Kirchenbuchportals selbst zu finanzieren hat. Die Landeskirchlichen Archive wollen sich gegenüber den großen Gesellschaften behaupten, indem sie selbst tätig werden. Der VkA hat für die Einrichtung des Kirchenbuchportals im Jahr 2008 13.000 € zur Verfügung gestellt. Die einzelnen Gliedkirchen müssen über das Vorhaben informiert werden; die Leiterin des VkA bereitet einen erläuternden Brief an alle Archive vor.

Nach der ersten Tagungseinheit führte OKR i.R. Dr. Klaus Bümlein die Teilnehmenden durch die Gedächtniskirche der Protestation und bot für alle einen interessanten Einblick in die protestantische Kirchengeschichte Speyers. Beim anschließenden Abendessen im Klosterstübchen, zu dem die pfälzische Landeskirche freundlicherweise einlud, bestand Gelegenheit zu kollegialem Meinungsaustausch. Am nächsten Morgen hielt Pfarrerin Claudia Enders-Götzelmann von der Gleichstellungsstelle der pfälzischen Landeskirche anlässlich des vorangegangenen Sonntags \“Cantate\“ eine Andacht zum Thema \“Singen\“. Die Moderation der folgenden Beiträge lag bei Dr. Bettina Wischhöfer, der Leiterin des Landeskirchlichen Archivs in Kassel sowie des VkA.

Dr. Udo Wennemuth, der Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Karlsruhe, gab im ersten Referat eine auf seinen eigenen Erfahrungen mit der Einführung von DMS basierende \“Definition archivfachlicher Standards im Hinblick auf die elektronische Aktenführung und EDV-gestützte Registratur\“. Er verwies auf die Bedeutung der Festlegung von archivfachlichen Standards angesichts der Tatsache, dass die Standards häufig von den \“IT-Leuten\“ bestimmt würden. So sollte die elektronische Datenverwaltung zu elektronischen Abgabelisten führen, Aufbewahrungsfristen sollten elektronisch festgelegt werden, die Ablage der Akten sollte nur elektronisch (in Datenbanken) erfolgen, für die Langzeitarchivierung sollte eine Übernahme in adäquate Speichermedien erfolgen. Die Grundlagen des Verwaltungshandelns, Nachhaltigkeit und Transparenz, dürften durch die Einführung von DMS nicht gefährdet werden. Bei den technisch-organisatorischen Standards sei der benötigte Speicherbedarf zu berücksichtigen, Datenmigrationsverfahren müssten geklärt werden, Konvertierungsformate und -modalitäten seinen festzulegen, die Datenverfügbarkeit, aber auch Persönlichkeitsrechte seien zu gewährleisten. Die Einführung von DMS müsse über eine Projektgruppe mit Unterstützung der Dienststellenleitung zentral erarbeitet werden, die Bereiche Registratur und Archiv müssten die Grundanforderungen an elektronische Archivierung festlegen (der elektronische Aktenplan steuert die Ablage; der Begriff \“Vorgang\“ muss definiert werden). In der Diskussion wurde auf Klärungsbedarf bei der Rechteverwaltung, bei der Finanzierung sowie bei der zumindest anfangs zusätzlichen Arbeitsbelastung bei der Einführung von DMS hingewiesen. 

Andreas Butz M.A. vom Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart leitete über zum zweiten Thema der Tagung: der kirchlichen Archivpflege in den Pfarrarchiven.
Er äußerte sich grundsätzlich zur Überlieferungsbildung in Pfarrarchiven. Zu ihrer Verbesserung schlug er eine intensivere Bewertung angesichts der steigenden Menge von Schriftgut in Pfarrarchiven vor, betonte aber auch, dass die Unterlagen überwiegend die Verwaltungsaspekte des kirchlichen Lebens dokumentierten. Er warf die Frage auf, ob Archivare lediglich die Aufgabe hätten, Schriftgut zu verwalten, oder ob – ähnlich wie Kommunalarchivare, bei denen eine Neupositionierung in dieser Frage erfolgt sei – auch Kirchenarchivare gegen erkannte Überlieferungslücken vorgehen sollten, so durch Erstellung eines Dokumentationsprofils in Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden der Kirchengemeinden. Aufgrund von Personalmangel könne wohl lediglich ein allgemeines Profil erstellt werden, das für jede Gemeinde adaptierbar sei. Der Grad der Abbildungsdichte der jeweiligen Akten spiele eine Rolle für ihre Bewertung. Dokumentationslücken sollten durch gezielte Überlieferungsbildung (z. B. Sammeln von Predigtkonzepten oder Gemeindebriefen) geschlossen werden. In der Diskussion wurde auf die rechtlichen Schwierigkeiten hingewiesen, Predigten grundsätzlich von ihren Autoren einzufordern, bzw. wurde aufgrund der großen Menge und inhaltlichen Überschneidungen einer Gesamtüberlieferung für eine Auswahlüberlieferung plädiert.

Abschließend berichteten Peter Halicska, Peter Unglaube und Christine Lauer aus den Landeskirchlichen Archiven in Nürnberg, Kassel und Speyer von ihren Erfahrungen bei der praktischen Archivpflege in Pfarrarchiven. Bei der bayerischen Landeskirche ist etwa ein Drittel der Pfarrarchive an das Landeskirchliche Archiv abgegeben, ca. 1.100 Kirchengemeinden verfügen über Schriftgut aus der Zeit vor 1900, 90 % dieser Archive sind mit Hilfe von Archivpflegern in den 1950er Jahren verzeichnet worden, seit den 1990er Jahren ist nur noch Beratung möglich, wobei es sich überwiegend um Registraturberatung auf der Basis der Registraturordnung von 1946 und ihrer Folgeauflagen handelt. Die 40 bis 50 jährlichen Außentermine der derzeit drei Archivpfleger kommen aufgrund von Anfragen zustande. Aktives Zugehen auf Kirchengemeinden ist wegen der Größe des Sprengels nicht möglich.

Im Gegensatz dazu ist in der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck das Landeskirchliche Archiv nicht für Registratur-, sondern nur für Archivberatung zuständig. Die drei Archivpfleger werden vor allem bei Pfarrerwechseln tätig, die Pfarrarchive werden dann vorübergehend in das Landeskirchliche Archiv übernommen, geordnet, verzeichnet und zurückgegeben. Die Verzeichnung im Landeskirchlichen Archiv erfolgt mittlerweile häufig durch Praktikanten und ehrenamtliche Kräfte. Für Pfarrsekretärinnen finden zweimal jährlich Fortbildungskurse im Landeskirchlichen Archiv statt. In der pfälzischen Landeskirche erfolgt die Registraturberatung überwiegend telefonisch. Außentermine können aufgrund der knappen Personaldecke kaum wahrgenommen werden. Alle Kirchengemeinden geben ihre Pfarrarchive komplett ab, wobei häufig auch noch nicht archivreife Unterlagen abgegeben werden. Bewertung und Verzeichnung erfolgen im Archiv, wobei die Verzeichnung nicht zeitnah erfolgen kann, sondern in der \“Übergangszeit\“ mit Abgabelisten gearbeitet wird. – In der abschließenden Diskussion wurde deutlich betont, dass alle Archivpfleger auch noch zahlreiche andere Aufgaben erfüllen müssten. Es wurde auch die Bedeutung der Teilnahme von Archivaren an Visitationen betont.

Nach diesen praxisorientierten Berichten und der Abschlussbesprechung endete die informative und spannende Tagung für die, die noch Zeit hatten, beim Mittagessen im Lokal \“Domhof\“, dem ehemaligen Sitz des Landeskirchlichen Archivs der Pfalz.

Link: www.evangelische-archive.de

Andrea Schwarz (Nürnberg)