Neue Bücher zum Saarland-Jubiläum

Am 25. Juni 2007 stellte Ministerpräsident Peter Müller in der Staatskanzlei drei neue Bücher der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung vor: Zu den Saarland-Jahrestagen 1935 und 1955/57 hat die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Hudemann ihre neuesten Forschungsergebnisse zur Geschichte des Saarlandes in ihren deutsch-französischen und internationalen Vernetzungen veröffentlicht. Der Historiker, der an der Universität des Saarlandes Neuere und Neueste Geschichte lehrt, ist unter anderem Spezialist für die französische Deutschlandpolitik nach 1945 und den saarländischen Sonderweg jener Zeit.
Mit den neuen Büchern erschließt die Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung im Umfeld der Jahrestage der beiden Volksabstimmungen des 20. Jahrhunderts und der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik neue Felder dieser komplizierten Themenbereiche. Sie gibt damit einer breiteren interessierten Bevölkerung Materialien an die Hand, um sich genauer mit den \“Saarjahren\“ zu beschäftigen.

Ministerpräsident Peter Müller erklärte: \“Alle drei Bücher decken zusammengenommen den Zeitraum ab, den wir als saarländischen Sonderweg bezeichnen können. Dieser Sonderweg begann mit dem Ende des 1.Weltkrieges – der Schaffung des Saargebietes, seiner Abtrennung vom Deutschen Reich und seiner Unterstellung unter ein Völkerbundmandat 1920. Gerade der ideologische Missbrauch der Saarfrage in den 30er Jahren muss uns immer eine heilsame Lehre sein, sorgsam mit unserer politischen Verantwortung umzugehen. Wachsamkeit gegenüber allem, was Extremismen und Extremisten den Boden bereitet, ist auch heute wieder in verstärktem Maße geboten. Wachsender Antisemitismus, dumpfe populistische Parolen von selbsternannten Volkstribunen oder offen zu Tage tretender Rassismus sind Phänomene, die uns zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu entschiedenem Handeln mahnen.\“ Müller erinnerte daran, dass die saarländische Geschichte nach 1945 aber ebenso zeigt, dass es auch anders gehen kann. \“An Stelle der ideologischen Aufrüstung trat nun die geistige Kehrtwende, die uns nicht mehr gegen, sondern nun in den Westen führte. Die Saarfrage wurde damals zur Bewährungsprobe des neuen Europas und des neuen deutsch-französischen Miteinanders. Heute, mehr als fünfzig Jahre später, dürfen wir mit Stolz feststellen: Europa, Deutschland, Frankreich und nicht zuletzt auch das Saarland, haben diese Bewährungsprobe bestanden.\“

Aus ihren langjährigen Forschungen zur Nachkriegsgeschichte des Saarlandes legt die Saarbrücker Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rainer Hudemann und Prof. Dr. Armin Heinen (jetzt Aachen), die bereits zahlreiche Bücher dazu publizierte, ein umfangreiches Quellen- und Arbeitsbuch \“Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa (1945-1957)\“ vor. In Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn werden Quellen zur Verfügung gestellt, die hier zumeist erstmals publiziert werden. Viele stammen aus französischen Archiven, zu welchen die französische Regierung den Saar-Forschern unbeschränkten Zugang eröffnet hat. Das Buch führt ausführlich in die komplizierte Sach- und Forschungslage ein, gibt eine große Chronologie, Kurzbiographien wichtiger in den Quellen genannter Akteure und eine umfangreiche Arbeitsbibliographie. Ziel ist es, Arbeitsgruppen in Schulen, Verbänden und interessierter Öffentlichkeit ein eigenständiges Arbeiten nach jeweils individuellen Interessen zu erleichtern. Im Mittelpunkt des Buches stehen die internationalen Verflechtungen des Saarlandes, die in ihrer Vernetzung mit den innenpolitischen Problemen in Wirtschaft, Sozialpolitik, Gewerkschafts- und Parteienwesen und Kultur und in ihren zeitweisen Perspektiven einer europäischen Saar-Lösung exemplarisch aufgezeigt werden. Eine CD-Rom von Susanne Dengel lässt den Abstimmungskampf 1955 lebendig werden. Die Arbeiten für das Buch wurden besonders von der Volkswagen-Stiftung und der Union Stiftung gefördert. Es ergänzt sich thematisch und von der Inhaltsstruktur her gegenseitig mit den anderen in den letzten Jahren vorgelegten Büchern zu dieser Thematik.

Die Bücher von Dr. Wolfgang Freund und Dr. Frank Becker, beide von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, erschließen Neuland im Umfeld der Saar-Abstimmung von 1935. In der Bundesrepublik ist seit einem Jahrzehnt in Öffentlichkeit und Wissenschaft intensiv darüber diskutiert worden, welchen Anteil Wissenschaftler an der Vorbereitung der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik in Osteuropa hatten. Freund untersucht nunmehr in seinem Buch \“Volk, Reich und Westgrenze. Deutschtumswissenschaften und Politik in der Pfalz, im Saarland und im annektierten Lothringen 1925-1945\“ die Situation im Westen. Er schildert die Gründungen, Forschungsinhalte und politischen Hintergründe der Saarforschungsgemeinschaft, der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des ihr zugehörigen Saarpfälzischen (ab 1941 Westmark-) Instituts für Landes- und Volksforschung in Kaiserslautern sowie des 1940 in Metz installierten Lothringischen Instituts für Landes- und Volksforschung. Er zeigt, wie diese Institutionen vom Regime gleichgeschaltet wurden, aber auch, wie Wissenschaftler sich in mehr oder weniger direkten Formen an der verbrecherischen Germanisierungspolitik in Lothringen beteiligten oder auch die deutsche Ausraubung von Kulturgütern zu mildern versuchten. 

\“Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar\“ – unter diesem Motto versammelte der 1919/20 gegründete \“Bund der Saarvereine\“ Tausende im Deutschen Reich verstreut wohnende Saarländer, die am 13. Januar 1935 ihr Votum zugunsten der Rückgliederung der Saar abgegeben sollten. Frank Becker untersucht, wie der Bund auf dem Fundament eines stetig wachsenden Ortsgruppennetzes im Deutschen Reich in den 15 Jahren seines Bestehens Funktionen wahrnahm, welche die amtliche deutsche Politik oftmals nicht ausüben wollte oder konnte. Das durch ihn vermittelte Gedankengut, ein Konglomerat revisionistischer, national-großdeutscher, stellenweise nationalistischer und latent antisemitischer Ideen, schlug sich in zahlreichen Druckschriften, Zeitungsbeiträgen sowie in (Massen-) Kundgebungen nieder. Ohne sich an die Nationalsozialisten zu binden, spielte der Bund im Vorfeld der Abstimmung von 1935 eine vielfältige Rolle. Nach dem Plebiszit gleichgeschaltet, bestand er noch einige Jahre als unpolitischer landsmannschaftlicher Zusammenschluss von Saarländern und Pfälzern fort. Zu beziehen sind die Bücher bei der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung im Landesarchiv Saarbrücken.

Info
Rainer Hudemann und Armin Heinen in Zusammenarbeit mit Johannes Großmann und Marcus Hahn: \“Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957. Ein Quellen- und Arbeitsbuch.\“ Mit CD-Rom zum Abstimmungskampf 1955 von Susanne Dengel, Saarbrücken 2007. (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung Bd. 41), XII u. 678 S., 29 Euro

Wolfgang Freund: \“Volk, Reich und Westgrenze. Deutschtumswissenschaften und Politik in der Pfalz, im Saarland und im annektierten Lothringen 1925-1945\“, Saarbrücken 2006. (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung Bd. 39), 552 S., 30 Euro 

Frank G. Becker: \“Deutsch die Saar, immerdar!\“ Die Saarpropaganda des Bundes der Saarvereine 1919-1935, Saarbrücken 2007. 
(Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung Bd. 40), 501 S., 29 Euro

Kontakt:
Historisches Institut, Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Hudemann
Postfach 15 11 50
66041 Saarbrücken, 
Tel.: 0681 / 302 – 2313, 
martina.saar@mx.uni-saarland.de 

Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung e.V.
Landesarchiv Saarbrücken
Dudweilerstraße 1 
66133 Saarbrücken-Scheidt
Tel.: 0681 / 98039 – 138 oder – 128
Fax: 0681 / 98039 – 133
kommission@landesarchiv.saarland.de

Quelle: idw, 25.6.2007; Pressemitteilung Universität des Saarlandes, 25.6.2007

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.