\“Wir sind froh, dass wir diesen dokumentarischen Schatz über die letzten 25 Jahre bringen konnten. Und jetzt wissen wir ihn in guten Händen!\“ So wertet Dr. Manfred Scholle, Gelsenkirchener Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen (IHK), die formelle Übergabe des Kurt-Müller-Fotoarchivs an das Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte. Oberbürgermeister Frank Baranowski und Leitender IHK-Geschäftsführer Peter Schnepper unterzeichneten am 18.6.2007 im Wissenschaftspark einen entsprechenden \“Depositalvertrag\“. Damit liegt die auf nur schätzbaren über 100.000 Negativen und 1.000 Fotos im Bild festgehaltene Dokumentation der Gelsenkirchener Nachkriegsgeschichte jetzt in der Obhut des Instituts.
Oberbürgermeister Frank Baranowski: \“Ich weiß, dass die Negative und Fotos beim Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen in sehr guten Händen sind. Ich bin gespannt, welche historische Kostbarkeiten jetzt noch gefunden werden. In jedem Fall ist die Sammlung eine Bereicherung für das Stadtarchiv."
Rückblick: Kurt Müller, Jahrgang 1907, war eine altgelsenkirchener Institution. Nach dem Kriege, in dem er begonnen hatte, heimlich Bilder aufzunehmen, arbeitete der Sohn eines Industriefotografen als selbständiger Fotograf für zwei Lokalredaktionen, der Ruhr Nachrichten und der Westfälischen Rundschau. So wurde er als jahrelanger Beobachter der heimischen Szene bekannt. Von 1947 bis 1980 hat er in fast einmaliger Kontinuität die Nachkriegsgeschichte der Stadt durch das Objektiv beobachtet. Von der Trümmerzeit an über erste Ratssitzungen bis hin zur städtebaulichen Entwicklung hat er den gesamten Wiederaufbau abgelichtet. Unter dem Material befinden sich sämtliche Premieren des Musiktheaters oder alle Besuche der damaligen Politprominenz. Die Wirtschaft der Stadt ist u. a. durch die Demontage, den Aufbau, Betriebsansiedlungen und -stilllegungen, Grubenunglücke und durch zahlreiche Firmenjubiläen vertreten. Ganz besonders am Herzen lagen ihm seine Sportaufnahmen.
Aus Altersgründen wollte Kurt Müller sein Fotofilmarchiv 1982 in andere Hände geben. Es waren die Wirtschaftsjunioren bei der IHK in Münster, die hier eine praktische Gelegenheit sahen, zum Nutzen einer Stadt und darüber hinaus einen beispielhaften Beleg einer Nachkriegsgeschichte zu sichern. Sie erwarben das Material und übergaben es an die IHK am Bueraner Rathausplatz, die damals noch \“Vestische Gruppe der IHK Münster\“ hieß. \“Überbringer\“ damals war Hermann Grewer aus Gelsenkirchen, heute wie Dr. Scholle Vizepräsident der IHK Nord Westfalen. Er war damals Landesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren, die sich mit diesem Geschenk für die Unterstützung bei der Ausrichtung einer Bundeskonferenz in Münster bedankten.
Jetzt aber ist auch Peter Schnepper froh, im Institut für Stadtgeschichte Profis im Umgang mit solchen Archiven gefunden zu haben: \“Als IHK waren und sind wir mit einer Aufbereitung des Archivs überfordert. Wir konnten es auch nur sporadisch zugänglich machen, etwa für Heimatforscher oder aus Anlass der letzten Fussballweltmeisterschaft\“. So übergab Schnepper als letzte Negativstreifen die Aufnahmen von Kurt Müller anlässlich der WM 1974 in der Stadt. Diese hatte der Künstler Marcus Kiel auf seine Art auf Stahl reproduziert und sie waren im Mai letzten Jahres im Industrieclub Friedrich Grillo ausgestellt worden.
\“Außerdem fehlt uns ein Kühlraum\“, so Schnepper weiter. Der aber sei dringend nötig, weil aufgrund ihrer damaligen chemischen Zusammensetzung bei den ältesten Negativen bereits ein Auflösungsprozess eingesetzt hatte. Den kann nur Kühle stoppen. Darüber hinaus handele es sich um Negative. Schnepper: \“Bei der Masse von Aufnahmen hätten bis vor kurzem allein schon einfache Kontaktabzüge jeden Kostenrahmen gesprengt. Heute mag die digitale Einscantechnik helfen\“.
\“Doch auch jetzt noch lässt Sysiphos grüßen\“, sagt Institutsleiter Dr. Jürgen Priamus. Denn als einziges Zuordnungshilfe habe Kurt Müller lediglich einige Schulbuchkladden mit handschriftlichen Notizen hinterlassen. Deren Bedeutung erschließe sich in der Regel bestenfalls nur durch einzelnes Anschauen. \“Wir werden noch Jahre benötigen, bis das Archiv tatsächlich allgemein leicht zugänglich ist\“, befürchtet er.
Kontakt:
Institut für Stadtgeschichte
Munscheidstraße 14 (Wissenschaftspark)
45886 Gelsenkirchen
Telefon: +49 (0)209/169-8551
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isg@gelsenkirchen.de
Quelle: IHK Nord Westfalen, Pressemitteilung, 18.6.2007