Kempowskis Lebensläufe

Die Akademie der Künste zeigt vom 20. Mai bis 15. Juli 2007 eine Ausstellung über Leben und Werk des Schriftstellers Walter Kempowski. „Kempowskis Lebensläufe“ schöpft aus dem Fundus seiner drei Archive: des persönlich-literarischen Archivs, der Sammlung von über 300 000 Alltagsfotografien und des Biographienarchivs mit über 8 000 Personenkonvoluten. Die Akademie der Künste übernahm 2005 diesen gewaltigen Bestand, insgesamt 500 Regalmeter, in sein Archiv und stellt ihn jetzt erstmals in Form einer Ausstellung, in einer Topografie des Erinnerns, vor. Über die Biographie des Autors und sein literarisches Lebenswerk hinaus veranschaulichen 1 600 ausgewählte Exponate mehr als 100 Jahre erlebter und dokumentierter, archivierter wie literarisch gestalteter deutscher Geschichte. Am 19. Mai 2007 wird die Präsentation von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet. Zur Ausstellung, von Dirk Hempel – langjähriger Mitarbeiter und Biograph von Walter Kempowski – kuratiert, findet ein umfassendes Begleitprogramm statt. Walter Kempowski selbst wird zu einer Lesung am 12. Juni 2007 erwartet.

Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet das Zuchthaus Bautzen, gravierender Einschnitt und Antrieb für Kempowskis Schaffen zugleich. Den Beschränkungen der Haft entspricht die Reduktion auf wenige Exponate; der umgebende Raum, der so genannte Max-Liebermann-Saal, in dem die historischen Zeitschichten des Akademie-Gebäudes am Pariser Platz von der Kaiserzeit über die Jahre der DDR bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind, stellt sie jedoch in einen großen geschichtlichen Zusammenhang. Der zweite Ausstellungsraum zeichnet Walter Kempowskis Weg zum Schriftsteller, von seiner Ankunft in der Bundesrepublik 1956 bis zum Erstlingswerk Im Block, das die Haftzeit in Bautzen verarbeitet und 1969 erschien. Im anschließenden großen Saal entfaltet sich aus dem Reichtum seines literarischen und autobiographischen Schaffens Kempowskis dreifache Laufbahn als Pädagoge, Archivar und Schriftsteller. Von den Romanen und Befragungsbänden der Deutschen Chronik bis zu den jüngst erschienenen Werken spannt sich der Bogen. Dabei werden nicht nur Briefe und Manuskripte, Fotos und Dokumente gezeigt, sondern auch eine Vielzahl von Objekten, teils aus Familienbesitz, teils selbst gefertigt oder gesammelt, die dem Schriftsteller als Erinnerungsanker und Anschauungsmaterial dienten. Nach dieser Fülle folgt die Konzentration auf den einzelnen literarischen Text; das Medium wechselt vom schriftlichen Beleg zum gesprochenen Wort: Ein einziger Tag im Echolot, der 1. Januar 1943, ist in einer akustischen Bearbeitung zu hören. Der aus 96 zeitgenössischen Zitaten montierte Text wurde von Mitgliedern der Akademie der Künste u. a. Andreas Dresen, Gisela May, Ulrich Matthes, Hans Neuenfels, Katharina Thalbach, Wim Wenders, eigens für die Ausstellung gelesen und aufgezeichnet. Am Ende der Raumfolge greift die Ausstellung auf die reichen Bestände des Biographien- und des Fotoarchivs zurück und fügt die ausgewählten Bilder und biographischen Texte zu einer Collage, die – nach Kempowskis eigenen Schlagworten gegliedert – ein Panorama von hundert Jahren deutscher Geschichte entwirft.

Info
Begleitbuch zur Ausstellung:
Dirk Hempel, Kempowskis Lebensläufe. Herausgegeben von der Akademie der Künste, Berlin 2007; 19.90 €, ISBN 978-3-88331-111-1, Best.-Nr. 4025 über www.buchhandlung-fuerst.de

Veranstaltungen zur Ausstellung:
Sonnabend, 9. Juni 2007, 15 Uhr, Hanseatenweg 10, Berlin-Tiergarten, Studio
„Tadellöser & Wolff“/ Film von Eberhard Fechner nach dem gleichnamigen Werk Walter
Kempowskis (ZDF), Dauer: 2 x 90 Minuten mit Pause. Eintritt frei

Sonntag, 10. Juni 2007, 11 bis 13 Uhr, Pariser Platz, Ausstellungssäle
Sammeltag. Walter Kempowski nimmt Tagebücher, Fotos und Briefwechsel entgegen.
Die Akademie der Künste ruft, einem Wunsch des Schriftstellers Walter Kempowski entsprechend, in Deutschland lebende Menschen, vor allem solche mit Migrationshintergrund, ohne Ansehen von sozialem Status, Alter oder Geschlecht, geographischer oder politischer Herkunft auf, Tagebücher, Familienchroniken, Fotoalben und Ähnliches zur Ergänzung seines Archivs zur Verfügung zu stellen. Es wird kein Wert auf besondere sprachliche bzw. fotografische Gestaltung gelegt. Mit den Unterlagen wird, jeweils den Wünschen der Einlieferer entsprechend, auch vertraulich umgegangen. Als Chronist der Deutschen hat Walter Kempowski den Lauf der deutschen Geschichte seit Ende des 19. Jahrhunderts bis heute aus der Perspektive des Individuums und seines persönlichen Erlebens literarisch dargestellt. Sein Archiv bildet eine wesentliche Grundlage seiner schriftstellerischen Arbeit. Um die Veränderung Deutschlands durch die Migrationen der letzten Jahrzehnte angemessen dokumentieren und ggf. literarisch gestalten zu können, sollen auch diese in Deutschland lebenden Menschen und Familien mit ihren persönlichen Dokumenten in sein Archiv Eingang finden. Walter Kempowski wird an einem besonderen Sammeltag, Sonntag, den 10. Juni 2007, von 11 bis 13 Uhr im Akademiegebäude am Pariser Platz 4 in Berlin persönlich diese Unterlagen entgegennehmen. Die Unterlagen können auch postalisch eingesandt (Akademie der Künste, Walter-Kempowski-Archiv, Postfach 210250, 10502 Berlin) oder persönlich im Archivgebäude Robert-Koch-Platz 10, 10115 Berlin (montags bis freitags 10-16 Uhr) abgegeben werden. Einsendeschluss ist der 31. Juli 2007.

Dienstag, 12. Juni 2007, 20 Uhr, Pariser Platz, Plenarsaal
Lesung mit Walter Kempowski. Einführung Christoph Stölzl. Eintritt € 5.-/€ 3.-

Sonntag, 24. Juni 2007, 11 Uhr, Pariser Platz, Plenarsaal
Tanja Dückers, Malin Schwerdtfeger, Falko Hennig, Gerhard Henschel und Benjamin von
Stuckrad-Barre lesen Texte von Walter Kempowski. Begrüßung Sabine Wolf. Eintritt € 5.-/€ 3.-

Sonnabend, 30. Juni 2007, 18 Uhr, Hanseatenweg 10, Berlin-Tiergarten, Studio
„Stimmen aus dem Dunkel. Walter Kempowskis Echolot“, Dokumentarfilm (Märzfilm/ ZDF),
Regie: Peter Leippe, Dauer: 60 Minuten. Eintritt frei

Sonntag, 8. Juli 2007, 15 Uhr, Hanseatenweg 10, Berlin-Tiergarten, Studio
„Ein Kapitel für sich“, Film von Eberhard Fechner nach dem gleichnamigen Werk von Walter
Kempowski (ZDF), Dauer: 3 x 90 Minuten mit Pausen. Eintritt frei

Kontakt
Akademie der Künste 
Pariser Platz 4
10117 Berlin-Mitte 
Tel.: 030 / 200 57 – 0
info@adk.de

Archiv der Akademie der Künste
Zentraler Lesesaal
Robert-Koch-Platz 10
10115 Berlin-Mitte
Tel.: 030 / 200 57 – 3247
Fax: 030 / 200 57 – 3102

Quelle: Pressemitteilung Akademie der Künste, 24.4.2007; Aktuell/Veranstaltungen Akademie der Künste; Horst Willi Schors, Kölner Stadtanzeiger, 16.5.2007

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