Kulturerbe-Preis für Zentralinstitut für Kunstgeschichte München und Bildarchiv Foto Marburg

Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München und das Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte erhalten gemeinsam den Hauptpreis für besondere Leistungen in der Kategorie \“Bewahrung von Kunstwerken und Sammlungen\“ der EUROPA NOSTRA-Organisation. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung geht an die beiden kunsthistorischen Institutionen für die Sicherung und digitale Veröffentlichung des historischen \“Farbdiaarchivs zur Wand- und Deckenmalerei\“, das zwischen 1943 und 1945 entstand.

In den Jahren 1943 bis 1945 ließ Adolf Hitler eine Fotokampagne durchführen, um die historisch und künstlerisch wertvollsten Wandmalereien in den Grenzen des Deutschen Reiches zu dokumentieren. So wurde bis unmittelbar vor Kriegsende unter allergrößten Anstrengungen und mit hoher Priorität ein einzigartiges Farbdiaarchiv produziert. Die knapp 40.000 erhaltenen Diapositive überliefern die letzten, oft die einzigen farbigen Ansichten bedeutender Kunstwerke vor ihrer Zerstörung oder Beschädigung im Zweiten Weltkrieg. Seit zwei Jahren sind sie als Bilddatenbank im Internet frei zugänglich. Was sich so leicht anhört, ist tatsächlich eine spannende Rekonstruktion eines einzigartigen Farbdiaarchivs und deren Restauration und digitale Veröffentlichung durch das Bildarchiv Foto Marburg und das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München. Dafür erhielten beide kunsthistorischen Institutionen nun den Hauptpreis für besondere Leistungen in der Kategorie \“Bewahrung von Kunstwerken und Sammlungen\“ von EUROPA NOSTRA, einem europäischen Verbund von über 220 Denkmalschutzorganisationen aus über vierzig Ländern, der herausragende Leistungen zur Bewahrung und Pflege europäischen Kulturgutes fördert und unterstützt.

Das digitale "Farbdiaarchiv zur Wand- und Deckenmalerei" zeigt Fotografien von Freskenzyklen und Wanddekorationen in Kirchen, Klöstern, Schlössern und anderen Profanbauten in Deutschland, Österreich, Polen, Russland und Tschechien. Das Archiv enthält gegenwärtig 39.300 Bilddokumente aus 485 Bauwerken in 305 Ortschaften, wobei die Kunstwerke entsprechende ihrer Bedeutung unterschiedlich dokumentiert sind. Die dem Archiv zugrunde liegende Fotokampagne der Jahre 1943 bis 1945 war der Versuch des nationalsozialistischen Regimes, angesichts drohender Zerstörung durch alliierte Luftangriffe die wandfeste Ausstattung bedeutender Baudenkmäler im \“großdeutschen Reich\“ zu dokumentieren. Die Farbdiapositive wurden schon vor Kriegsende in verschiedenen Depots ausgelagert. Der größte Teil wurde 1956 im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München zusammengefasst, ein anderer Teil war im Besitz des Kunsthistorischen Instituts der Mainzer Universität, bis es 1996 als Dauerleihgabe an das Bildarchiv Foto Marburg kam. Zu dieser Zeit war die Gefährdung des Farbdiabestandes durch chemisch-physikalische Alterungsprozesse des Materials nicht mehr zu übersehen. Gleichzeitig stand mit der fortgeschrittenen Digitalisierungstechnik ein gangbarer Weg zur Konservierung der unersetzlichen Bildinformationen zur Verfügung. \“Auf Initiative meines Vorgängers, Professor Dr. Lutz Heusinger\“, erklärt der Leiter des Bildarchivs Foto Marburg, Dr. Christian Bracht, \“ wurden die Farbdias ab dem Jahr 2001 in Kooperation mit dem Münchner Zentralinstitut digitalisiert und wissenschaftlich erschlossen. Damit haben wir nicht nur die Nutzbarkeit des Bildmaterials gesteigert, das nun über eine Bilddatenbank für wissenschaftliche Zwecke gut recherchierbar ist, sondern wir haben zumindest den jetzigen Zustand der Dias als Scan konserviert, um dem Farbverlust der Diapositive zu begegnen.\“

Zudem sind die in München und Marburg getrennt aufbewahrten Konvolute nun zumindest virtuell in einem einheitlichen digitalen Mastersatz zusammengeführt, so im \“Bildindex der Kunst und Architektur\“, der online zugänglichen Verbunddatenbank des Bildarchivs Foto Marburg mit insgesamt 1,9 Millionen Bildern. Durch die Integration des Gesamtbestands des Führerauftrags zusammen mit den Erschließungsdaten (Künstlername, Orte, ikonographische Motive usw.) seien die historischen Fotografien auch im jeweiligen architektonischen Kontext recherchierbar, erklärt Dr. Bracht das preisgekrönte Unternehmen der letzten Jahre, das eine wichtige Quelle für Forschungen und Restaurierungsvorhaben zum europäischen Kulturerbe darstellt. Um solche Unterfangen, die auf die Bewahrung und Pflege europäischen Kulturgutes abzielen, zu würdigen, werden seit 2002 die Kulturerbe-Preise / EUROPA NOSTRA-Preise gemeinsam von der Europäischen Kommission und EUROPA NOSTRA im Rahmen des Programms \“Kultur 2000\“ vergeben. Die diesjährige Preisverleihung findet am 8. Juni 2007 im Rathaus von Stockholm in Anwesenheit des schwedischen Königspaares statt.

Kontakt:
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Dr. Stephan Klingen und Dr. Ralf Peters
Meiserstraße 10
80333 München
Tel.: 089 / 28 92 75 – 63 und – 73
S.Klingen@zikg.eu und R.Peters@zikg.eu

Bildarchiv Foto Marburg
Dr. Christian Bracht
Biegenstraße 11
35037 Marburg
Tel.: 06421 / 2 82 36 00
bracht@fotomarburg.de

Quelle: Dr. Viola Düwert, Pressemitteilung Philipps-Universität Marburg, 7.5.2007; Pressemitteilung Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, 26.4.2007

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