Im Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr wird zunehmend Wert auf eine ausgeprägte archivpädagogische Arbeit gelegt. Mitverantwortlich dafür ist Dr. Kai Rawe, seit einem Jahr Mitarbeiter im Stadtarchiv, allerdings nur mit einem befristeten Zweijahresvertrag. Er hat inzwischen Kontakt zu allen Mülheimer Schulen aufgenommen, angefangen bei den Grundschulen bis hin zu den Gymnasien. Sein Ziel ist es, alle Altersgruppen für die Arbeit im Archiv zu begeistern. So hat Dr. Rawe bereits mit einzelnen Klassen einen Workshop zum Thema Mülheim im Mittelalter durchgeführt sowie anderen bei ihren Recherchen über das Leben in den 1920er Jahren geholfen. Zur Zeit bereitet er zusammen mit einem Gymnasiallehrer eine Unterrichtsreihe zur Stadtgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit vor. Gemeinsam mit Grundschullehrern hat er einen Arbeitskreis gegründet, der es sich zum Ziel gesetzt hat, durch entsprechend aufbereitete Quellen selbst die jüngsten Schüler für das Arbeiten im Archiv zu begeistern. Älteren Schüler hingegen soll durch thematische Quellen und Textsammlungen aus ihrer Heimatstadt, die die geschichtlichen Entwicklungen vom Mittelalter bis zur Zeit des Nationalsozialismus aufzeigen, verdeutlicht werden, dass sich Geschichte nicht nur weit entfernt abspielt, sondern auch in ihrer unmittelbaren Umgebung stattfindet. Dem Ziel, das historische Wissen der Schüler zu vertiefen, dient auch ein Geschichtswettbewerb, den Dr. Rawe im Auftrag des Stadtarchivs Mülheim zusammen mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mülheim und Business für das Stadt-Jubiläumsjahr 2008 plant.
Desweiteren ist Dr. Kai Rawe damit beschäftigt, ein Konzept für das geplante Haus der Stadtgeschichte zu erarbeiten. Hierbei denkt er zum Beispiel daran, Projektwochen an Schulen zu begleiten, Geschichtswerkstätten anzubieten, Geschichtsgesprächskreise aktiv zu begleiten, Seminare über Archivarbeit anzubieten und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Universitäten der Region anzustreben. Eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Stadtgeschichte zeigt sich auch darin, dass für die Internetseite der Stadt ein Zeitzeichen verfasst wird. Das Stadtarchiv beleuchtet in der Serie \“Mülheimer Zeitzeichen\“ historische Daten, die eine Rolle in der Mülheimer Stadtgeschichte spielen. Die einzelnen Beiträge erscheinen in unregelmäßiger Folge jeweils unmittelbar vor dem jeweiligen Gedenk- beziehungsweise Jubiläumstag und sollen den Leser einstimmen auf das anstehende 200-jährige Stadtjubiläum im Jahre 2008.
Aktueller Vortrag
Donnerstag, 12. April 2007, 19.00 Uhr
Dr. Kai Rawe (Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr):
Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Ersten Weltkriegs
(Reihe zur Mülheimer Geschichte)
Kunstmuseum in der Alten Post, Foyer
Eintritt frei
Info:
Die Ausbeutung von Zwangsarbeitern im Dienste der deutschen Kriegswirtschaft ist kein ausschließliches Phänomen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs gewesen. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurden massenweise ausländische Arbeitskräfte in Deutschland zur Arbeit gezwungen. Am Beispiel des Ruhrbergbaus beleuchtet der Vortrag dieses lange Zeit vernachlässigte Kapitel der Sozialgeschichte des Ersten Weltkrieges.
Im August 1914 wurde über ein Viertel der Ruhrbergleute eingezogen oder meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. Innerhalb kürzester Zeit verließen mehr als 110.000 Bergleute die Zechen, sank die Kohlenförderung um etwa die Hälfte ab. Da andere Arbeitskräfte kaum zu beschaffen waren, füllten die Bergwerksunternehmen seit 1915 die Lücken in ihren Belegschaften immer häufiger durch Zehntausende Kriegsgefangene aus Russland, Frankreich, Belgien, England oder anderen \“Feindstaaten\“ sowie durch Zivilarbeiter aus den besetzten belgischen und russisch-polnischen Gebieten.
Der Vortrag beleuchtet, unter welchen Bedingungen diese Arbeitskräfte im Ruhrkohlenbergbau zur Arbeit eingesetzt wurden, wie sich ihre Lebenssituation entwickelte und wie die Zechenleitungen und Behörden mit ihnen umgingen.
Kontakt:
Dr. Kai Rawe
Kulturbetrieb / Stadtarchiv
Aktienstraße 85
45473 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 0208 / 455-4263
Fax: 0208 / 455-4279
Kai.Rawe@stadt-mh.de
www.stadtarchiv-mh.de
Quelle: Thomas Emons, NRZ, 10.4.2007