Digitalisierung von 2.130 gerollten Bauplänen im Landeskirchlichen Archiv Kassel – Herausforderung und Chance

Der Zerstörung Kassels im Zweiten Weltkrieg fielen auch die meisten kirchlichen Einrichtungen zum Opfer. Die bauliche Tätigkeit der Kasseler Gemeinden nach 1945 schlug sich u.a. in 2.130 Bauskizzen, Bauzeichnungen und Bauplänen des „Gesamtverbandes der Evangelischen Kirchengemeinden in Kassel“ nieder. Der Bestand der Bauzeichnungen umfasst 51 verschiedene Projekte aus 24 Gemeinden. Das Material stammt überwiegend aus den 50er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Gesamtheit aller Kasseler Pläne stellt eine aussagekräftige und zeitlich wie räumlich dicht gestaffelte Dokumentation moderner deutscher Kirchenbaukunst dar. Der Erhaltungszustand der gerollten Baupläne war schlecht, das Material in höchstem Grade fragil. Viele Pergaminpapiere waren eingerissen, die Blaupausen verblasst. Maßstabsgenaue Digitalisierung war dringend angesagt – umso mehr, als demnächst zahlreiche 50-jährige Kirchbaujubiläen in Kassel anstehen und mit einer intensiven Nutzung der Archivalien zu rechnen ist. 

Im Rahmen einer Kooperation zwischen Landeskirchlichem Archiv Kassel und Archivschule Marburg wurde 1995 während einer Verzeichnungsübung des 29. wissenschaftlichen Kurses neben 22 Metern Schriftgut auch die Baupläne des Gesamtverbands Kassel erfasst. Die Baupläne waren durch die Archivschule grob erschlossen und verpackt (circa zehn bis zwanzig gerollte Pläne in einer Falthülse). Für die bevorstehende Digitalisierung war jedoch eine Einzelblattverzeichnung notwendig. Erfasst wurden die bestehende Archivsignatur und ein sprechender Dateiname, Beispiel: 
4012-7 / 0462-54_Martinskirche_+Kassel-Mitte_Kirche_Ansicht.

Die Einzelblattverzeichnung, die auch das Format erfasste (kleiner oder größer DIN-A 1, wichtig zur Ermittlung der Gesamtkosten) und ob es sich um einen farbigen oder s/w-Bauplan handelte, wurde von zwei Archivmitarbeitern in Teamarbeit geleistet und hat insgesamt über drei Monate hinweg circa 80 Arbeitsstunden in Anspruch genommen. Ergebnis war eine achtzigseitige Liste (26% farbige Pläne und 74% s/w-Pläne). Farbige Pläne sollten nach der digitalen Erschließung (256 Farben) auch als solche erkennbar bleiben, wurden also farbig digitalisiert. Die größere Anzahl an schwarz-weißen Plänen wurden zunächst sicherungsverfilmt und dann digitalisiert. Dieses Vorgehen war ohne Qualitätsverlust deutlich kostengünstiger. Die Datenmengen von 40 GB fanden Platz auf einer externen Festplatte (JPEG-Endformat). Es handelt sich im einzelnen um 1.692 s/w-Pläne, 277 farbige Pläne bis DIN-A 1 und 162 farbige Pläne größer als DIN-A 1.
Die Digitalisierung mit einer Auflösung von 300 dpi wurde 2006 von einer Fachfirma (Microformat Systems, Lisse) durchgeführt. Die Digitalisierungskosten betrugen insgesamt 7.200,- €. Zur Sicherung wurden die Datensätze auf zwei weitere Festplatten kopiert und ein Satz DVD-Kopien angefertigt. Die Verknüpfung der Datensätze mit Thumbs-Plus erlaubt dank der intensiven Einzelblattverzeichnung im Vorfeld der Digitalisierung eine sofortige Recherchierbarkeit.

Vor der Digitalisierung gab es praktisch keine Nutzungsmöglichkeiten – bei gerollten Bauplänen verbietet sich eine Nutzung aus Gründen der Bestandserhaltung. Nach der Digitalisierung der Bestände ist eine rationelle und effektive Nutzung möglich und findet auch statt. Der digitale Zugang zu Beständen erweist sich als mitarbeiter- und benutzerfreundlich.

Digitale Erschließung bleibt jedoch während der Vorbereitungs- und Realisierungsphase immer eine Herausforderung. Nicht unterschätzt werden sollte die zu reservierende Zeit für die professionelle Aufbereitung der Daten, sprich für die gute, alte Verzeichnungsarbeit vorher oder nachher – oft auch vor und nach dem technischen Vorgang „Digitalisierung“, der sich nach allen bisher gemachten Erfahrungen auch nicht „von selbst macht“. In der sich anschließenden Benutzungsphase aber greifen Rationalisierungspotentiale. Schnellerer Zugriff und häufigere Nutzung sind aufgrund strategischer Vorüberlegungen – durch die Wahl eines aussagekräftigen Dateinamens – bereits direkt nach der Digitalisierungsphase möglich. 

Bettina Wischhöfer

Kontakt:
Dr. Bettina Wischhöfer
Landeskirchliches Archiv Kassel / Vorsitzende Verband kirchlicher Archive
Lessingstraße 15 A
34119 Kassel
Tel. 0561 / 78876-12
Fax: 0561 / 78876-11
archiv@ekkw.de / info@evangelische-archive.de 
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