Fotoausstellung zu Dichtern und Denkern im Deutschen Literaturarchiv

In zwei Museen, dem Schiller-Nationalmuseum und dem Literaturmuseum der Moderne, zeigt das Deutsche Literaturarchiv Marbach seine Bestände. Dabei versteht sich Marbach als Experimentierfeld für neue Denk- und Vermittlungsweisen im Umgang mit Literatur. Die große Sonderausstellung »In der Geisterfalle. Ein deutsches Pantheon«, wurde am 11.11.2006 eröffnet und ist bis zum 27.1.2007 zu besichtigen. In sämtlichen Räumen der Beletage des Schiller-Nationalmuseums werden Fotos von Dichtern und Denkern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gezeigt. Mehr als 500 Exponate, ausgewählt aus den etwa 150 000 Sammlungsstücken der Einrichtung, von denen die meisten nie zuvor zu sehen waren, geben einen Eindruck vom Reichtum der Sammlungen des Deutschen Literaturarchivs Marbach, das nicht umsonst als »National Portrait Gallery« der Deutschen gilt.

Ab dem Jahr 2006 stehen die Ausstellungen zum ersten Mal unter einem Jahresthema. Mit der Eröffnung des Literaturmuseums der Moderne liegt das Thema auf der Hand: Zeigen. Was zeigt die Literatur? Wie zeigt sie es? Kann sie und soll sie selbst überhaupt gezeigt werden? Das Jahresthema 2007 heißt: Ordnen. Im Zeichen des Marbacher Jahresthemas 2006 »Zeigen« rückt die Ausstellung eine denkwürdige Begegnung ins Licht: Was passiert, wenn sich das Phantasma des Dichterbildes mit der technischen Bildkunst Fotografie trifft? Als Teil des Dichterkults, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts einsetzt und unter anderem zur Gründung des Schiller-Nationalmuseums im Jahre 1903 geführt hat, hat das fotografische Autorenporträt nicht nur das verbreitete Bild vom Dichter geprägt, sondern auch einen Weg zum Verständnis der Literatur vorgezeichnet. Wie keine andere Kunst ist die Literatur von dem Verlangen besessen, ihren schöpferischen Genius zu zeigen; wie keine zweite Kunstform traut sie dem Bild des Urhebers aufschließende Kraft zu. In dem großen biografischen Appetit, der die Literatur begleitet, schlummert der Hunger nach dem Bild des Autors. Lesen ist eine zeitraubende, einsame und asketische Tätigkeit; die sinnlichen Reize, die sie verspricht, realisieren (oder versagen) sich in der Vorstellungskraft des Lesers. Wer aber weiß, wie der Autor aussah, wie sein Auge leuchtete und wie er die Zigarette hielt, der scheint vor jeder Lektüre schon etwas von seinem Werk begriffen zu haben: Die Literatur ist geschlagen mit einem grandiosen physiognomischen Versprechen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung »In der Geisterfalle« steht deshalb das Bild des großen Geistes. Jedes Porträtfoto eines Autors, sobald er als ein solcher anerkannt ist, zeigt auf die eine oder andere Weise Spuren des Kampfes, bei dem es darum ging, ihn noch einmal – und diesmal mit fotografischen Mitteln – zur Welt zu bringen. Ihn vor die Linse und zur Erscheinung auf der glatten Fläche des Fotopapiers zu zwingen. Seinen Geist zu beschwören – und mit ihm den Geist der Literatur, den Genius der Schöpfung. Die Methode der Spiritfotografie zitierend, wird der Begriff der »Geisterfalle« zur ironischen Metapher für das Aufeinandertreffen von Dichterverehrung und fotografischer Porträtkunst, die übrigens keinerlei Kunstwollen zur Voraussetzung gehabt zu haben braucht. 

Die Auswahl der hier gezeigten Bilder reicht von Fotografien, deren Arrangement der klassischen malerischen Porträtsitzung entlehnt ist, bis hin zu verspielten Zufallsprodukten, Bildern, wie sie einzig Kindern, Betrunkenen oder Göttern gelingen. Bedeutendes lässt sich nicht zeigen, es enthüllt sich allerdings, und damit dies geschehe, bedarf es nicht nur der Kunst des Fotografen, sondern auch der Gunst des Augenblicks. Häufig genug trennt nur ein Wimpernschlag das Bild, das den Zauber des literarischen Genies einfängt, von dem Bild, in dem sich die vollkommenste Entzauberung vollzieht.

Die vierzehn Bilderreihen der Ausstellung beanspruchen keine kunsthistorische oder literaturwissenschaftliche Objektivität. Sie sprechen von dem Vergnügen, das es bereitet, anhand von Bilderserien Analogien, Anspielungen und verdeckte Hinweise zu entdecken, zu denen das Einzelbild schweigen müsste. Indem sie die Fotos aus ihrem historischen und biografischen Kontext löst, findet diese Ausstellung ihre eigene, bisweilen zarte, ja zärtliche, bisweilen aber auch maliziöse Empirie, die zu eigenen Motivreihen und Bildfamilien drängt. Unversehens ergibt sich so ein verrückter Bilderatlas, der sich in den feinen Variationen seiner Sujets wie in der wilden Komparatistik seiner Serien der Form des Films annähert. Das leise Lachen, das sich nicht unterdrücken lässt, wenn Pathos in (unfreiwillige) Komik umschlägt, entstammt hier den Bildern und Serien selbst. Der Witz liegt im Akt des Verschiebens; er lauert in den Nachbarschaften, von denen die Fotografierten selbst nichts wussten, als sie ihre prätentiösen, raffinierten oder unschuldigen Posen einnahmen. An die Stelle einer List der Vernunft, die sich angeblich in der Geschichte durchsetzt, tritt im Fotoarchiv der Dämon des Missgeschicks, der die intelligentesten Posen und die kunstvollsten Arrangements verzerrt und sie dem Gelächter preisgibt. 

Neben den großen und erhabenen Geistern zeigt die Ausstellung auch die vielen kleinen und unberühmten – auch darin bleibt sie dem Geist des Archivs treu. Nicht jedes der ausgestellten Porträts ist ein Original im strengen Sinn der Fotogeschichte, die zwischen Unikaten, vintage prints und Massenware unterscheidet. Aber jedes dieser Bilder ist ein Original im Bestand der Sammlung und zeichnet sich durch eine besondere Stellung im Nachlass des jeweiligen Dichters aus. Indem es den Archivbestand sichtbar macht, verweist das Pantheon der Dichtergeister auf den letzten Ort des Nachlasses wie auf den ersten Ort der Dichterverehrung.

Info: Zur Ausstellung erscheint das Marbachermagazin 115/116: In der Geisterfalle. Ein deutsches Pantheon: Fotos aus dem Archiv aus drei Jahrhunderten. Von Heike Gfrereis, Ulrich Raulff und Ellen Strittmatter. Mit einem Essay von Sibylle Lewitscharoff. 2006. 140 Seiten, zahlreiche farbige Abb. € 16,-. ISBN-13: 978-3-937384-25-2 / ISBN 10: 3-937384-25-1 

Kontakt
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Tel.: +49 7144 848-0
Fax: +49 7144 848-299

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Literaturarchiv Marbach, 7.11.2006

Gedenkbuch für Karlsruher Juden jetzt online

1933 lebten 3.358 Juden in Karlsruhe. Über 1.000 fanden zwischen 1933 und 1945 den Tod. Sie sollten nach dem Willen der Nationalsozialisten namenlos vergessen werden. An sie erinnert das Gedenkbuch, das auf einer Gedenkliste, die 1988 im Zusammenhang mit dem Besuch der ehemaligen Karlsruher Juden im Auftrag der Stadt erstellt wurde, basiert. In ihr sind die Namen und Lebensdaten der Ermordeten aufgeführt. Auf dieser Grundlage legte das Stadtarchiv Karlsruhe eine Datenbank an, die Recherchen nach Namen, Adressen, Berufen, besuchten Schulen und Deportationsorten der Betroffenen ermöglicht. Betreut durch das Stadtarchiv Karlsruhe sollen nach und nach die Biographien der Toten von Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern, von Jugendlichen oder Gruppen geschrieben und hinzugefügt werden. Ansprechpartner sind hier der Stadthistoriker Dr. Manfred Koch und der Projektbetreuer Jürgen Schuhladen-Krämer. Diese individuelle Hinwendung zu dem Leben der Opfer ist zugleich Bestandteil der öffentlichen Gedenkkultur der Stadt. Jede fertig gestellte Biographie wird mit dem Namen des Verfassers dem Gedenkbuch eingefügt, das nun sowohl als Datenbank und auch als materielles Buch vorliegt. Dadurch werden die auf dem Grabstein eingravierten Namen mit einer jeweils individuellen Geschichte verbunden.

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde im Januar 2001 der Gedenkstein auf dem Karlsruher Hauptfriedhof enthüllt, auf dem alle Namen der in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten und zu Tode gekommenen Karlsruher Juden eingraviert sind. Er ist Ausdruck der Hoffnung, die Vertriebenen und Toten, die meist keine eigene Grabstätte haben, zumindest symbolisch heimzuholen und einen Ort des Erinnerns zu haben. Der Grabstein trägt die deutsche Inschrift: „Den von den Nationalsozialisten ermordeten Karlsruher Juden zum Gedenken“. Auf hebräisch lautet die Inschrift: „Gedenket aller Seelen von Juden der heiligen Gemeinde der Stadt Karlsruhe, die in der Schoa ermordet wurden“ darunter die Formel: „Seine Seele möge eingebunden sein im Bunde des ewigen Lebens“. Der Grabstein ist in Verbindung mit diesem „Gedenkbuch“ Teil der Erinnerungskultur in Karlsruhe.

Seit dem 10. November 2006 ist die Datenbank online abrufbar. Außerdem kann das Gedenkbuch im Stadtmuseum und in der Erinnerungsstätte Ständehaus eingesehen werden. Hier liegt auch das gedruckte Gedenkbuch mit den Einlegblättern der fertig gestellten Biographien. Nach Terminabsprache ist im Stadtarchiv ebenfalls eine Einsicht in die Datenbank und zudem eine Beratung möglich.

Link: http://my.informedia.de

Kontakt:
Institut für Stadtgeschichte
Stadtarchiv Karlsruhe
Markgrafenstraße 29
76124 Karlsruhe
Tel.: 0721/133-4225
Tel.: 0721/133-42 77
Fax: 0721/133-4299
archiv@kultur.karlsruhe.de

Quelle: Stadtzeitung Karlsruhe Aktuell, 29.10.2006; ka-news, Online-Tageszeitung für Karlsruhe, 11.11.2006; Gedenkstein; Gedenkbuch für die Karlsruher Juden (aktualisiert: 24.1.2022)

Erinnerungsbuch für verfolgte jüdische Einwohner Bremens

Die Namen von mehr als 3.700 Bremer Bürgern, die während der Zeit des Nationalsozialismus aufgrund ihres jüdischen Glaubens oder ihrer jüdischen Abstammung wegen verfolgt, deportiert und ermordet wurden oder ins Ausland fliehen mussten, lassen sich nun in einem 400 Seiten umfassenden Buch mit dem Titel "Erinnerungsbuch für die als Juden verfolgten Einwohner Bremens" nachlesen, dass von den beiden Historikern Dr. Günther Rohdenburg und Dr. Karl-Ludwig Sommer verfasst wurde. Am 9.11.2006 stellte der Leiter des Staatsarchivs Bremen, Dr. Konrad Elmshäuser, dieses Erinnerungsbuch der Öffentlichkeit vor und betonte, dass außer Bremen noch keine vergleichbar große Stadt ein solches Gesamtkataster besitze. Fünf Jahre lang haben sich die beiden Autoren intensiv mit den unterschiedlichsten Quellen beschäftigt. Viele Einzelschicksale sind in dem Buch nachgezeichnet, in dem auch ein ausführlicher Statistikteil vorhanden ist. Finanziell unterstützt wurde das Forschungsprojekt auch von der Evangelischen und der Katholischen Kirche in Bremen sowie von diversen privaten Stiftungen. Erschienen ist das Werk als Heft 37 in der Reihe "Kleine Schriften des Staatsarchivs".

Kontakt
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen 
Tel.: 0421 / 361-6221 
Fax: 0421 / 361-10247 
zentrale@staatsarchiv.bremen.de 

Quelle: Jörg Esser, Verlagsgruppe Kreiszeitung, 10.11.2006

Goethe-Manuskript für Hochschularchiv Weimar

Das Archiv der Musikhochschule Franz Liszt Weimar, das zugleich das Thüringische Landesmusikarchiv ist, erhielt jetzt Goethes Regiekritik zur Weimarer Zauberflöten-Inszenierung von 1794. Das dem Archiv von einem Privatmann geschenkte und zwischenzeitlich restaurierte Manuskript enthält Anweisungen zur szenischen Umsetzung von Mozarts Werk.

Die handschriftlichen Regieanweisungen Goethes zu Mozarts Zauberflöte können als Schlüsseldokument für das Verständnis der Theaterpraxis der Weimarer Klassik gelten. Sie ergänzen in anschaulicher Weise die handschriftliche Partitur des Werkes, die sich im Bestand "Deutsches Nationaltheater Weimar (DNT)" im Thüringischen Landesmusikarchiv befindet.

Kontakt:
Hochschule für Musik „Franz Liszt“
Hochschularchiv/Thüringisches Landesmusikarchiv
hochschulzentrum am horn 
Carl-Alexander-Platz 1
99425 Weimar 
Tel.: (0 36 43) 55 51 16
Fax: (0 36 43) 55 52 35
archiv@hfm-weimar.de

Quelle: FAZ, 8.11.2006; TLZ, 7.11.2006

Treffen der Ortschronisten Nordwestmecklenburgs

Anlässlich ihrer zehnten Jahrestagung kamen am 8.11.2006 mehr als dreißig Ortschronisten aus Nordwestmecklenburg im Kreisarchiv Grevesmühlen zusammen. Ein regelmäßiger Gedanken- und Informationsaustausch findet seit 1994 statt. Mehrere neue Ortschroniken wurden dort den interessierten Zuhörern vorgestellt. Im Rahmen einer eineinhalbjährigen AB-Maßnahme erarbeitete Jochen Böttcher eine 250 Seiten umfassende Chronik von Badow, die nicht nur historische Fakten, Fotos und Urkunden enthält, sondern auch zahlreiche Informationen der Badower Bürger. Anhand ihrer Erzählungen, Bilder und Feldpostkarten konnte sich Jochen Böttcher ein umfassendes Bild von ihrem Leben und ihrem Dorf machen. Eine weitere Chronik – erarbeitet von Werner Schulze – befasst sich mit der fast achthundertjährigen Geschichte des Ortes Lübstorf. Bis zum Jubiläumsjahr 2009 sollen weitere Blätter dazu erstellt werden, die dann einer überarbeiteten Chronik anlässlich der 800-Jahr-Feier hinzugefügt werden. Für seine unermüdliche Arbeit in der Heimatforschung – er hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht – wurde Eckhard Redersborg aus Grevesmühlen mit einer Auszeichnung des Landrates geehrt.

Zu den Referenten der Tagung gehörte auch Gabriele Arndt, Leiterin des Kreisarchivs Grevesmühlen. Sie präsentierte aus dem umfangreichen Archivfundus einige historische Fotos und Postkarten. Ca. 835 Ansichtskarten – die älteste aus dem Jahr 1897 – lagern im Keller des Archivs. Des weiteren gibt es noch 1450 Dias, Fotos und Negative, auf denen die Entwicklung des Landkreises gut illustriert wird. Viele von ihnen waren ab 1928 in der Kreisbildstelle in Wismar archiviert worden. Geschützt in Spezialfolien werden die Bilder gelagert. Unterstützt durch ein entsprechendes Computersystem kann ein Großteil der Bilder und Karten auch den unterschiedlichen Themen und Orten zugeordnet werden. Gabriele Arndt machte in ihrem Vortrag noch einmal deutlich, dass sämtliche in den Chroniken verwendete Bilder der Zustimmung der jeweiligen Fotografen oder der jeweiligen Institutionen bedürfen, in denen die Fotos archiviert sind.

Kontakt
Kreisarchiv Grevesmühlen 
Landkreis Nordwestmecklenburg
Börzower Weg 1-3
23936 Grevesmühlen 
Tel.: 03881 722 469 
Fax: 03881 722 340 

Quelle: Michael Schmidt, Norddeutsche Neueste Nachrichten, 9.11.2006; Sven Eriksson, Lübecker Nachrichten, 9.11.2006

Bericht von der Bundeskonferenz der Kommunalarchivare 2006

Bei der diesjährigen Fortbildung der Bundeskonferenz der Kommunalarchivare, die vom 7. bis 9. November 2006 in Fulda stattfand, beschäftigten sich rund 60 Archivarinnen und Archivare mit dem Thema \“Kommunale Archive und ihre Benutzer im digitalen Zeitalter". Moderne Öffentlichkeitsarbeit, Präsentationen der Archive und ihrer Quellen im Internet sollten dabei einen besonderen Schwerpunkt setzen.

Im Google-Zeitalter beschäftigen sich auch die Stadtarchive längst mit den neuen Medien und nutzen sie für ihr Klientel. Über alte Zöpfe, neue Herausforderungen, Urheberrecht, geeignete Software, Onlineauftritte und den Umgang mit Datenbanken referierten Archivare aus ganz Deutschland. Der Leiter des Fuldaer Stadtarchivs, Dr. Thomas Heiler, gab seinen Berufskollegen einen Praxisbericht unter der Überschrift \“Erschließung als Kernstück archivarischer Arbeit?\“. Dr. Edgar Kutzner zeigte seinen Kollegen den Neubau des Bistumsarchivs.

Um die Positionierung der Archive im sich neu organisierenden digitalen Produktionsprozess wird es vom 15. bis zum 17. November 2006 beim Seminar des Vereins Fortbildung Medienarchivare/-dokumentare (VFM), das unter dem Thema steht „Dokumentare und Informationsvermittler im Contentmanagement“. Das Seminar, das ebenfalls erstmals in Fulda stattfindet, richtet sich in erster Linie an Mitarbeiter und Leiter von Rundfunk- und Medienarchiven.

Quelle: Carla Ihle-Becker, Osthessen-News, 7.11.2006

Mannheimer Kaufmännischer Verein von 1867

In der Reihe \“Mittwochs beim Archiv\“ hält Dr. Heinz Villinger am 15. November, 19 Uhr, im Mannheimer Friedrich-Walter-Saal des Stadtarchivs-ISG, Collini-Center, Erdgeschoss, einen Vortrag mit dem Thema \“Versammlung genehmigt Diener für 300 Gulden jährlich\“ – Interessantes aus dem ersten Protokollbuch des Kaufmännischen Vereins von 1867". C. Wingenroth, 1. Vorsitzender des Kaufmännischen Vereins von 1867, C. Weidig, sein Vertreter und J. Schmidt, \“Cassier\“, diese Männer der ersten Stunde, drückten dem Verein ihren Stempel auf. Schon wenige Wochen nach der Gründung am 11. Februar 1867 konnte in der Versammlung mitgeteilt werden, dass dem Verein 585 Mitglieder angehören, darunter 70 Lehrlinge. Seine Sitzungen und Versammlungen hielt der Verein vorübergehend im Mannheimer \“Star-Hotel\“ am Rhein, dem \“Europäischen Hof“ ab – international bekannt als \“Hotel de l\’Europe\“. Im August 1867 bezog der Verein dann eigene Räume vis à vis vom Nationaltheater. Im neuen Vereinslokal sorgte ein \“Diener für Ordnung und Sauberkeit und mit Umsicht und Diskretion auch dafür, dass immer genügend Bier bei besonderen Anlässen bereit stand. Mit einer reichhaltigen Bibliothek, nahezu wöchentlichen Vorträgen von Professoren und zahlreichen Diskussionen im Verein über wichtige kaufmännische Themen, insbesondere Wechselrecht, gab der Verein seinen Mitgliedern gezielte Möglichkeiten zur persönlichen Weiterbildung. Darüber hinaus förderte der Verein mit der Einrichtung von Fortbildungskursen für \“Handlungsgehülfen\“ und Lehrlinge und der Gründung von Sprachclubs alle, die nach \“Höherem\“ strebten. Dr. Heinz Villinger ist ehrenamtlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv Mannheim – ISG und seit längerer Zeit mit der Erschließung des Protokollbuchs beschäftigt. 

Kontakt
Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte
Collini-Center 
68161 Mannheim
Tel.: 0621/293-7027 (Sekretariat) 
Fax: 0621/293-7476 
ulrich.niess@mannheim.de 

Quelle: Pressemeldung Stadt Mannheim, 8.11.2006

Museumsgütesiegel für das Stadtmuseum/Stadtarchiv Innsbruck

Bereits im Oktober 2006 wurde dem Innsbrucker Stadtarchiv/Stadtmuseum, das von Dr. Lukas Morscher geleitet wird, das österreichische Museumsgütesiegel in Eisenstadt verliehen. Am 07.11. 2006 erfolgte dann die offizielle Gratulation durch Bürgermeisterin Hilde Zach und Kulturamtsleiterin Birgit Neu im Innsbrucker Rathaus. Beide hoben in ihren Reden hervor, dass damit die gute Arbeit des Stadtarchivs/Stadtmuseums eine verdiente Anerkennung und Wertschätzung gefunden habe.

In Österreich ist die Bezeichnung \“Museum\“ nicht so wie in anderen europäischen Ländern durch ein Gesetz definiert und damit geschützt. Die Benennung \“Museum\“ kann daher von jedermann ohne Einschränkung für jegliche Art von Zurschaustellung von Gegenständen u.ä. benützt werden. Durch die Einführung des Museumsgütesiegels, das ICOM Österreich nach internationalen Richtlinien erarbeitet und zusammen mit dem Österreichischen Museumsbund beschlossen hat, soll es möglich sein, die echten Museen vom Wildwuchs abzugrenzen. Die vorliegenden Richtlinien für ein österreichisches Museumsgütesiegel nehmen vor allem auf die kleinen Museen Rücksicht, setzen aber mit der im ICOM Kodex der Berufsethik festgelegten Definition eines Museums klare Richtlinien. Dort wird in Art. 2, Abs. 1 das Museum als \“eine gemeinnützige ständige Einrichtung, die der Gesellschaft und ihrer Entwicklung dient, der Öffentlichkeit zugänglich ist und materielle Zeugnisse des Menschen und seiner Umwelt für Studien- Bildungs- und Unterhaltungszwecke sammelt, bewahrt, erforscht, vermittelt und ausstellt\“ bezeichnet. Daraus ergeben sich die wichtigsten Kriterien für die Ausrichtung des Qualitätssiegels. Ziel dieser gemeinsamen Aktion von ICOM Österreich und dem Österreichischen Museumsbund soll sein, dass ein \“echtes\“ Museum eine Verantwortung zur Bewahrung des kulturellen Erbes übernimmt und dass die BesucherInnen in einem \“ausgezeichneten\“ Museum ein Mindestniveau an Präsentation und Serviceleistung erwarten können. 

Das Innsbrucker Stadtmuseum stellt in seiner Dauerausstellung aus den Beständen des Archivs Aspekte der Stadtgeschichte vor. Besonderes und Typisches für Innsbruck wird anhand ausgewählter Themen erläutert: Lage, Stadtgründung, landesfürstliche Residenz, Stadtentwicklung, Verkehr, Gesundheit, Kultur, Sport, Tourismus, Handel, Gewerbe, Trinkwasserversorgung und Zeitgeschichtliches sind nur einige davon. Gemälde bedeutender Tiroler Künstler, Stadtansichten, Panoramabilder, historische Fotografien, seltene Realien, mittelalterliche Urkunden, Plakate und Postkarten vermitteln abwechslungsreiche und informative Einblicke in das Leben der Stadt und ihrer Bewohner. Einen intensiven Einblick in die Zeitgeschehnisse um und nach dem Zweiten Weltkrieg bietet eine Präsentation über den hauseigenen Datenbeamer. Vertiefende Informationen zu einzelnen Schwerpunkten kann sich der Besucher im Lesesaal des Archivs beschaffen, der mit allen modernen Geräten und Anschlüssen ausgestattet ist, die ein effizientes und ungestörtes Arbeiten ermöglichen. Gerade die enge Verbindung von Museum und Archiv ist eine Besonderheit dieses Hauses.

In den Jahren 2001/2002 erfolgte eine Umgestaltung des gesamten Erdgeschosses in ein Stadtmuseum, sowie eine Neugestaltung des Untergeschosses und des 1. bis 3.Obergeschosses in ein neues Stadtarchiv mit moderner Ausstattung und zeitgemäßer Sicherheitstechnik. Bei der Gestaltung des Projekts wurde besonders auf eine benutzerfreundliche und behindertengerechte Ausführung Bedacht genommen. Die Gesamtnutzfläche des neuen Stadtmuseums samt Archiv beträgt ca. 1200 Quadratmeter. Die Gestaltung und Ausstattung der einzelnen Räumlichkeiten entspricht modernstem Standard.

Das Stadtarchiv Innsbruck dokumentiert die Geschichte Innsbrucks von den Anfängen bis in die Gegenwart. Die älteste städtische Urkunde ist die Bestätigung des Stadtrechts von 1239. Gemälde, Druckgraphik, Plakate, Flugzettel, Pläne, Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten, Verordnungen und zahlreiche Sondersammlungen komplettieren die Sammlungstätigkeit des Archivs. Überaus bedeutend ist die Fotosammlung mit etwa 100.000 Aufnahmen. Die umfangreiche Bibliothek umfasst neben Büchern auch mehrere hundert Zeitschriften und alle bedeutenden regionalen Zeitungen, teilweise bis ins 18. Jahrhundert zurückgehend. Neben einer monographischen Publikationsreihe wird neuerdings mit " Zeit – Raum – Innsbruck" auch eine fachübergreifende Zeitschrift herausgegeben, die auf aktuelle Themen und neue Forschungsergebnisse eingeht.

Kontakt
Stadtarchiv / Stadtmuseum Innsbruck 
Badgasse 2
6020 Innsbruck
Tel.: +43 (0)512-58 73 80
Fax.: +43 (0)512-58 73 80 8

Quelle: Oesterreichjournal, 8.11.2006; Das österreichische Museumsgütesiegel

Brand der Wormser Synagoge 1938

Aus Anlass des Jahrestages des Pogroms vom 9.-11. November 1938 findet eine Ausstellung der Fotoabteilung  des Wormser Stadtarchivs im Jüdischen Museum (Raschi-Haus, Hintere Judengasse 6) statt. Eröffnet wird die Ausstellung \“Der Brand der Wormser Synagoge am 10.11.1938\“ am 9. November 2006 und ist bis zum 28.02.2007 zu besichtigen. Zur Ausstellungseröffnung wird der Leiter des Stadtarchivs und des Jüdischen Museums, Dr. Gerold Bönnen, zur Bedeutung der Fotoserie und ihrem Quellenwert sowie zu dem Fotografen der Bilder Informationen geben und damit ein einschneidendes Ereignis der jüngeren Stadtgeschichte näher beleuchten. Als am 10. November 1938 überall im Deutschen Reich mit der Zerstörung von Synagogen die Verfolgung der Juden in eine neue Phase eintrat, brannte auch die 1034 geweihte Synagoge in Worms. Die Bilder zeigen den Brand der Synagoge aus verschiedenen Richtungen. Sie dokumentieren allerdings nicht nur das faktische Ende der jahrhundertealten Geschichte der ältesten Synagoge auf deutschem Boden, sondern auch das Verhalten vieler neugieriger Zuschauer. Zum ersten Mal zeigt das Stadtarchiv diese Serie von mehr als 20 Fotos vom Synagogenbrand in Worms, die in den 1980er Jahren in das Fotoarchiv gelangt ist.

Das Fotoarchiv des Wormser Stadtarchivs zählt zu den bedeutendsten kommunalen Einrichtungen dieser Art über das Land Rheinland-Pfalz hinaus. Es geht in seinen Anfängen auf den Museums- und Archivdirektor Dr. Friedrich Illert zurück, der in dem von ihm geleiteten Museum seit den 30er Jahren die Einrichtung einer Fotowerkstätte betrieb. Diese wurde Ende 1941 durch Übernahme der Negative und Gerätschaften des Fotografen Kurt Füller (1901-1976) förmlich eingerichtet, der auch ab 1945 die Leitung übernahm. Mit seinem Verlag bzw. Fotogeschäft hatte das Museum bereits im Jahre 1930 einen Vertrag über Rechte an Fotografien im neu eingerichteten Museum abgeschlossen. Im Jahre 1952, als die Bestände der Fotoabteilung der damaligen Kulturinstitute in einer Ausstellung präsentiert wurden, umfasste der Bestand ca. 50.000 Negative. Das Fotoarchiv war innerhalb des Städtischen Museum im Andreasstift ein Bestandteil der bis Ende 1979 bestehenden Städtischen Kulturinstitute und blieb diesen bis zu seinem Übergang an das inzwischen verselbständigte Stadtarchiv angeschlossen. 1982 erfolgte der Umzug in das Raschi-Haus.

Den Grundstock der Sammlung bildeten Nachlässe namhafter Fotografen, darunter die von Christian Herbst (1859-1929) und August Füller (1870-1942), Vater von Kurt Füller. Die Gliederung des Füllerschen Fotonachlasses bildete die Grundlage für das bis heute verwendete Gliederungsschema bzw. die Systematik der Sammlung. Kurz nach 1945 wurden die bis heute verwendeten Alben mit den für die Benutzung vorgesehenen Kontaktabzügen erstellt. Weitere wichtige Nachlassgeber waren Leopold Hanselmann (1900-1942, Fotobestand zur NS-Zeit mit ca. 6.000 Glasplattennegativen, komplett gescannt und erschlossen) und Andreas Lonsdorfer (1880-1969). Außerdem enthält die Abteilung die Aufnahmen der verschiedenen städtischen Fotografinnen und Fotografen seit 1941. Die umfangreiche Fotoabteilung des Stadtarchivs verwahrt mehr als 200.000 Negative, Alben mit Kontaktabzügen für Benutzungszwecke, eine umfangreiche Diasammlung und ca. 25.000 digitalisierte Fotodatensätze.

Kontakt
Stadtarchiv Worms
Raschi-Haus
Hintere Judengasse 6
D-67547 Worms
Tel.: (0 62 41) 8 53-47 00 (bis – 47 07)
Fax: (0 62 41) 8 53-4710
stadtarchiv@worms.de

Quelle: Stadtarchiv Worms, Veranstaltungen; Stadtnachrichten, 3.11.2006; Entwicklung und Bestände der Fotoabteilung des Stadtarchivs Worms.

Der Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie

Der Beginn der Forschung zur Geschichte des „wissenschaftlichen Okkultismus“ bzw. der Parapsychologie in Deutschland lässt sich in die erste Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts datieren. Vor nunmehr dreißig Jahren (1976) wurde am Institut für Medizingeschichte der FU Berlin eine 524-seitige Dissertation mit dem etwas ungelenken Titel \“Die Geschichte der Berliner ‚Gesellschaft für Experimental-Psychologie’ mit besonderer Berücksichtigung ihrer Ausgangssituation und des Wirkens von Max Dessoir\“ vorgelegt. Der Autor Adolf Kurzweg (geb. 1925), eigentlich Theologe und Arzt, betrat damals absolutes Neuland und gilt mit seiner Arbeit heute als Pionier der Geschichtsschreibung der Parapsychologie. 

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Angeregt durch die Entdeckung von Nachlassmaterial des als Kritiker der Parapsychologie, vor allem aber als Sexualmediziner bekannten Berliner Arztes Albert Moll, arbeitete Kurzweg rund sieben Jahre in akribischer und engagierter Weise an seiner organisationsgeschichtlichen Studie. Bei seinen Forschungen sah er sich enormen Schwierigkeiten gegenüber, insbesondere bei der Beschaffung historischer Quellen. So war es ihm damals unmöglich, „an ungedruckte Zeugnisse aus der Feder führender Vereinsmitglieder heranzukommen“. Die ungenügende Quellenlage führte abschließend zu einer gewissen Unzufriedenheit beim Autor selbst. Dennoch beurteilten die Gutachter Kurzwegs Arbeit in höchstem Maße positiv und sahen in ihr einen bedeutenden Beitrag zu einem noch unerforschten Gebiet der Wissenschaftsgeschichte. 

Im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) haben Kurzwegs Recherchen zunächst keinen Niederschlag oder Widerhall gefunden – möglicherweise ein Zeichen dafür, dass in diesen Jahren historische Zugänge so gut wie keine Bedeutung im Profil der Institutsarbeit hatten. Doch auch generell wurde die Arbeit innerhalb der Parapsychologie nur wenig rezipiert. Erst die in den neunziger Jahren einsetzende Historisierung des Fachs bescherte Kurzwegs Pionierstudie größere Aufmerksamkeit. Dreißig Jahre nach ihrem Erscheinen soll sie an dieser Stelle ausdrücklich gewürdigt werden.

Kontakt:
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.
-Institutsarchiv-
Uwe Schellinger
Willhelmstraße 3a
79098 Freiburg
0761/20721-61
schellinger@igpp.de
www.igpp.de

Quelle: Uwe Schellinger (IGPP), Schaufenster ins Archiv 11-06, 1.11.2006