Inständig bat der Mitarbeiter der Stadtverwaltung den britischen Stadtkommandanten, bei der anstehenden Lieferung von Holz zu vermitteln. Hatte er doch allen Grund zur Nervosität: Knapp drei Wochen vor der Wahl mangelte es noch an 250 Stimmkabinen. Die Hilfe kam rechtzeitig: Am 13. Oktober 1946 wählten die Münsteraner erstmals nach 13 Jahren wieder ein freies Parlament. Der Aufbruch in einen demokratischen Neubeginn ist Anlass für eine umfassende Rückschau. Das Stadtarchiv Münster dokumentiert in seiner Ausstellung im Rathaus die Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung nach dem Krieg am Beispiel der Stadt Münster. \“Die ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker Münsters haben damals entscheidende Weichenstellungen bis heute vorgenommen\“, rief Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann in der Ausstellung wegweisende Entscheidungen wie den Wiederaufbau der Altstadt in den historischen Strukturen ins Gedächtnis. Trotz erheblicher persönlicher Sorgen – auch viele Ratsmitglieder mussten wieder bei Null anfangen – engagierten sie sich für die Stadt. Der Oberbürgermeister: \“Diese Frauen und Männer der ersten Stunde stehen beispielhaft für den Willen zum Wiederaufbau der Kriegsgeneration\“.
Schritt für Schritt hatte die britische Besatzungsmacht die Verantwortung zurück in deutsche Hände übertragen. Die zivile Verwaltung setzte sie in Münster mit Führungskräften aus der Weimarer Zeit wieder in Gang. Zahlreiche Parteien und Persönlichkeiten drängten schon wenige Monate nach Kriegsende auf Mitgestaltung des öffentlichen Lebens. Ein Wunsch, der sich mit der englischen Vorstellung des Aufbaus demokratischer Strukturen \“von unten\“ deckte. Schon im September 1945 ließ die Besatzungsmacht Parteien und Versammlungen wieder zu. Wer durfte wählen? Wer konnte sich wählen lassen? Wie ging die Wahl aus? Texte, Fotografien und Schriftstücke aus Archivbeständen dokumentieren in der Ausstellung detailreich die Chronologie der Kommunalwahl. Fünf Parteien warben um die Gunst von 54 000 wahlberechtigten Münsteranern – CDU, SPD, FDP, Zentrum und – als einzige Partei dann nicht im Rat vertreten – die KPD. Als überlegener Sieger ging die CDU hervor. Das nach der Gemeindereform der Briten neu geschaffene Amt des Oberstadtdirektors übernahm bis 1952 Ex-Oberbürgermeister Karl Zurhorn. An der Spitze der Politik stand Oberbürgermeister Franz Rediger (bis 1948). Mit Berta Hüffer und Dr. Idamarie Solltmann schafften zwei Frauen den Sprung in den Rat.
\“Es sind vor allem Plakate, an denen sich der politische Neustart ablesen lässt in einer Stadt, die noch immer in Trümmerbergen versank\“, erläutert Ausstellungskuratorin Anja Gussek-Revermann. Kaum jemand besaß ein Radio. Auch im Pressewesen mussten die Weichen neu gestellt werden. Nur unregelmäßig erschien die "Neue Westfälische Zeitung" ab August 1946 dann zweimal wöchentlich die Westfälischen Nachrichten. Plakate übernahmen in diesen medienarmen Zeiten die Kommunikation. Militärregierung und Stadtverwaltung nutzten sie für Aufrufe, Bekanntmachungen, Verordnungen. Parteien boten sie die weitgehend einzige Chance, Menschen im Wahlkampf zu erreichen. An öffentlichen Anschlagstellen holen sich die Bürger auch die Informationen zur Wahl. Öffentlich ist 1946 auch nachzulesen, wie die Wahlkosten davon galoppieren. Der Ansatz von 6000 Reichsmark (4192 Euro) kann nicht annähernd gehalten werden – am Ende muss der Kämmerer 20 000 Reichsmark finanzieren.
Die Wahlbeteiligung lag bei 71, 4 Prozent. Anja Gussek-Revermann: \“Ein beachtlich hoher Wert in einer Zeit, in der die Menschen um ihr tägliches Überleben ringen\“. Die Wahlen vollziehen sich vor dem Kampf gegen Hunger, Kälte und Not. Trümmerberge müssen abgetragen werden. Epidemien drohen. Die Menschen haben kein Dach über dem Kopf oder leiden unter erbärmlichen Wohnverhältnissen. Von der Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Wasser und Energie ganz zu schweigen. Die Lösung dieser Probleme, auch das spiegelt die Ausstellung, ist wichtigste Herausforderung von Politik und Verwaltung. Sie formulieren einhellig im Herbst des Jahres 1946: \“Was wir zu tun haben, sagen uns die Trümmer\“.
Info:
Ausstellung \“Die erste Kommunalwahl vor 60 Jahren\“. 3. bis 15. Oktober 2006, Bürgerhalle des Rathauses am Prinzipalmarkt. (Öffnungszeiten: dienstags bis freitags: 10 – 17 Uhr, samstags/sonntags 10 – 16 Uhr); vom 16. bis 26. Oktober 2006 im Foyer des Stadthauses 1, Klemensstraße (Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 7 – 18 Uhr, freitags bis 13 Uhr, samstags 8 – 12 Uhr.
Kontakt:
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An den Speichern 8
48157 Münster
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archiv@stadt-muenster.de
Quelle: Presseinformation Stadt Münster, 2.10.2006