»Der große Raub« ist der Titel eines Films des Hessischen Rundfunks, der am Donnerstag, 19. Oktober 2006, um 19.30 Uhr im Rahmen des Begleitprogramms der Ausstellung "Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 – 1945" im Foyer des historischen Neustädter Rathauses in Hanau gezeigt wird. Im Anschluss diskutieren die Autoren mit dem Publikum. Die Ausstellung wurde konzipiert vom Fritz Bauer Instituts und dem Hessischen Rundfunk. Anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und Exponate wurde die Geschichte des gesetzlich legalisierten Raubzuges und seiner Opfer sowie die zentrale Rolle des Fiskus in dem Geschehen dargestellt.
1998 wies das Hessische Finanzministerium die Finanzbehörden des Landes an, in ihren Aktenbeständen nach Unterlagen über die fiskalische Ausplünderung als Juden Verfolgter zu suchen. Die Übergabe der in Hessen aufgefundenen Dokumente an das Hessische Staatsarchiv in Wiesbaden gab Anlass zu einem Dokumentations- und Forschungsprojekt, das vom Fritz Bauer Institut durchgeführt wurde. Die gesichteten Devisenakten, Steuerakten, Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer Rechtsanwälte belegen eindrücklich die fiskalische Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung Hessens im \“Dritten Reich" und dokumentieren darüber hinaus die Umsetzung jener Gesetze und Verordnungen, die nach 1933 dieses Vorgehen legalisierten. Die Akten zeigen, dass die sogenannte Arisierung jüdischer Unternehmen nur die \“Spitze des Eisberges\“ gewesen ist: In enger Kooperation zogen unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden, Zollfahndung und Devisenstellen gemeinsam mit der Gestapo und anderen Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher, Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürger ein. Sie belegten ihre Opfer mit Sondersteuern und Strafkontributionen und versteigerten öffentlich das Hab und Gut der aus Deutschland Geflohenen oder Deportierten. Diese Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.
Für ihren Film aus dem Jahr 2002 haben die Autoren Henning Burk und Dietrich Wagner diese Zeugnisse aufgeschlagen und eindrucksvoll dokumentiert. Penibel führen die Akten Buch über die Zahlung der Reichsfluchtsteuer, die zahlen musste, wer Deutschland verließ; über die Erhebung der Judenvermögensabgabe, über das Hab und Gut derer, die ab 1941 in die Lager deportiert wurden. Sie enthalten auch die Namen der Opfer. Henning Burk und Dietrich Wagner haben Überlebende gesucht: Sie sprachen mit Charlotte Guthmann-Opfermann, die mit ihrer Familie aus Wiesbaden ins Lager Theresienstadt deportiert wurde, zuvor aber für die Unterbringung im \“Reichsaltersheim\“ das monatliche \“Pflegegeld\“ auf Jahre im Voraus hatte bezahlen müssen. Robert Goldmann, Sohn einer angesehenen Arztfamilie, die vor der antisemitischen Verfolgung von der Bergstraße nach Frankfurt geflüchtet war, erzählt, wie bei der Auswanderung in die Vereinigten Staaten vom einstigen Vermögen der Familie noch zehn Reichsmark geblieben waren. Wolfgang Lauinger, Sohn des Journalisten Arthur Lauinger, berichtet, wie seinem Vater die kostbare Bibliothek gestohlen wurde und er gezwungen war, das Familiensilber weit unter Wert zu verkaufen.
Die Akten enthalten auch die so genannten Vermögensaufstellungen, die die Deportierten vor ihrem Abtransport in die Vernichtungslager ausfüllen mussten, um der Finanzverwaltung die anschließende \“Verwertung\“ ihrer letzten Habseligkeiten zu erleichtern: Möbel, Geschirr und Wäsche wurden überall im Deutschen Reich in öffentlich angekündigten Auktionen versteigert, und oft wurden Bombengeschädigte dabei bevorzugt. Peter Cahn, Sohn von Max und Tilly Cahn, liest aus dem Tagebuch seiner Mutter, die das Geschehen kommentierte: Dem Raubmord wurde das \“Mäntelchen der Volkswohlfahrt\“ umgehängt.
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Dr. Bettina Hindemith
Hessischer Rundfunk
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Quelle: Pressemitteilung Stadt Hanau, 16.10.2006; Uni-Protokolle der Justus-Liebig-Universität Gießen, 20.1.2003