Charlie Chaplin gilt als Universalgenie der Filmgeschichte. Den großen Talenten des kleinen Mannes widmet sich das Chaplin-Archiv. In Ausstellungsräumen auf zwei Etagen wird ein umfassendes Bild des Darstellers, Autors, Regisseurs, Komponisten, Choreographen und Menschen Charles S. Chaplin nachgezeichnet, der in der Gestalt des "Charlie" mit Schnauzbart, Stock und Melone Weltruhm erlangte. Vor allem aber wird die universelle Begabung des legendären Künstlers, seine Werk- und Wirkungsgeschichte und sein Einfluß auf die Entwicklung des Films dokumentiert und hervorgehoben. Über 6000 Einzelstücke mit Bezug zu Charlie Chaplins Leben und Werk wie Literatur, Bilder, Plakate, Werbematerial, Kunst & Kitsch, 400 Filmkopien der 80 Chaplin-Filme, Schallplatten, Noten, dazu Berge von Zeitungsausschnitten hat der Sammler Wilhelm Staudinger zusammengetragen. Im kommenden Jahr feiert sein kostenloses Privatmuseum im Frankfurter Stadtteil Eschersheim sein 25-jähriges Bestehen.
Die großen, dunklen Augen Chaplins sind allgegenwärtig. Von Plakaten und Fotos, als Pappfigur oder Pfefferstreuer blickt Charlie Chaplin auf den Besucher. Jahrzehntelang sammelte Wilhelm Staudinger alles, was er zum Thema Chaplin finden konnte. Durch seinen Beruf in der Telekommunikation kam er viel herum, stöberte weltweit auf Flohmärkten und Antiquariaten, später auch im Internet. Seit 1982 präsentiert er sein Chaplin-Archiv auf 60 Quadratmetern in der Frankfurter Klarastraße. Das Haus beherbergte zuvor das Archiv für Filmkunde von Paul Sauerlaender. Ein kleiner Raum erinnert an den 1980 verstorbenen Historiker, dessen Sammlung den Grundstock für das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt lieferte.
Den Lebensweg und die künstlerische Vielfalt Charlie Chaplins belegen Dokumente und Objekte im Erdgeschoss. Dazu gehört The Green Room Book, „das damalige Who is Who der Bühnenkünstler“, in dem Chaplin vor 100 Jahren erstmals erwähnt wurde. Foto und Programmheft zeigen, dass der Londoner schon als Sechsjähriger in Varietés auftrat. Im Theater spielte er u.a. den „Dinner for One“-Butler. Auf seiner zweiten USA-Tournee wurde Chaplin 1913 von einer Filmgesellschaft entdeckt. Damit begann sein beispielloser Aufstieg zum wohl bekanntesten Filmstar der Welt. Ungeachtet des Ruhms gehörte Chaplins Herz dem kleinen Mann, und als solcher präsentierte sich der 1,65 Meter „große“ Darsteller in seinen Filmen. Ein altes Paar Schuhe und ein angeklebter Bart, zu große Hose und zu kleine Jacke, Melone und Stock wurden zu seinen Markenzeichen. Eine Chaplin-Jacke zählt auch zu Staudingers Ausstellungsstücken. Als Tramp mit treu-melancholischem Blick und einem unnachahmlichen Gang eroberte der Komiker die damals noch stummen Leinwände. Bald schrieb Chaplin auch Drehbücher und führte Regie. Zudem gründete er 1916 einen Musikverlag, wie das Archiv zeigt. Es gibt dort auch seine Komposition „Oh! That Cello“. Der Allrounder produzierte seine Streifen selbst und sorgte für den richtigen Schnitt. Chaplinerhob dadurch die einst billige Slapstick-Unterhaltung zu großer Kunst. Chaplins tragikomischer Kampf gegen die Tücke des Objekts und gegen die Bosheiten der Gesellschaft begeisterte auch viele Prominente. Zu seinen Fans zählte auch der Maler Leger, dessen Chaplin-Zeichnungen im Archiv zu sehen sind.
Filmplakate und 550 Literatur-Titel aus aller Welt wie China, Israel, Russland und Japan verdeutlichen die internationale Sympathie für Charlie Chaplin. Eine Auswahl der im Archiv vorhandenen 450 Filmkopien, einschließlich der Dokumentar-, Werbe-, Zeichen- und Puppentrickfilme sowie Filme mit Chaplin-Imitatoren, ist regelmäßig im nostalgisch einrichteten Kino mit 20 Sitzplätzen im Untergeschoss zu sehen. Der Besuch des Kinos ist ebenso kostenlos wie das gesamte Archiv – dafür sorgen die 50 Mitglieder des Vereins „Freunde und Förderer des Chaplin-Archivs“. Nur muss sich jeder Besucher zuvor telefonisch anmelden. Dann bekommt er auch die Exponate zu Kunst und Kitsch zu sehen, „wobei hier der Übergang fließend ist“. Zusätzlich steht eine Videothek mit ca. 170 Kassetten in erster Linie für wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung. Die Wiedergabe erfolgt über einen Großbildprojektor. Rund ums Kino tummeln sich Charlies aus Schokolade, Wachs oder Keramik sowie Charlies als Seife, Spielkarte, Spitzer oder Sparbüchse. Von der Armbanduhr bis zum Wasserkrug blieb kaum ein Gegenstand vor der Tramp-Figur verschont.
Doch Chaplin hatte nicht nur Fans, wie das Archiv verdeutlicht. 1952 wurde ihm nach einer Tournee die Wiedereinreise in die USA verwehrt. Der Justizminister sah in ihm eine Gefahr für die öffentliche Moral – von seinen vier Ehefrauen waren drei bei der Hochzeit unter 18 Jahren -, und der Verteidigungsminister bezeichnete den kritisch-liberalen Star als Kommunisten. Chaplin zog in die Schweiz und kam nur 1972 noch einmal in die Staaten, um sich den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk abzuholen. Fünf Jahre später starb er. Zu Chaplins Familie hat Staudinger persönlichen Kontakt, etwa zu Geraldine und Josephine Chaplin, zwei seiner insgesamt elf Kinder, die sich manchmal Exponate von ihm ausleihen. Das Chaplin-Archiv von Wilhelm Staudingerist nach Vereinbarung geöffnet. Die nächsten Filmveranstaltungen sind am 20. Oktober (18.30 Uhr), am 20. November sowie am 1.-3. Dezember, eine Platzreservierung ist erforderlich.
Kontakt:
Chaplin-Archiv
Wilhelm Staudinger
Klarastraße 5
60433 Frankfurt
Tel.: 069 95 29 44 77
Fax: (069) 95 29 44 79
mailto:Chaplin-Archiv@t-online.de
www.chaplin-archiv.de
Quelle: Bad Vilbel Online Pressemitteilung, 18.10.2006; Frankfurt Online.