Fünf Millionen Auswandererdaten bald online

Die Passagierlisten sämtlicher Schiffe, die von Hamburg aus ab ca.1850 nach Amerika fuhren, sind  im Hamburger Staatsarchiv gelagert. Die Daten von etwa 5 Millionen Auswanderern aus den Jahren 1850 bis 1958 werden jetzt aufgearbeitet, damit sie ins Internet gestellt werden können. Hiermit soll den vielen  – vor allem amerikanischen – Nachkommen die Möglichkeit gegeben werden, etwas über ihre Vorfahren herauszufinden. Als weitere wichtige Informationsquelle soll die im Aufbau befindliche BallinStadt dienen, in der die Auswandererwelt Hamburgs nachempfunden werden kann. Es wird ein Ort, der Geschichten erzählt von Menschen, die ihre Zukunft neu in die Hand nahmen. Eine Zukunft voller Träume und Hoffnungen, aber auch eine Zukunft in Ungewissheit. Sie flohen vor politischer oder religiöser Verfolgung oder versuchten Armut und Hunger zu entkommen. Viele suchten einen Neubeginn, ein besseres Auskommen, neue Chancen im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Alle versprachen sich von der Emigration ein besseres Leben. 5 Millionen Menschen mit ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Geschichten. Sie haben im Fluss der Geschichte ihre Spuren hinterlassen in Millionen von Nachkommen. All diesen Auswanderern ist BallinStadt gewidmet.

1847 wurde die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) gegründet. Knapp 10 Jahre später setzte die HAPAG ihr erstes Dampf getriebenes Passagierschiff ein. Eine neue Ära in der Schifffahrt hatte begonnen. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts machte Albert Ballin (1857-1918) der HAPAG ernsthafte Konkurrenz, als er auf der Route nach Amerika Auswanderer auf die Frachtschiffe der CARR Linie vermittelte. Zu ihrer Beförderung wurden die Laderäume für Zwischendeckspassagiere umgerüstet, auf der Rückfahrt nach Europa wurde Fracht transportiert. Die große Reederei übernahm 1886 Albert Ballin und machte ihn zum Leiter der Passageabteilung. Ballin war damit zuständig für das Auswanderergeschäft und stieg innerhalb der HAPAG schnell empor, bis er 1888 deren Direktor und 1899 deren Generaldirektor wurde. Der Ausbau eines Agentennetzes zur Werbung von Auswanderern in Ost- und Südosteuropa trug wesentlich dazu bei, Hamburg zum führenden Auswandererhafen in Deutschland zu machen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Hamburger Hafen für Auswanderer von geringer Bedeutung. Während zwischen 1836 und 1850 insgesamt nur etwa 40.000 Menschen über Hamburg ihre Heimat verließen, schifften sich in Bremen bzw. Bremerhaven zur gleichen Zeit über 235.000 Auswanderer ein. Grund dafür war die fortschrittliche Auswanderer-Gesetzgebung in Bremen seit 1832. Im Jahr 1891 wurden in Hamburg 144.239 Auswanderer gezählt, die von hier aus ihre Reise in die „Neue Welt“ antraten. In diesem Jahr reisten erstmals mehr Auswanderer über Hamburg als über Bremen. 

Die Logierhäuser und Gasthäuser waren oft überbelegt und viele der Reisenden konnten sich eine Unterkunft in der Stadt gar nicht leisten. Ein ausrangiertes Auswandererschiff wurde von der HAPAG als Obdachlosenasyl für mittellose russische Juden zur Verfügung gestellt. Ab Januar 1892 wurden, aus Furcht vor der Ausbreitung ansteckender Krankheiten, die Grenzkontrollen zwischen Russland und Preußen verschärft. Auswanderern wurde die Einreise nach Preußen nur gestattet, wenn keine gesundheitlichen Bedenken bestanden. Außerdem mussten sie im Besitz einer Eisenbahnfahrkarte nach Hamburg oder Bremen und einer Schiffskarte sein. Die HAPAG, die verpflichtet war, die in den USA auf Ellis Island gelandeten Emigranten, die dort keine Einreiseerlaubnis erhielten, auf eigene Kosten zurück zu transportieren, erklärte sich bereit, in Hamburg eine Massenunterkunft zu errichten. Auf diese Weise konnten die Auswanderer vor ihrer Abreise untersucht und bei Krankheitsverdacht in Quarantäne gebracht werden. 

1892 wurden die Auswanderer-Baracken am Amerika-Kai eröffnet. 1.400 Personen fanden hier, in selbst für damalige Verhältnisse sehr einfachen Unterkünften, Platz. Alle Auswanderer mit Fahrscheinen der billigsten Zugklasse und des Zwischendecks mussten direkt in die Baracken reisen, andere durften nach wie vor in der Stadt unterkommen.1898 wurde das Gelände der Auswandererbaracken von der Stadt für den Bau von großen Kaischuppen beansprucht. Der Senat stellte ein Ersatzgelände auf der Veddel zur Verfügung, wo 1901 von der HAPAG die „Auswandererhallen“ eröffnet wurden. Auf diesem geschützten Areal waren die Menschen in Sicherheit und brauchten nicht zu fürchten, ihr Leben oder ihr Hab und Gut zu verlieren. Mit dem Bau der \“Auswandererhallen\“ konnte der um die Jahrhundertwende wieder einsetzende Strom von Emigranten – vor allem aus dem osteuropäischen Raum – nun an der Stadt vorbeigeleitet werden; die großzügig dimensionierte Anlage verfügte über einen eigenen Bahnanschluss. 

Das südlich der Harburger Chaussee bebaute Areal umfasste 14 Gebäude: vier Schlaf- und Wohnpavillons – Grundriss in Form eines großen \“H\“ – sowie zwei anspruchsvollere Unterkünfte (\“Hotel Nord\“ und \“Hotel Süd\“), eine große Speisehalle, Bäder und Desinfektionsanstalt, eine Synagoge sowie ein Kirchengebäude für die beiden großen christlichen Konfessionen und ein Verwaltungsgebäude. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg die Zahl der Emigranten, die täglich in Hamburg ankamen so stark an, dass die Kapazitäten schon bald nicht mehr ausreichten. Die Anlage wurde bis 1906/07 in großem Umfang erweitert. Insgesamt fast 190.000 Auswanderer reisten allein im Jahr 1907 über Hamburg in eine ungewisse Zukunft. Hamburg war der bedeutendste Auswandererhafen in Deutschland geworden. Zwischen 1891 und 1914 wanderten annähernd 1,9 Mio. Menschen über den Hamburger Hafen allein in die USA, dem Haupteinwanderungsland, aus.

Während des Ersten Weltkriegs dienten die Auswandererhallen als Lazarett. Nach Kriegsende reisten wieder Auswanderer durch Hamburg, aber es war nur noch ein Bruchteil der Zahl derer, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hier Abschied von Europa nahmen. 1924 wurden die Hamburger Auswandererhallen zu einer Heimunterkunft umgebaut und in „Überseeheim der HAPAG“ umbenannt. Insgesamt nutzten in diesem Jahr nur etwa 20.000 Personen die umgebauten und renovierten Unterkünfte, in denen nur etwa 10 Jahre vorher noch 170.000 Personen pro Jahr untergebracht waren. Zwischen 1918 und 1954 wurden insgesamt „nur“ etwa 300.000 Auswanderer in Hamburg registriert. Die Zeit der Massenauswanderung war vorbei.

Die ehemaligen Hamburger „Auswandererhallen“ waren 1939 größtenteils durch Straßenbaumaßnahmen zerstört worden. Auch das repräsentative Hauptgebäude war dem Bau der Wilhelmsburger Reichsstraße zum Opfer gefallen. Nach Kriegsende wurden die Gebäude zum Domizil für einige durch den Bombenkrieg obdachlos gewordene Hamburger Familien; daneben siedelten sich auch Gewerbebetriebe an.1962/63 kam das endgültige Aus für die noch übrig gebliebenen Gebäude der ehemaligen „Auswandererhallen“. Neben dem Kirchengebäude wurden auch die verbliebenen Pavillons abgerissen – bis auf einen: dieser soll nun das Herzstück des geplanten Migrations-Museums BallinStadt werden. Es ist ein unscheinbares einstöckiges Gebäude mit flachem Dach – die Fenster mit Spanplatten zugenagelt -, das auf einem weitgehend brachliegenden Grundstück an der Veddeler Straße steht und dessen historischer Wert bei flüchtiger Betrachtung allenfalls zu erahnen ist. Dabei handelt es sich bei dieser baufällig wirkenden Baracke um das bedeutsame Relikt eines ehemals beeindruckenden Gebäudeensembles: Es ist ein ehemaliger Schlafpavillon der Auswandererhallen der Hamburg-Amerika Linie, in dem sowohl ein Schlafsaal als auch ein authentischer Speisesaal untergebracht werden. Die Rekonstruktion von zwei weiteren Hallen hat ebenfalls im Mai 2006 begonnen, Richtfest war am 11. September. Bis zum Frühjahr 2007 sollen alle Hallen zum Museum ausgebaut werden. Die zweite Halle stellt in einer Ausstellung die "Auswanderung aus Europa" dar. Im dritten Gebäude ist langfristig ein Zentrum für Familienforschung geplant, kombiniert mit einem modernen Besucherzentrum.

Kontakt:
Staatsarchiv Hamburg
Kattunbleiche 19 
22041 Hamburg 
Tel.: (040) 42831 – 3200 
Fax: (040) 42831 – 3201 

LeisureWorkGroup GmbH 
Büschstraße 7
20354 Hamburg
Ansprechpartner: 
Herr Jens Nitschke 
Herr Volker Reimers
Frau Ursula Wöst 
Tel: +49 (0)40 / 85 33 35-0
info@leisureworkgroup.de 
info@ballinstadt.de 
www.leisureworkgroup.de

Quelle: Was ist BallinStadt?; Gisela Reiners, Die Welt, 12.9.2006 ; Auswanderung über Hamburg ; Matthias Schmoock, Hamburger Abendblatt, 29.12.2004

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.