Eine Sonderausstellung des Stadtmuseums Hofheim (9. September bis 5. November 2006) widmet sich der Zeit von 1792 bis 1848, den Auswirkungen der Koalitions- und Befreiungskriege auf die Einwohner und den Hintergründen, die zur Entstehung der „Hofheimer Schulhausrevolte“ (1831) führten, sowie dem Ereignis selbst. Die Forderungen der Französischen Revolution nach Freiheit und Gleichheit der Menschen verbreiteten sich ab 1789 wie ein Lauffeuer in ganz Europa. Im Gefolge der neuen Ideen überzogen jedoch Kriege, Verwüstungen, Not und Elend das Land. Die Einwohner der gesamten Main-Taunus-Region und damit auch jene von Hofheim litten über zwei Jahrzehnte unter wechselnden Truppendurchmärschen der unterschiedlichsten Nationen. Zwar gab es hier nur wenige direkte Kriegshandlungen, doch Einquartierungen, Plünderungen und Zwangsabgaben ließen die Dörfer und Städte finanziell ausbluten, die Versorgung mit Lebensmitteln brach zusammen und Epidemien breiteten sich aus. In der Folge fand aber auch ein Wandel im politischen Verständnis statt. Es war der Beginn der Demokratisierung und der Entstehung eines neuen Selbstbewusstseins der Bürger und Bauern gegenüber der Bevormundung durch den Staat.
Die Ausstellung im Stadtmuseum basiert auf Auswertungen von Archivalien durch das Stadtarchiv Hofheim und den Recherchen von Dr. Dieter Reuschling zur Schulhausrevolte und der deutschen Revolution 1848. Eine Besonderheit sind die Beweismittel zu den Gerichtsakten des Schulhaus-Prozesses, eine Leihgabe des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden, das auch andere Originaldokumente zur Verfügung stellte. Weitere Leihgaben stammen von der Casino-Gesellschaft Wiesbaden, dem Pfarrarchiv St. Peter und Paul, dem Verein für Geschichte- und Altertumskunde Frankfurt a. M.-Höchst e.V., „Wanaloha“ Verein für Heimatgeschichte 1984 Wallau e.V. und zahlreichen Privatpersonen.
Die mittelbaren Auswirkungen der französischen Revolution von 1789 bekam Hofheim schon sehr bald durch das Eintreffen französischer Emigranten und danach durch den Einmarsch französischer Revolutionstruppen zu spüren. Bis zum Jahr 1814 war das Rhein-Main-Gebiet immer wieder Schauplatz der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und seinen Gegnern. Zweiundzwanzig Jahre Krieg bedeuteten für die Bevölkerung, welche die durchziehenden Truppen versorgen musste, unvorstellbare Entbehrungen durch Plünderungen, Zerstörungen, Hunger, Seuchen und finanzielle Kriegslasten. Durch die Neuordnung der deutschen Staaten unter dem Einfluss Napoleons wurde das Kurfürstentum Mainz aufgelöst und Hofheim kam zum Herzogtum Nassau. In dem 1802 bis 1806 neu gebildeten Staat wurden eine Reihe fortschrittlicher Reformen eingeführt. In der Zeit der Restauration nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft wurden aber die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger weiter eingeschränkt. Die Ideen der französischen Revolution, das Streben nach Freiheit und Gleichheit, und ein erstarktes Selbstbewusstsein des Bürgertums ließen sich jedoch nicht mehr unterdrücken. Dazu kamen hohe Zoll- und Abgabenlasten für die Bevölkerung und wirtschaftliche Not, die in der Folge der Juli-Revolution in Frankreich 1830 überall in Deutschland und Europa zu Volksunruhen führten.
Die Hofheimer Schulhausrevolte war eine von vielen gewalttätigen Protesten gegen autoritäre Regierungen dieser Zeit. Sie steht im Mittelpunkt der Ausstellung – ein Ereignis, das vor 175 Jahren stattfand. Vor dem Hintergrund sozialer Not, Steuer- und Schuldenlasten war die Forderung der Staatsregierung nach einem Neubau für die Schule, auf Kosten der Hofheimer, der Anlass zu einer Petition an die Landesdeputierten in Wiesbaden. Doch ohne Erfolg kehrte die Abordnung am 2. Mai 1831 aus der Landeshauptstadt zurück. Der Herzog hatte die landständische Deputiertenversammlung gerade aufgelöst. Das führte zu einem öffentlichen Aufruhr. Am Abend des 3. Mai wurde der ungeliebte Schulbau (Burgstraße 9) niedergerissen. Tags darauf errichteten junge Burschen einen Freiheitsbaum – das Symbol der Revolution. Doch die Revolution währte keine 48 Stunden. Am 5. Mai zog ein Militärkommando mit Infanterie und Artillerie in Hofheim ein, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Gegen alle Beteiligten wurde ermittelt und 25 Bürgern vor dem Kriminalgericht Wiesbaden der Prozess gemacht. Mehrere Rädelsführer erhielten „Correctionshaus“ (Arbeits- und Besserungsanstalt) und Gefängnis bis zu fünf Jahren. Die Schulhausrevolte endete mit einem totalen Misserfolg. Der Neubau wurde auf Kosten der Stadt errichtet. Die Familien der Verurteilten gerieten durch den Gefängnisaufenthalt der Ernährer und die hohen Geldstrafen in Not.
Doch die Revolte blieb nicht folgenlos. In den weiteren Jahren der Unterdrückung demokratischer Entwicklungen wurden immer wieder Hofheimer Bürger aufgrund ihrer Teilnahme an politischen Verbindungen und der Verbreitung revolutionärer Schriften angeklagt. Bis in die Zeit der deutschen Revolution 1848/49 lassen sich immer wieder politische Aktivitäten nachweisen, auch solche mit religiöser Ausrichtung. Zu diesen gehörte die Initiative des Hofheimer Pfarrers Hilf, der gemeinsam mit Hofheimer Bürgern 1848 eine Petition an die Nationalversammlung richtete, um die Freiheit der Kirche vom Staat als ein Grundrecht zu fordern.
Die Sonderausstellung „Bürgerwille gegen Herrscherwillkür“ ist Bestandteil der Veranstaltungsreihe des Projektes „Geist der Freiheit – Freiheit des Geistes“ der KulturRegion Frankfurt RheinMain GmbH und der Veranstaltungen zum Jubiläum „200 Jahre Nassau“. Ergänzend zur Ausstellung findet noch eine Vortragsreihe statt:
Pulverdampf und Plünderungen
Die Revolutions- und Befreiungskriege 1792 – 1815 im Gebiet zwischen Main und Taunus
Vortrag mit Dr. Wolfgang Metternich
Dienstag, 12.09.2006, 20.00 Uhr
Jagt über Feld und Au, Nassau und Dessau. Lieder der deutschen Revolution 1848/49 erzählen Geschichte
Vortrag mit Musikbeispielen
mit Dietrich Kleipa
Dienstag, 19.09.2006, 20.00 Uhr
Der Bürger von Hofheim Freiheit und Herkommen
Auf den Spuren des bürgerlichen Selbstbewusstseins
Vortrag mit Roswitha Schlecker
Dienstag, 26.09.2006, 20.00 Uhr
Zwischen französischer und deutscher Revolution
Hofheim und die Schulhausrevolte von 1831
Vortrag mit Dr. Dieter Reuschling
Dienstag, 10.10.2006, 20.00 Uhr
Klassizismus zwischen Main und Taunus
Christian Zais (1770-1820) als nassauischer Landbaumeister
Lichtbildervortrag mit Dr. Bernd Blisch
Dienstag, 31.10.2006, 20.00 Uhr
Kontakt:
Stadtmuseum Hofheim am Taunus
Burgstraße 11
65719 Hofheim am Taunus
Telefon: 06192/ 90 03 05
Fax: 06192/ 90 28 38
E-Mail: stadtmuseum@hofheim.de
http://www.hofheim.de
Stadtarchiv Hofheim am Taunus
Elisabethenstraße 3
65719 Hofheim am Taunus
Tel.: (0 61 92) 9 66-5 50
Fax: (0 61 92) 9 66-8 62
Quelle: Pressemeldung Stadt Hofheim am Taunus, 7.9.2006; Ausstellungen im Stadtmuseum Hofheim; Kulturkurier, 8.9.2006