Gleich mehrere für Erftstadt wertvolle Unterlagen konnte Stadtarchivar Udo Müller bei der Fachhochschule Köln, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft, abholen. Studentinnen der Fachrichtung Schriftgut, Graphik und Buchmalereien hatten die Restaurierung der Stücke als Studienarbeit in ihrem Hauptstudium durchgeführt. Müller hatte bereits im vergangenen Jahr Kontakt mit der vor kurzem verstorbenen Werkstattleiterin
des Instituts, Eva-Katharina Nebel, aufgenommen und ihr einige Stücke als Semesterarbeit angeboten. Nur wirklich interessante Stücke wählte Nebel für Studienarbeiten aus. Ein Glücksfall für Erftstadt, dass sie sich für vier Stücke aus dem Erftstädter Archiv entschieden hat, denn eine Restauration hätte niemals bezahlt werden können. Weil kein Stundenlohn für die Restaurierung anfiel, musste die Stadt nur für die reinen Materialkosten aufkommen.
Das älteste Dokument, das im Archiv der Stadt Erftstadt aufbewahrt wird, beurkundet eine Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten wegen Viehdrift und Weidganges zwischen Caecilie von Palant, Witwe des Adolf Quad zu Buschfeld und den gemeinen Nachbarn zu Liblar. Die Unterzeichnung des Vertrages fand in Gegenwart von Hieronymus Wolff von Metternich am 4. September 1563 statt. Das Pergament befand sich in einem schlimmen Zustand, als Udo Müller es zur Fachhochschule brachte. Im Spätmittelalter wurden häufig Dokumente gefaltet, um Platz zu sparen. Das Pergament war an den Knickstellen porös und das Risiko hoch, dass Schäden beim auseinander falten entstehen. Interessierten Nutzern konnte die Urkunde aus diesem Grund bisher nicht gezeigt werden. Nun ist die Urkunde ausgebreitet und in einer staubdichten Verpackung gut geschützt. Im Fachbegriff heißt das Planlegen von Urkunden „Entspannung“. Bei diesem Vorgang muss das Pergament in eine Befeuchtungskammer, in der eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht. Danach wird unter leichtem Druck das Pergament beschwert und über Monate langsam getrocknet.
Auch zwei Landkarten aus den Jahren 1872 und 1913, die ebenso wie das älteste Dokument zur Sammlung Schloss Gracht gehören, hat Udo Müller, der seit 2001 das Archiv geleitet und aufgebaut hat, geknickt erhalten. Zwei Studentinnen haben die Restaurationsarbeiten der Flurkarte Bliesheim mit Haus Buschfeld und Bremerhof und der Jagdkarte der Gemarkungen Bliesheim, Friesheim und Weilerswist im Sommersemester übernommen und auch hier die Technik des Entspannens eingesetzt. Die verstaubte Oberfläche des Baumwollgewebes wurde zuerst mit Latexschwämmen trocken gereinigt und abgesaugt. Danach wurde das gestärkte Gewebe mittels nasser Tücher befeuchtet und geglättet. Um das Gewebe zu entspannen, wurde es mit Brettern und Gewichten beschwert. Über zwei Tage haben die Studentinnen an den Karten gearbeitet. Dabei wurden noch kleine Löcher mit Japanpapier hinterlegt und farblich angepasst und so die vorher sichtbaren Schäden zum Verschwinden gebracht. Zur Studienarbeit gehörte zudem eine mikroskopische Untersuchung des Kartengewebes sowie eine schriftliche und fotografische Dokumentation. Die Karten sind nun klebstofffrei auf einem Vlies befestigt und halten nur durch die Verbindung der Gewebefasern auf dem Vliesuntergrund. Beide Karten sind jetzt in einer passenden Plastikhülle geschützt und könnten auch mal in einer Ausstellung gezeigt werden.
Ein optisch wirklich schönes Stück – eine undatierte Ahnentafel der Christina Eleonora Franziska Maria von Burscheidt – war Grundlage für eine weitere Studienarbeit. Udo Müller geht davon aus, dass es sich um einen Familienzweig der Metternichs handelt. Die Restaurierung gestaltete sich problematisch, weil vor dem Entspannen an zwei Stellen die Wasserfarbenmalerei abzublättern drohte. Zudem musste ein Wasserschaden behoben werden. Des weiteren waren zwei Wappen herausgeschnitten und später wieder eingeklebt worden. Durch das Entspannen haben sich diese geklebten Stellen aufgrund der Kleberkonsistenz etwas verzogen.
Jetzt, wo diese Stücke so perfekt aufgearbeitet sind und gezeigt werden könnten, ist es schade, dass am 8. September 2006 der letzte Arbeitstag für Udo Müller war. Er verlässt Erftstadt, um eine Stelle im Archiv der Stadt Bonn zu übernehmen. Da sich die Stadt Erftstadt im Haushaltssicherungskonzept befindet, ist eine Neubesetzung der Stelle erst nach einem Jahr möglich. In der Zwischenzeit wird seitens der Stadt nach einer internen Lösung gesucht, um die Bemühungen Udo Müllers, das Archiv als Forschungsstätte für Schüler und Studenten sowie für alle historisch interessierten Bürger zu etablieren, nicht umsonst waren.
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Quelle: Pressemeldung, Stadt Erftstadt, 30.8.2006; Bianca Wilkens, Kölner Stadtanzeiger, 7.9.2006