Bruno Gröning (1906-1959) war nicht nur der bekannteste, sondern auch der umstrittenste „Geistheiler“ im Deutschland der Nachkriegzeit. Keine andere Heilerpersönlichkeit hat in diesem Zeitraum eine ähnlich große Schar von Anhängern um sich gesammelt wie der ursprünglich aus Danzig stammende Gröning. Dem Charismatiker mit den stechenden Augen und dem markanten „Kropf“ wurde seitens seiner Anhängerschaft eine fast schon religiöse Verehrung zuteil, während die große Schar der Kritiker ihn als Scharlatan brandmarkte und bekämpfte.
Seit 1949 war Grönings Name in aller Munde. Zehntausende Heilungsuchende pilgerten zu den Auftritten und Wirkungsstätten des selbsternannten „Wunderdoktors“. In sämtlichen Bevölkerungsschichten, in der Presse, in Funk und Fernsehen wurde heftig und kontrovers über Gröning diskutiert. Politik, Justiz und Wissenschaft setzten sich intensiv mit seiner Heilertätigkeit und dem von ihm ausgelösten Massenphänomen auseinander. Grönings spektakuläre Karriere vom Hafenarbeiter zum berühmten Wunderheiler kann demzufolge als bemerkenswerter, historiographisch allerdings noch wenig aufgearbeiteter Teil der Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte der frühen Bundesrepublik betrachtet werden.
Die Wirkmächtigkeit Bruno Grönings hat sich auch nach seinem relativ frühen Tod 1959 weiter fortgesetzt, insbesondere durch die Aktivitäten einer Reihe von eingeschworenen Gruppierungen und Vereinen, in denen man Grönings Lehren kontinuierlich propagiert und sein geistiges Erbe weiter trägt. Aus dem Umfeld dieser untereinander gespaltenen und zumeist sehr kritisch beurteilten Bruno-Gröning-Freundeskreise konnte das IGPP-Archiv vor kurzem die umfangreiche Sammlung eines Gröning-Adepten übernehmen (neuer Bestand 20/16). Publikationen und Vereinsmitteilungen, zahlreiche Korrespondenzordner, eine reichhaltige Pressesammlung, Hunderte von Tonbandaufnahmen und diverse Devotionalien dokumentieren die Biographie und öffentliche Wahrnehmung des „Wunderheilers“ sowie die innere Struktur und Gedankenwelten seiner Anhängerschaft.
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Abb.: Bruno-Gröning-Kalender für 1990 (© IGPP-Archiv)
Quelle: Uwe Schellinger (IGPP), Schaufenster ins Archiv 08-06, 1.8.2006